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Weltflüchtlingstag - NGOs: Not geht in der Pandemie unter

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Anlässlich des Weltflüchtlingstages am Sonntag warnen Hilfsorganisationen davor, dass Flüchtlinge während der Pandemie vergessen und deren Versorgung vernachlässigt werde. Finanzielle Unterstützung für Geflüchtete in Krisengebieten sei in diesem Jahr "völlig unzureichend" gewesen oder teils sogar komplett ausgeblieben, so CARE Österreich. World Vision kritisierte, dass geflüchtete Menschen in der weltweiten Impfhierarchie "weit unten auf der Liste stehen".

Gerade die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen und seiner Partner in Afrika, etwa im Tschad, in Mali, Burkina Faso, Niger und Burundi, sei "dramatisch unterfinanziert", teilte CARE in einer Aussendung mit. "Die Pandemie bindet nicht nur finanzielle Mittel, sondern nimmt auch die komplette öffentliche und mediale Aufmerksamkeit ein", sagte die CARE Österreich-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager. "Die verheerende Not von Millionen von Geflüchteten wird dabei kollektiv ausgeblendet." Die Hilfsorganisation forderte die Politik deshalb auf, eine nachhaltige Finanzierung und einen EU-weiten Plan für die Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, eine rasche Abwicklung von Asylanträgen zu gewährleisten und einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen umzusetzen.

Die Kinderhilfsorganisation World Vision kritisierte indes die "katastrophale" Impfsituation für Geflüchtete. Grund dafür sei der extrem begrenzte Zugang zu Impfstoffen in ärmeren Ländern. Die Aufnahmeländer seien wirtschaftlich schwach und stünden unter dem Druck, auch ihre eigene Bevölkerung schützen zu müssen. Bei einer von World Vision durchgeführten Umfrage gab nur einer von 2.000 Geflüchteten an, gegen Corona geimpft worden zu sein. Von global 1,3 Milliarden produzierten Impfdosen gingen laut World Vision bisher 75 Prozent an reiche Länder und "nur beschämende" 0,3 Prozent an arme Länder.

Die Kinderhilfsorganisation SOS-Kinderdorf forderte Österreich und die restlichen EU-Staaten auf, Kinderrechte in der europäischen Asylpolitik "endlich ernst zu nehmen". Die Lage von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen sei "katastrophal, besonders für Kinder", deren Rechte "mit Füßen getreten" würden, kritisierte der SOS-Kinderdorf Geschäftsführer Christian Moser am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Um die Wahrung der Rechte von Kindern auf der Flucht sicherzustellen, gebe es "noch viel zu tun", sagte Moser, auch mit Blick auf den EU-Pakt für Asyl und Migration. SOS-Kinderdorf richtete deshalb Empfehlungen an die europäische Asylpolitik, die etwa kindgerechte Quartiere mit Betreuung und Unterstützung unmittelbar nach der Ankunft auf EU-Boden oder einen "europäischen Solidaritätspool für eine strukturierte Verteilung" umfassen. In den Pool sollen nach Vorstellung der Organisation Nationalstaaten, aber auch Kommunen und Gemeinden freie Aufnahmeplätze einmelden können, hier gebe es auch große Bereitschaft seitens lokaler und privater Initiativen. Zudem solle in unabhängiges Kontrollsystem bezüglich Unterbringung und Betreuung auf europäischer Ebene etabliert werden.

Die Menschenrechtsorganisation Südwind kritisierte die "jahrelange migrationspolitische Untätigkeit der EU" sowie "populistische Scheinlösungen von Mitgliedsländern wie Österreich" und forderte "klar definierte Wege für legale Migration und ein faires, solidarisches Verteilungssystem innerhalb Europas". Gleichzeitig müssten Versprechen für Hilfe vor Ort erfüllen und ein "neues Schutzsystem" für Menschen geschaffen werden, die aufgrund der Klimakrise ihr Zuhause verlieren, so Stefan Grasgruber-Kerl, Menschenrechtsexperte von Südwind. Vor allem im Kampf gegen Fluchtursachen bleibe Österreich vieles schuldig, kritisierte er die zu niedrigen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und humanitäre Hilfe.

Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) zog eine "erschreckende Bilanz" der jahrelangen "Abschreckungs- und Abschottungspolitik" der EU. Die Rechte Geflüchteter würden zunehmend missachtet werden, "mit enormen Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit", erklärte Geschäftsführerin Laura Leyser in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Europa übernehme aber auch nur einen "kleinen Teil der Verantwortung", denn ein großer Teil der Fluchtbewegungen würde weit weg von Europa stattfinden.

"Wir dürfen nicht auf die Flüchtlinge vergessen. Viele alte Probleme sind weiterhin ungelöst. Viele neue Probleme kommen auf uns zu", forderte auch der Bundesgeschäftsführer des Samariterbundes, Reinhard Hundsmüller in einer Aussendung. Die gesamte EU sei gefordert, neue Migrationsstrategien zu erarbeiten und "nicht auf ein Wunder zu hoffen. Auch die österreichische Regierung müsse eine "starke Stimme der Menschlichkeit sein", so Hundsmüller.

Anlässlich des Weltflüchtlingstages (20. Juni) und der "unhaltbaren Zustände an den EU-Außengrenzen" organisieren zahlreiche Initiativen in ganz Österreich Aktionen und Kundgebungen, um "für Menschenrechte und eine solidarische Asylpolitik" einzutreten. Getragen werden die Aktionen - darunter etwa Protestmärsche aus den Bundesländern bis vor das Bundeskanzleramt in Wien - von Organisationen und Initiativen wie der asylkoordination österreich, der Initiative "Courage - Mut zur Menschlichkeit", der Plattform für eine menschliche Asylpolitik, den lokalen "Wochenende für Moria"-Gruppen und der Plattform Solidarität Oberösterreich. Ihr gemeinsames Anliegen: Die sofortige Rettung von Menschen aus den Flüchtlingscamps an den EU-Außengrenzen sowie die solidarische Beteiligung Österreichs an einer menschlichen Asylpolitik innerhalb der EU.

ribbon Zusammenfassung
  • Anlässlich des Weltflüchtlingstages am Sonntag warnen Hilfsorganisationen davor, dass Flüchtlinge während der Pandemie vergessen und deren Versorgung vernachlässigt werde.
  • World Vision kritisierte, dass geflüchtete Menschen in der weltweiten Impfhierarchie "weit unten auf der Liste stehen".
  • "Die verheerende Not von Millionen von Geflüchteten wird dabei kollektiv ausgeblendet."

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