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Karmasin stößt auf Widerspruch; Beinschab kam, aber sagte nicht aus

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Am zweiten Prozesstag gegen die ehemalige ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wurde die Angeklagte mit Zeugenaussagen konfrontiert, die ihr teils massiv widersprachen. Kronzeugin Sabine Beinschab erschien vor Gericht, kam aber aus Zeitgründen nicht mehr dran.

Die mit größter Spannung erwartete Aussage von Kronzeugin Sabine Beinschab im Prozess gegen Ex-Ministerin Sophie Karmasin wurde verschoben. Die ehemalige Meinungsforscherin ist Donnerstagmittag zwar schon zu ihrer Zeugenaussage am Wiener Landesgericht erschienen, durfte aber wieder gehen. Zu lange dauerte die Befragung von weiteren Zeugen.

Auch die Aussagen der weiteren Zeugen hatten es aber durchaus in sich. Sie sind im Sportministerium beschäftigt und hatten auf die ein oder andere Weise mit den Studien von Sophie Karmasin zu tun – und widersprechrechen der Ex-Ministerin und Meinungsforscherin teils massiv.

Sabine BeinschabAPA/GEORG HOCHMUTH

Sabine Beinschab erschien bei Gericht, konnte aber nicht mehr aussagen

Zuerst sagte aber noch jene Meinungsforscherin aus, mit deren Hilfe Karmasin die Zusage für die Studien bekommen haben soll. Sie soll, wie auch Sabine Beinschab, auf Wunsch von Karmasin, "Scheinangebote" an das Ministerium gestellt haben. Zumindest bei zwei von drei Studien, um die es geht, habe sie das getan.

Die WKStA hatte in dieser Sache auch gegen sie wegen Beitragstäterschaft ermittelt. Dieses Verfahren wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat die Frau bereits gemeinnützige Leistungen erbracht.

"Hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen""

Es sei klar gewesen, dass Karmasin, der schwerer Betrug sowie wettbewerbsbeschränkende Absprachen vorgeworfen werden, den "Auftrag bekommen sollte". Lediglich eine "Order" aus dem Ministerium "im letzten Moment" habe verlangt, Vergleichsangebote für die Studien einzuholen, sagte die Zeugin. "Mir wurde genau vorgegeben, wie das Angebot aussehen soll". Das soll über Sabine Beinschab gelaufen sein, die nun als Kronzeugin am 16. Mai aussagen soll.

Bei zwei Studien sei das so gelaufen, sagte die Zeugin. Bei der dritten habe sie nicht mehr mitgemacht: "Ich wusste ja von Anfang an, dass das nicht in Ordnung war. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen".

Ebenfalls als Zeugin einvernommen wurde eine seinerzeit im Sportministerium für die Einholung der Angebote zuständige Sachverständige. Sie sei von ihrem damaligen Abteilungsleiter, der heute neben Karmasin Zweitangeklagter ist, beauftragt worden, Vergleichsangebote einzuholen. Allerdings sei sie dafür erst zuständig gewesen, als es um die dritte Studie ging – sie habe einfach alles so gemacht, wie ihr Vorgänger bei den ersten beiden Studien.

Wie es zu den ersten beiden Studien kam, schilderte dann ausführlich ein aufs Vergaberecht spezialisierter Mitarbeiter des Sportministeriums. Schon bei der ersten Besprechung im Ministerium habe Karmasin mit ihrer Methode überzeugt. Man wollte wissen, wie man Menschen zur Bewegung bringen könne.

"Wir haben keine Freigabe gehabt"

Aber: Eine Zusage für Karmasin habe es deswegen noch nicht gegeben, sagte der Zeuge und widersprach der ehemaligen ÖVP-Ministerin damit. "Definitiv nicht. Wir haben keine Freigabe gehabt". Es sei zwar klar gewesen, dass man mit Karmasin zusammenarbeiten wolle, aber es habe eben Vergleichsangebote gebraucht.

Die Ex-Familienministerin hatte bei ihrer Aussage argumentiert, es sei immer klar gewesen, dass sie die Aufträge schon per Direktvergabe bekommen habe. Die weiteren Angebote habe das Ministerium nur zu "formalen" Dokumentationszwecken gebraucht.

