Türken in Österreich gedenken des Putschversuchs von 2016
In der Einleitung der offiziellen Türkei-Veranstaltung wurde "der heldenhafte historische Widerstand" hervorgehoben, den das türkische Volk damals geleistet habe, um die demokratischen Werte zu verteidigen. Ausdrücklich wurde auch betont, welch wichtige Rolle Präsident Recep Tayyip Erdogan als "Verteidiger der Demokratie" gespielt habe. Langzeit-Machthaber Erdogan - von 2003 bis 2014 Premier, hat seit 2014 das Präsidentenamt inne.
Die überraschende Absetzung von Erdogans Kommunikationschef Fahrettin Altun vor zwei Tagen hatte zur Folge, dass bei der Veranstaltung in Wien dessen geplante Video-Botschaft gestrichen wurde. Der türkische Machthaber hatte seinen langjährigen Vertrauten und Ideologen vor zwei Tagen per Präsidialdekret aus dem Amt entlassen. Das Kommunikationsdirektorat unter Altun wird von vielen Seiten beschuldigt, unabhängige Medien zu unterdrücken.
Botschafter Dönmez betonte, man habe aus den Ereignissen von 2016 "Lehren" gezogen. Es gelte, die nationalen Werte zu verteidigen. Dönmez ist erst seit kurzer Zeit Botschafter in Österreich, er hatte zuvor wichtige beratende Funktionen in der AKP-Regierung in Ankara innegehabt. Universitätsprofessor Burak Günes erklärte, rund um den Putschversuch sei der nationale Sicherheitsapparat aktiv geworden. Erdogan habe wie "ein Pfeiler" eine klare Botschaft an den Staatsapparat gerichtet.
Früherer Botschafter Wölfer erlebte 2016 in Ankara
Der frühere österreichische Botschafter Wölfer beschrieb die Geschehnisse, die er 2016 in Ankara verfolgte. Eine Einschüchterung der türkischen Bevölkerung habe man wahrnehmen können. Doch diese erhob sich gegen die militärischen Aktionen. Klar sei in diesem Zusammenhang, dass es "diverse Parallelstrukturen" gegeben habe. Der Diplomat erinnerte auch daran, dass die EU aus gegebenem Anlass bewiesen habe, auf der Seite der Demokratie zu stehen.
Zur Rolle der Medien damals wie heute, neben den Folgen von 2016 für die Außenpolitik ein Kernthema der Diskussion, führte der Experte Thomas Bauer aus, Kommunikation sei "ein Grundpfeiler der Existenz". Sie diene mehr denn je als "Beobachtungsmodell", sei "ein Ambiente, in dem wir unser Leben gestalten", eine laufende Herausforderung. Zudem förderten die neuen Medien die Individualisierung der Kommunikation. Auch der Experte Harvey Dzodin betonte seinerseits die "essenzielle Rolle" der sozialen Medien.
Putschversuch-Gedenken und Vorgehen gegen CHP-Opposition
2017 wurde von der türkischen Führung "der Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit" als zusätzlicher Feiertag eingeführt - um der Opfer zu gedenken, wie es offiziell heißt. Die Geschehnisse von damals wurden freilich nie offiziell aufgearbeitet und erläutert. Um die Hintergründe ranken sich weiterhin Gerüchte über die Verwicklung der Fetullah-Gülen-Bewegung, der Geheimdienste und um die Rolle der politisch Islam-betonten AKP-Führung unter Langzeit-Präsident Erdogan.
Eigentlicher Nationalfeiertag ist in der Türkei (heute offiziell Turkiye genannt) weiterhin der 29. Oktober, der Tag der Ausrufung der Republik unter Mustafa Kemal Pascha. Die aktuellen Feiern zum "Tag der Demokratie" werden vom drastischen Vorgehen der Behörden gegen Politiker der oppositionellen Republikanischen Volkspartei CHP überschattet. Auf die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu folgten inzwischen Festnahmen zahlreicher anderer CHP-Kommunalpolitiker.
Zusammenfassung
- Vertreter der Türkei in Österreich erinnerten am Freitag in Wien an den Jahrestag des gescheiterten Putschversuchs vom 15. Juli 2016 und betonten die Verteidigung von Vaterland und Demokratie.
- Die geplante Video-Botschaft des erst vor zwei Tagen per Präsidialdekret entlassenen Kommunikationschefs Fahrettin Altun entfiel, während Präsident Erdogan als "Verteidiger der Demokratie" hervorgehoben wurde.
- Die aktuellen Feiern zum 2017 eingeführten "Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit" werden von Festnahmen zahlreicher Politiker der oppositionellen CHP und der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters überschattet.