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26 Jahre Serena Williams: Mehr als eine Tennis-Ikone

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Mit den US Open 2022 ging die großartige Karriere der Serena Williams aller Voraussicht nach zu Ende. Neben Titeln, Triumphen und Trophäen hob die US-Amerikanerin das Damen-Tennis auf eine neue Ebene. Ihr Vermächtnis reicht jedoch weit über ihre sportlichen Ausnahmeleistungen hinaus.

US Open. Arthur Ashe Stadium. Night Session. Just an jenem Ort, an dem 1999 der große Stern von Serena Williams mit ihrem ersten Grand Slam Titel im Einzel aufging, endet nun (vermeintlich) die großartigste Karriere, die das Frauentennis bisher gesehen hat. "Es war eine spaßige Reise", verkündet Williams unter Freudentränen vor 24.000 frenetischen Fans auf dem Center Court. Mit 40 Jahren hängt Serena Williams den Tennisschläger wohl endgültig an den Nagel.

Ein winziges Hintertürchen lässt sie sich jedoch offen und meint über eine Rückkehr auf den Platz: "Ich denke nicht, aber man weiß nie was passiert." Bei ihrem "Last Dance" in New York hat die Ausnahmeathletin noch einmal gezeigt, warum sie die Tenniswelt über Jahrzehnte geprägt und verzückt hat. Mit Siegen über Danka Kovinić und Annet Kontaveit, die aktuelle Nummer zwei der Welt, arbeitete sie sich bis in die dritte Runde, dort war am Freitag gegen Ajla Tomljanović Schluss. Nach 26 Jahren Profi-Tennis ist es nun also Zeit, sich neuen Aufgaben zu widmen.

23 Grand-Slam-Siege, 73 Titel, 858 Siege

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Serena Williams (r.) bei ihrem letzten Grand Slam Sieg (Australian Open, 2017) nachdem Finalsieg über ihre Schwester Venus (l.)

Um Williams' Errungenschaften für den Sport einzuordnen, reicht eigentlich ein Blick auf die nackten Zahlen: 23 Grand-Slam-Siege im Einzel, 14 Grand-Slam-Siege im Doppel, 73 Karrieretitel auf der WTA-Tour, 858 Matchsiege, 319 Wochen an der Spitze der Weltrangliste. Knapp 100 Millionen Dollar hat die US-Amerikanerin allein an Preisgeld erspielt. Dazu Olympisches Gold im Einzel und im Doppel.

Doch Williams Vermächtnis enthält mehr als nur Siege, Pokale und Medaillen. Die Geschichte der Ausnahmesportlerin ist hollywoodreif. Als Kind zog Vater Richard mit seinen Töchtern Serena und Venus, seiner Frau Oracene und deren drei Kindern aus erster Ehe nach Compton. Ein Vorort von Los Angeles, der für Bandenkriege und eine hohe Kriminalitätsrate bekannt ist. Die Tennisspielerinnen wuchsen in einfachen Verhältnissen auf. Richard Williams traf diese Entscheidung bewusst. Er wollte seinen Töchtern zeigen, wie hart das Leben sein kann und dass man für seinen Erfolg arbeiten muss.

Vater Richard und der "Getto-Cinderella-Mythos"

Der exzentrische Vater von Serena spielte allgemein eine große Rolle in deren Laufbahn. Laut seinen eigenen Erzählungen wollte seine Frau Oracene nach drei Kindern aus erster Ehe keinen Nachwuchs mehr. Doch als Richard Williams im Fernsehen sah, wie die Siegerin eines Tennisturniers einen Scheck über 60.000 Dollar erhielt, klaute er seiner Frau die Antibabypille. Zweimal. So kamen Serena und Venus zur Welt.

Zumindest ist das die Version Richards, der einen Hang zu spektakulären Erzählungen hat und dem immer wieder vorgeworfen wird den "Getto-Cinderella-Mythos" zu schüren. Fakt ist jedenfalls, dass Richard Williams, dessen Leben im Oscar®-gekrönten Film "King Richard" behandelt wird, eine zentrale Rolle in den Karrieren seiner Töchter spielte. Er fungierte anfangs als Trainer von Serena und Venus und sorgte 1991 dafür, dass die beiden in der Tennisschule von Rick Macci, der zu diesem Zeitpunkt bereits zwei ehemalige Spielerinnen unter seinen Fittichen hatte, unterkamen. Die Familie zog nach West Palm Beach.

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Vater Richard Williams 1999 bei einem Turnier in Florida, bei dem die beiden Schwestern gegeneinander spielten. 

