APA/GEORG HOCHMUTH

SPÖ in Erklärungsnot: Zahlreiche Abwesende bei Selenskyj-Rede

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Nicht nur die FPÖ, auch die SPÖ muss nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Nationalrat Kritik einstecken. Viele rote Abgeordnete fehlten. Die Partei scheint auch in dieser Frage keine Linie zu haben.

Die SPÖ scheint nicht nur in Führungsfragen gespalten zu sein. Auch, was die Neutralität und die Haltung zur Ukraine angeht, scheint es keine einheitliche Parteilinie zu geben. Zahlreiche Abgeordnete fehlten bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag im Nationalrat. Bei der anschließenden Plenarsitzung waren einige davon allerdings wieder da.

Der NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos hat nach eigenen Angaben sogar mitgezählt. Glaubt man seinen Angaben, fehlten 21 von 40 SPÖ-Abgeordneten. 

Die SPÖ und die Parlamentsdirektion konnten die Liste auf PULS 24-Anfrage nicht bestätigen: Bei der Rede handelte es sich formal um eine "parlamentarische Veranstaltung", bei der keine Anwesenheitspflicht besteht. Abgeordnete müssen sich nicht dafür entschuldigen, wenn sie fernbleiben. Die SPÖ bezeichnet die "Stricherlliste" der NEOS als "ein bisschen seltsam". Die Partei selbst wisse nicht, wie viele fehlten. Bei Veranstaltungen sei das "eine Sache eines jeden Abgeordneten".

Bei Sitzung im Anschluss volles Haus

Interessant aber: Laut Parlamentsdirektion fehlten bei der anschließenden Plenarsitzung nur noch Pamela Rendi-Wagner, die laut einer Sprecherin krank ist, sowie Rudolf Silvan und Selma Yildirim. (Auch Yildirim war aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt.) Die Sitzung begann etwa um 10.30 Uhr, gleich im Anschluss an die Selenskyj-Rede und die kurze Debatte.

Schon während des Fehlens der FPÖ-Abgeordneten, die geschlossen den Sitzungssaal verlassen hatten und bereits vorab Protest angekündigt hatten, sorgten die leeren Stühle bei der SPÖ für Verwunderung. NEOS und Grüne übten scharfe Kritik. Gerald Loacker von den Pinken wollte nicht einmal Rendi-Wagners Krankmeldung gelten lassen: "Wenn ich die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses bin, dann schleppe ich mich nach dem Einwerfen von zwei Aspirin-forte hier herein und drück' das eine Stunde durch. Gut vielleicht liegt sie im Spital, aber das Bild ist sehr schlecht."

Gerald Loacker im PULS 24 Interview.

"Es ist eine Schande, was die FPÖ heute im Nationalrat während der Selenskyj-Rede getan hat, aber dass auch die Hälfte des SPÖ-Klubs fehlt, ist unwürdig", kritisierte David Stögmüller von den Grünen. 

SPÖ zögerte schon vor einem Jahr

Aus welchem Grund die einzelnen SPÖ-Abgeordneten nun tatsächlich fehlten, war nicht zu eruieren. Fest steht aber, dass einige Rote ihre Schwierigkeiten mit der Selenskyj-Rede haben dürften. Schon als die NEOS im März 2022 Selenskyj im Parlament sprechen lassen wollten, war die SPÖ nur nach einem ursprünglichen Zögern nicht dagegen. Die Rede scheiterte schließlich an der FPÖ, die dagegen war und an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der die Rede nur zulassen wollte, wenn alle Parteien dafür gewesen wären.

In anderen Staaten trat Selenskyj in Militäruniform auf und bat um Waffen, das könnte einige SPÖ-Abgeordnete abgeschreckt haben. Zudem ist für die SPÖ die Neutralität Österreichs wichtig und wird von manchen nicht nur als militärische, sondern auch als politische Neutralität ausgelegt.

Russland-Kontakte

Tatsächlich pflegen oder pflegten auch einige SPÖ-Politiker enge Kontakte zu Russland. Kritik gab es in der Vergangenheit etwa an der Tätigkeit von SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, der Vizepräsident des Forum Österreich-Russland, einer Abspaltung der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, ist. Das Forum setzt sich für Dialog ein, verurteilte den russischen Angriffskrieg aber schon vor einem Jahr "auf das Schärfste". Matznetter war bei der Selenskyj-Rede jedenfalls anwesend. 

Auffällig war auch die Abwesenheit von SPÖ-Wehrsprecher Robert Leimer. Er fehlte bei der Selenskyj-Rede, war bei der Sitzung danach aber zugegen. Schon im März 2022 trat er gegen den damaligen Vorschlag der NEOS, Selenskyj einzuladen, auf: "Kriegsrhetorik hat im Hohen Haus keinen Platz", schrieb er damals auf Facebook.

Auf PULS 24-Nachfrage bei der Bundespartei teilte man mit, dass das Abstimmungsverhalten der SPÖ eindeutig sei: Man sei, was die Ukraine angehe, auf EU-Linie und trage die Sanktionen mit. Man wolle aber Gesprächskanäle auch zu Russland offen halten und die Neutralität sei der Partei "besonders wichtig". "Die Rede von Selenskyj steht nicht im Widerspruch zur Neutralität", betonte die Sprecherin. "Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg und sind solidarisch mit den Menschen in der Ukraine", das sei Konsens in der Partei.

Leichtfried zu Selenskyj-Rede: "Sehr interessante Rede für mich"

Im Übrigen habe sich SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried im Nationalrat "klar" geäußert, das sei Parteilinie. Dieser sagte dort, dass er hoffe, dass die "Konfliktspirale" bald gestoppt werden könne und übte scharfe Kritik an der FPÖ: "Wenn man in einem Jahr ausschließlich 30 pro-russische Anträge hier einbringt, ist das weder ein Signal für Frieden noch ein Signal für Neutralität." 

Selenskyj hat Österreich in seiner Rede für die Hilfe für sein Land gedankt. Es sei wichtig sei, "moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein". Seinem Land gehe es nicht um Geopolitik oder um militärisch-politische Angelegenheiten. "Es geht darum, dass ein Mensch immer ein Mensch bleiben muss." Die FPÖ, die noch engere Kontakte nach Moskau pflegte, verließ am Anfang der Rede geschlossen den Saal und hinterließ Schilder mit der Aufschrift: "Platz für Neutralität". 

Mehr dazu:

ribbon Zusammenfassung
  • Die SPÖ scheint nicht nur in Führungsfragen gespalten zu sein. Auch, was die Neutralität, die Haltung zur Ukraine angeht, scheint es keine einheitliche Parteilinie zu geben.
  • Zahlreiche Abgeordnete fehlten bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Nationalrat. Bei der anschließenden Plenarsitzung waren einige davon aber wieder da.