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Wahl in Mexiko: Zwei Frauen kämpfen um höchstes Staatsamt

Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos konkurrieren Umfragen zufolge zwei Frauen um das höchste Staatsamt in einem der größten Länder Lateinamerikas. Knapp 100 Millionen Wahlberechtigte entscheiden am Sonntag bei den Präsidentschaftswahlen, ob eine Wissenschafterin oder eine Unternehmerin das spanischsprachige Land in den kommenden sechs Jahre regieren wird. Neben dem Präsidentenamt werden auch der Kongress und die Regierungen von neun Bundesstaaten neu bestimmt.

Insgesamt wir über mehr als 20.000 öffentliche Ämter entschieden. Der aktuelle Präsident, Andrés Manuel López Obrador, von der linkspopulistischen Regierungsallianz Morena (Movimiento Regeneración Nacional) darf nicht erneut antreten.

Für Morena tritt die Wunschkandidatin des Amtsinhabers, Claudia Sheinbaum, ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, an. Die 61-jährige promovierte Umweltingenieurin gilt als Vertreterin der aktuellen Regierungspolitik. Sie möchte in erster Linie den Kurs weitgehend fortsetzen.

Dieser umfasst die wirtschaftliche Entwicklung unter staatlicher Kontrolle, insbesondere die Förderung von Infrastrukturprojekten, Energiesicherheit und -souveränität unter staatlicher Leitung sowie die Abkehr von der Privatisierung öffentlicher Unternehmen zur Sicherstellung wichtiger Infrastruktur. Sheinbaum will jedoch die Rolle öffentlich-privater Partnerschaften bei der Finanzierung der Energiewende prüfen. Sie spricht sich auch für eine verstärkte Förderung ausländischer Direktinvestitionen aus.

Sheinbaums Widersacherin aufseiten eines breiten oppositionellen Parteibündnisses, das vorwiegend dem Mitte-Rechts-Spektrum entspricht, ist die indigene Politikerin Xóchitl Gálvez (61). Seit 2018 amtiert die Unternehmerin als Senatorin im Senat Mexikos. Je nach Umfrageinstitut liegt Sheinbaum 20 bis 30 Prozentpunkte vor Gálvez. Kaum Chancen werden dem Kandidaten des Mitte-Links-Bündnisses Movimiento Ciudadano, Jorge Álvarez Máynez (38), eingeräumt. Allerdings waren seine Umfragewerte zuletzt im Steigen begriffen. Eine Stichwahl ist in Mexiko nicht vorgesehen.

Fehlende Details zu ihren Plänen kommen Experten zufolge Sheinbaum bei der Mittelschicht und der Geschäftswelt zugute, die eher auf eine gemäßigte und pragmatische Führungspersönlichkeit hoffen. Inwieweit sie von der Politik von López Obrador abweichen wird, ist eine der wichtigen Fragen vor den Wahlen, die von den Investoren genau beobachtet werden. Der Präsident hatte private Unternehmen aus Schlüsselbereichen der Wirtschaft wie der Stromerzeugung weitgehend ausgeschlossen. Experten zufolge steht Sheinbaum vor einem Balanceakt zwischen ihren eigenen politischen Zielen und der Wahrung des Erbes von López Obrador, der in der Morena-Partei über großen Einfluss verfügt.

Der Wahlkampf wurde von einer Gewaltwelle überschattet. Bisher wurden Medienberichten zufolge etwa 70 Menschen im Zusammenhang mit den Wahlen ermordet. Dahinter werden kriminelle Banden vermutet, die unliebsame Kandidaten aus dem Weg räumen wollen, um ihren eigenen Einfluss zu stärken.

Die künftige Staatschefin steht vor der Aufgabe, die Gewalt der Drogenkartelle einzudämmen. Sheinbaums Berater sagten zu Reuters, dass sie im Falle ihrer Wahl die Mordrate Mexikos bis 2027 von 23,3 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner auf 19,4 senken wolle. Damit würde sie mit Brasilien gleichziehen. Um dies zu erreichen, wolle sie die Zahl der Bundesermittler auf 8000 verdoppeln, die Zahl der Truppen der Nationalgarde von 120.000 auf 150.000 erhöhen, eine Justizreform einleiten sowie Programme zur Bildung von Jugendlichen und zur Förderung der Gemeinschaft einführen. Die bisherige Amtszeit von López Obrador mit über 185.000 Morden bis April ist die gewalttätigste in der Geschichte Mexikos.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verlief zuletzt positiv. Im ersten Quartal legte das Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozentpunkte zu. Die Staatsverschuldung beträgt rund 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Arbeitslosigkeit beläuft sich auf rund drei Prozent.

Durch die Sozialausgaben vor den Wahlen wird das Haushaltsdefizit in diesem Jahr wahrscheinlich auf 5,9 Prozent im Vergleich zum BIP steigen - nach 4,3 Prozent im vergangenen Jahr. Dies dürfte den Druck auf die nächste Regierung erhöhen. Deshalb halten Analysten eine Herabstufung des Landes durch die Ratingagenturen für realistisch, wenn das Defizit nicht abgebaut wird. Die Agentur Fitch bewertet Mexikos langfristige Staatsanleihen mit "BBB-" bei stabilem Ausblick.

ribbon Zusammenfassung
  • Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos konkurrieren zwei Frauen um das höchste Staatsamt. Knapp 100 Millionen Wahlberechtigte entscheiden am Sonntag über die nächste Präsidentin.
  • Der Wahlkampf wurde von einer Gewaltwelle überschattet, bei der etwa 70 Menschen ermordet wurden. Claudia Sheinbaum möchte die Mordrate bis 2027 auf 19,4 Tötungsdelikte pro 100.000 Einwohner senken.
  • Die wirtschaftliche Entwicklung verlief zuletzt positiv, mit einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozentpunkten im ersten Quartal. Das Haushaltsdefizit wird jedoch voraussichtlich auf 5,9 Prozent im Vergleich zum BIP steigen.