Vegane Ernährung, Zeugin Jehovas und eigenes Modelabel

Mit ihren Leistungen auf dem Tennisplatz bietet die inzwischen 40-jährige Serena eigentlich schon genug Inhalt für zahlreiche Biografien, Verfilmungen oder Artikel. Darüber hinaus weist ihre Karriere jedoch zahlreiche weitere spannende Facetten auf. Über weite Strecken ihrer Karriere ernährte sich die Spitzensportlerin ausschließlich vegan. "Meine Ernährungsumstellung hat einen enormen Unterschied gemacht, ich spüre seitdem viel mehr Energie in mir", sagte sie einmal in einem Interview. Serena reiht sich dabei in eine Riege prominenter Sportler wie Lewis Hamilton, Novak Djokovic oder ihrer Schwester Venus ein.

Die beiden Williams-Schwestern zählen außerdem zu den prominentesten Vertretern der "Zeugen Jehovas", nehmen nicht an Wahlen teil und äußern sich in der Öffentlichkeit kaum politisch. Mit ihrem Auftritt in den Sozialen Medien gelang es Serena dennoch – abgesehen von ihrer Karriere auf dem Tennis-Court – eine eigene Marke aufzubauen und zahlreiche Sponsorendeals zu lukrieren. Ob auf dem Cover der "Vogue", als Gastrednerin bei der "Black Tech Week" oder als Werbeträgerin für ihre eigene Modekollektion: Am Namen Serena Williams kommt man auch als Nicht-Tennis-Fan schwer vorbei.

Debüt auf der WTA-Tour, erste Erfolge

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Williams im Alter von 17 Jahren bei einem Turnier in Florida. 

Bereits im Alter von 14 Jahren debütierte Serena Williams auf der WTA-Tour, scheiterte aber bereits in der ersten Runde zur Qualifikation in Quebec. Es sollte zwei Jahre dauern, bis Willams wieder ein Spiel auf der höchsten Ebene des Tennissports bestritt. Richard war anfangs besorgt über den großen medialen Druck, der auf seinen Töchtern lastete, weswegen er ihnen lange Zeit verbot auf der WTA-Tour Turniere zu spielen.

1997 feierte Williams im zarten Alter von 16 Jahren dennoch ihre ersten Erfolge. Beim Turnier in Chicago gelangen ihr zwei Siege über Top-Ten-Spielerinnen, erst im Halbfinale kam das Aus. Im Jahr darauf etablierte sich die Rechtshänderin auf der Tour und feierte erste Turniersiege im Doppel an der Seite von Venus. Im Mixed-Bewerb holte die damals 17-Jährige mit Max Mirnyi zwei Grand-Slam-Titel in Wimbledon und bei den US Open.

Olympia-Gold und "Serena Slam"

Nur ein Jahr später gelang es Williams mit ihrem druckvollen und kraftvollen Spiel, das sie über die Jahre auszeichnen sollte, die Tennis-Welt endgültig zu verzücken. Mit einem 6:3, 7:6-Finalsieg über Martina Hingis sicherte sich die US-Amerikanerin ihren ersten US-Open Sieg. Im Alter von 18 Jahren. Es folgte die endgültige Etablierung an der Weltspitze und Olympia-Gold im Doppel 2000 mit Venus.

2002 gewann Williams nacheinander die Major-Turniere in Paris (French Open), London (Wimbledon) und New York (US Open). 2003 folgte der erste Sieg in Melbourne (Australian Open). Gewinnt eine Spielerin alle vier großen Turniere in einem Jahr spricht man von einem "Grand Slam". Da Williams alle vier Turniere in Folge gewann, allerdings nicht in einem Kalenderjahr, sprach man vom "Serena Slam". Die 1,75m große Athletin stand zu dieser Zeit folgerichtig auf Platz eins des WTA Rankings.

Verletzungen und Depressionen

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Doch auch in der märchenhaften Karriere der erfolgreichsten Tennisspielerin des Planeten war nicht immer alles Gold was glänzt. In den Folgejahren wurde Williams zunächst von einer Knieverletzung aus der Bahn geworfen, mangelnde Ergebnisse waren die Folge. 2006 zog sie sich gar für sechs Monate vom Tour-Geschehen zurück. Später wurde bekannt, dass Williams zu dieser Zeit unter Depressionen litt und mit dem Gedanken eines frühzeitigen Karriereendes spielte. Drei Jahre zuvor wurde die ältere Halbschwester von Serena und Venus, Yetunde Price, in ihrem früheren Wohnort Compton erschossen.

Zu dieser Zeit wurde die Öffentlichkeit erstmals Zeuge des großen Kämpferherzes der Serena Williams. Obwohl ihr mangelnde Fitness vorgeworfen wurde und Sponsor Nike gar ankündigte den Vertrag im Falle eines schlechten Abschneidens bei den Australian Open zu kündigen, schlug Williams zurück und gewann das Turnier.

Baby-Pause und verpasster Grand-Slam-Rekord

Dasselbe Muster wiederholte sich 2011 als sie nach einer karrieregefährdenden Fußverletzung zur Tour zurückkehrte und ihren ersten Olympia-Sieg im Einzel sowie den zweiten "Serena Slam" holte. Es folgten weitere Turniersiege und Erfolge, ehe 2017 bekannt wurde, dass Williams, die mit "reddit"-Gründer Alexis Ohanian verheiratet ist, schwanger ist und sich eine Auszeit nimmt.