Im Sportministerium seien Vergleichsangebote ab 5.000 Euro notwendig, versicherten mehrere Beamte. Dass abgesprochen gewesen sei, dass Karmasin die Zusage bekommen soll – da habe der aufs Vergaberecht spezialisierte Mitarbeiter "keine Lunte" gerochen.

Beinschab sei zunächst billiger gewesen als Karmasin. Er hätte deswegen im Ministerium sogar kommuniziert, dass es nun "spannend" werde. Aber er gehe eben "nie nach dem Billigts-Bieter-Prinzip". Theoretisch hätte er aber auch die Studien von Beinschab empfehlen können.

Sektionschef: "Ich habe ihr nichts versprochen"

Ebenso bestätigte der als Zeuge geladene Sektionschef im Sportministerium: "Ihr ist nie mitgeteilt worden, dass sie den Auftrag bekommen wird". Auch er widersprach Karmasin damit. Er könne sich auch "an nichts Gesagtes" erinnern, das so verstanden werden hätte können. "Ich habe ihr nichts versprochen", betonte der Beamte.

Wie genau die Auftragsvergabe abgelaufen sei, könne er heute nicht mehr sagen. Klar sei aber, dass bei derartigen Vergaben immer Vergleichsangebote eingeholt wurden: "Das war in unserem Ministerium so gehandhabt". Inhaltlich sei man sehr zufrieden gewesen mit dem Angebot, "ich denke aber schon, dass es möglich gewesen wäre, jemand anderem den Auftrag zu geben". Dass er und Karmasin ein "freundschaftliches Arbeitsverhältnis" hatten, bestritt er nicht. Bis er sich an ein gemeinsames Abendessen erinnerte, dauerte es etwas. Es sei dabei aber nicht um Verhaltensökonomie gegangen.

Die Staatsanwälte der WKStA dürften sich über die Aussagen der Zeugen gefreut haben. Weniger die Verteidigung von Karmasin.

WKStA will mehr übers Vermögen wissen

Um den anderen Anklagepunkt – schweren Betrug wegen Bezugsfortzahlungen nach Karmasins Zeit als Ministerin – ging es am Donnerstag nur am Rande. Karmasin soll sich laut Anklage diese Zahlungen widerrechtlich erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind über 78.000 Euro, die Karmasin vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll.

Die 56-Jährige hatte dazu beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag erklärt, sie habe "sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt", ihr "naives Verständnis" sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. "Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid", hatte sie gesagt.

WKStA-Oberstaatsanwalt Adamovic dürfte das nicht überzeugt haben. Er präsentierte zu Beginn des Verhandlungstages am Donnerstag "sachverhaltsrelevante Dokumente", wie er sich ausdrückte, die etwaige Täuschungshandlungen der Ex-Ministerin untermauern sollen.

Karmasin und ihre Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm äußersten sich zu den vorgelegten Unterlagen vorerst nicht. Sie wurden jedenfalls zum Akt genommen, wie Richter Patrick Aulebauer protokollieren ließ.

Fortsetzung am 16. Mai

Doch damit nicht genug: Am Ende der Verhandlung beantragte die WKStA die Beschaffung von Unterlagen zu Karmasins Vermögen. Der Richter wollte diesbezüglich noch keine Entscheidung fällen.

Weiter geht es laut Aulebauer jedenfalls am 16. Mai mit der Aussage von Sabine Beinschab, ein weiterer Termin, an dem etwaige Urteile fallen könnten, ist für den 23. Mai geplant. Für Karmasin und den Zweitangeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

Der Liveblog vom zweiten Verhandlungstag zum Nachlesen:

Liveblog

Sophie Karmasin vor Gericht - zweiter Prozesstag im Liveblog

ribbon Zusammenfassung
  • Am Wiener Landesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und einen Abteilungsleiter im Ministerium mit ersten Zeugenbefragungen fortgesetzt worden.
  • Ein Sektionschef im Sportministerium belastete die Ex-Ministerin dabei insofern massiv, als er Karmasins Darstellung, wonach von vornherein klar gewesen sei, dass sie Studien-Aufträge bekommen würde, deutlich zurückwies.
  • Kronzeugin Sabine Beinschab erschien vor Gericht, kam aber aus Zeitgründen nicht mehr dran.