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Sterbehilfe: Wie die neue Regelung aussehen könnte

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Die Regierungskrise hat die Verhandlungen verzögert. Dennoch dürfte man kurz vor einer Einigung stehen - wie die neuen Regelungen zur Sterbehilfe gestaltet werden können.

Es geht um nichts weniger als um das "Recht auf menschenwürdiges Sterben". Eigentlich wollte die Regierung noch im Herbst einen Gesetzesentwurf dafür vorlegen. Die Regierungskrise verzögerte das Vorhaben, das sich nun in eiliger Schlussphase befindet.

Voriges Jahr hat der Verfassungsgerichtshof das grundsätzliche Verbot des assistierten Suizids (§ 78 StGB) aufgehoben. Gibt es bis 1. Jänner 2022 kein neues Gesetz, droht eine völlig unregulierte Situation. Es würde "Rechtsunsicherheit herrschen", sagt Karl Stöger, stellvertretender Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Uni Wien. Ohne neue Regelung wäre keine ärztliche oder rechtliche Beratung vorgeschrieben. Die Staatsanwaltschaften müssten zahlreiche Fälle darauf überprüfen, ob Druck ausgeübt wurde, ob keine - nach wie vor verbotene - "Tötung auf Verlangen" (§ 77 StGB) vorliegt. 

Die Zeit drängt

Kurz nach der Koalitionskrise gibt sich die Regierung dennoch optimistisch: "Wir sind zuversichtlich, dass bis Jahresende eine gesetzliche Regelung samt vorhergehender Begutachtung steht", heißt es aus dem Kabinett von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, das die künftige Regelung auf Seiten der ÖVP verhandelt. Viel Zeit für diese angekündigte öffentliche Begutachtung des Gesetzesentwurfes wird aber nicht mehr bleiben. Der Ausbau der Palliativ - und Hospizversorgung wurde bereits auf kommendes Jahr verschoben.

Wie weit man inhaltlich sei, dazu wollen sich die Regierungsparteien noch nicht äußern. Auf der Seite der Grünen sind das Justizministerium unter Alma Zadić und das Gesundheitsministerium unter Wolfgang Mückstein eingebunden. Aus deren Büros heißt es nur: "Die politischen Gespräche laufen". Man wolle den Verhandlungen nicht vorgreifen. Man dürfte aber kurz vor der Einigung stehen.

Die rote Linie

Edtstadler hatte schon zu Beginn des Jahres "rote Linien" definiert: Demnach soll es aus Sicht der ÖVP "kein Geschäft mit dem Tod" geben - auch Werbung für die Sterbehilfe soll verboten werden. Ärzte sollten nicht gezwungen werden, Sterbehilfe durchzuführen, der ernsthafte Wille für den Suizid muss abgesichert und dokumentiert werden. Minderjährige sollen ausgenommen sein. Aus "weltanschaulichen Gründen" sei man für eine möglichst restriktive Regelung. 

Die offenen Fragen

Das Justizministerium organisierte im April ein dreitägiges Dialogforum mit Experten. Die noch zu klärenden Punkte sind demnach: Die Sicherstellung des freien und selbstbestimmten Willens sowie der staatlichen Überwachung des Verfahrens und die Fragen, wer die Sterbehilfe in Anspruch nehmen darf, wer Sterbehilfe leisten darf und in welcher Form dies erfolgen soll.

Die rechtlichen Möglichkeiten

Ein Verbot von Vereinen sei schwer durchführbar, sagt Medizin- und Verfassungsrechtler Karl Stöger. Man könne von Vereinen aber Gemeinnützigkeit einfordern - damit wäre Geschäftemacherei ausgeschlossen. Ein Werbeverbot wird rechtlich auch kein Problem darstellen. 

Darüber, wer Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfe, hat der Verfassungsgerichtshof wenig gesagt. Das Wichtigste ist, dass kein Druck ausgeübt werde und der "freie Wille" entscheide. Ein Verfahren, in das Ärzte, Psychologen und sogar Juristen eingebunden sind, könnte das absichern. Heikler ist laut Stöger die Frage, ob gewisse Krankheiten wie Depressionen grundsätzlich ausgenommen werden, da Betroffenen die Entscheidungsfähigkeit abgesprochen werden könnte. Es gebe bei manchen Patienten aber "gute" und "schlechte" Phasen - eine zu restriktive Regelung könnte einer abermaligen Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht Stand halten, so Stöger. 

Dass Ärzte nicht gezwungen werden können, Beihilfe zum Suizid zu leisten, könnte verfassungsrechtlich sogar notwendig sein, sagt Stöger. Sogenannte Gewissensklauseln gibt es etwa auch bei Schwangerschaftsabbrüchen. Zu klären sei, ob auch Angehörige, Vertrauenspersonen oder Vereine Beihilfe leisten können. Wenn die passive Sterbehilfe legal ist, müssen auch noch entsprechende Medikamente wie etwa Pentobarbital zugelassen werden, was dann aber kein Problem mehr sein dürfte.

Die Zukunft

Eines ist aber klar: Die betroffenen Patienten müssen das Medikament selbst einnehmen können. Das Verbot der aktiven Sterbehilfe bleibt aufrecht. Offen ist, ob dieses Verbot, wie etwa von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) oder Kirchenvertretern gefordert, in den Verfassungsrang gehoben wird. Das sei laut Karl Stöger aber eigentlich nicht notwendig und "Symbolpolitik". Der Verfassungsgerichtshof habe daran nicht gerüttelt, es gibt keine Debatte in Richtung Liberalisierung. Ist das Verbot im Verfassungsrang, könne es nur mit Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat aufgehoben werden, sinnvoller sei es, auf den gesellschaftlichen Konsens zu einem Zeitpunkt zu schauen, sagt Stöger.

Der Impuls-Themenabend zum Tabuthema Sterbehilfe am Dienstag, 19. Oktober, um 19:25 Uhr auf PULS 24.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Regierungskrise hat die Verhandlungen verzögert. Dennoch dürfte man kurz vor einer Einigung stehen - wie die neuen Regelungen zur Sterbehilfe gestaltet werden können.
  • Voriges Jahr hat der Verfassungsgerichtshof das grundsätzliche Verbot des assistierten Suizids (§ 78 StGB) aufgehoben. Gibt es bis 1. Jänner 2022 kein neues Gesetz, droht eine völlig unregulierte Situation.
  • Wie weit man inhaltlich sei, dazu wollen sich die Regierungsparteien noch nicht äußern.
  • Edtstadler hatte schon zu Beginn des Jahres "rote Linien" definiert: Demnach soll es aus Sicht der ÖVP "kein Geschäft mit dem Tod" geben - auch Werbung für die Sterbehilfe soll verboten werden.
  • Ärzte sollten nicht gezwungen werden, Sterbehilfe durchzuführen, der ernsthafte Wille für den Suizid muss abgesichert und dokumentiert werden. Minderjährige sollen ausgenommen sein.
  • Dass Ärzte nicht gezwungen werden können, Beihilfe zum Suizid zu leisten, könnte verfassungsrechtlich sogar notwendig sein, sagt Stöger, stellvertretender Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Uni Wien.

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