Nach der Geburt ihres ersten Kindes im September 2017 kehrte sie noch einmal auf die Tour zurück, wohl auch um den Grand-Slam-Rekord von Margaret Court (24 Siege) zu pulverisieren. Dies sollte schließlich nicht mehr gelingen. Williams scheitere noch viermal im Finale und bilanziert mit 23 Siegen bei Major-Turnieren.

"Ich schiebe dir den Ball in den Hals"

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Trotz ihrer unbestrittenen sportlichen Bilderbuch-Karriere galt die 40-Jährige auf dem Court stets als Exzentrikerin und sorgte für den einen oder anderen Aufreger. Im Halbfinale der US Open 2009 attackierte Williams eine Linienrichterin, die bei einem Aufschlag auf Fußfehler entschieden hatte, mit den Worten: "Bei Gott, ich schwöre, dass ich dir einen dieser verdammten Bälle in den Hals schiebe. Ich schwöre es." Die Linienrichterin warf Williams im Nachhinein sogar vor, sie hätte ihr mit Mord gedroht, was diese jedoch bestritt.

Zwei Jahre später im Finale der US Open leistete sie sich einen neuerlichen Wutausbruch. Als sie mit einer Entscheidung der Schiedsrichterin nicht einverstanden war, richtete sie dieser aus: "Schauen Sie mich ja nicht an, ich mache keinen Spaß. Sie haben völlig die Kontrolle verloren. Sie sind eine Hasserin und einfach nur innerlich unattraktiv."

2018 musste Williams nach einem Spiel für Regelverstöße (u.a. Schiedsrichterbeleidigung und unerlaubtes Coaching) eine Geldstrafe von 17.000 Dollar zahlen. Obwohl die Verwarnungen regelkonform waren, warf sie dem Stuhlschiedsrichter in der anschließenden Pressekonferenz Sexismus vor und sagte, sie sei hier, um "für Frauenrechte und gleiche Behandlung zu kämpfen."

Vorbildwirkung auf und abseits des Platzes

Auch wenn sie für diese Aktion viel Kritik einstecken musste, ist Williams tatsächlich für viele weibliche Sportlerin eine Inspiration. Naomi Osaka, ehemalige Nummer eins der Welt, sagte 2021 in einem Interview: "Ihr Vermächtnis ist mehr, als Serena zu sein. Wegen ihr habe ich angefangen zu spielen. Ich bin mir sicher, dass es so viele andere Mädchen gibt, die wegen ihr angefangen haben zu spielen, also hat sie buchstäblich Meisterinnen aufgebaut."

Williams setzte sich während ihrer Karriere für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sowie Schwarzen und Weißen ein, auf und abseits des Tennisplatzes. 2018 löste sie unbeabsichtigt eine Kleiderdebatte im Tennis-Sport aus, als sie in einem enganliegenden Catsuit bei den French Open antrat.

"Entwicklung" statt "Rücktritt"

Einen Plan für die Karriere nach der Karriere hat Serena Williams noch nicht verkündet. Man darf sich allerdings sicher sein, dass man von der 40-Jährigen auch in Zukunft in irgendeiner Form hören oder lesen wird. In einem Interview mit der "Vogue" sagte sie kürzlich: "Ich mag das Wort Rücktritt nicht. Es fühlt sich nicht wie ein modernes Wort an für mich. Vielleicht ist das beste Wort, um zu beschreiben, was ich jetzt mache, Entwicklung. Ich entwickle mich weg vom Tennis, hin zu anderen Dingen, die mir wichtig sind."

Wohin sie sich entwickelt, werden die kommenden Jahre zeigen. Und wer weiß, vielleicht sieht man sie tatsächlich noch einmal auf den Center Courts der größten Tennisanlagen der Welt. Williams hat die Tür noch nicht offiziell zugemacht. Es wäre nicht das erste Comeback, mit dem die Tennis-Ikone ihre Bewunderer in Ekstase versetzt.

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ribbon Zusammenfassung
  • Bei den US Open 2022 ging die großartige Karriere der Serena Williams aller Voraussicht nach zu Ende.
  • Um Williams' Errungenschaften für den Sport einzuordnen, reicht eigentlich ein Blick auf die nackten Zahlen: 23 Grand-Slam-Siege im Einzel, 14 Grand-Slam-Siege im Doppel, 73 Karrieretitel auf der WTA-Tour, 858 Matchsiege.
  • Neben Titeln, Triumphen und Trophäen hob die US-Amerikanerin das Damen-Tennis auf eine neue Ebene. Ihr Vermächtnis reicht jedoch weit über ihre sportlichen Ausnahmeleistungen hinaus.

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