77 Festnahmen
Proteste in Serbien: Polizei setzt Tränengas und Schlagstöcke ein
Serbien ist seit acht Monaten in Aufruhr. Ein Ende der Proteste gegen Aleksandar Vučić ist nicht abzusehen, wenngleich der für seinen autoritären Führungsstil bekannte Präsident an diesem Wochenende wieder einmal den Sieg über die demonstrierenden Studenten und sonstige Gegner verkündet hat.
Die Studierenden, die die Proteste organisiert haben, stellten Vučić ein Ultimatum, bis Samstagabend um 21.00 Uhr Neuwahlen auszurufen. Vučić hatte die Forderung bereits am Freitag zurückgewiesen und erklärt, dass vor Ende 2026 nicht gewählt werde.
Tränengas und Schlagstöcke
Nach Schätzungen der Organisation "Archiv öffentlicher Versammlungen" versammelten sich am Samstag etwa 140.000 Menschen auf dem Slawija-Platz in Belgrad und unterstützten damit die Forderung nach vorgezogenen Parlamentswahlen.
Nach dem offiziellen Ende der Kundgebung kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrant:innen und der Polizei. Polizisten setzten Tränengas und Schlagstöcke ein, Demonstranten warfen Steine und Bengalos auf die Beamten. Nach Angaben der Polizei wurden 48 Beamte verletzt, einer von ihnen schwer.
Wie Innenminister Ivica Dačić erklärte, suchten auch 22 Demonstranten medizinische Hilfe, darunter zwei Schwerverletzte. 77 Demonstranten wurden seinen Angaben zufolge festgenommen, 38 blieben vorerst in Gewahrsam.
Festnahmen: "Angriff auf Verfassungsordnung geplant"
Immerhin haben sich die Protestteilnehmer allem Anschein nach zu einer neuen Protestform entschlossen. Nachdem am Sonntag in Belgrad acht Studenten unter dem Vorwurf festgenommen wurden, einen Angriff auf die Verfassungsordnung geplant zu haben - wofür längere Haftstrafen drohen -, haben Demonstranten in Belgrad, Novi Sad, aber auch anderswo im Landesinneren Straßenblockaden errichtet, um ihren Unmut zu bekunden.
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Auch wenn in den Morgenstunden die meisten Blockaden, die häufig nur aus Müllcontainern, Baustellengittern oder einfach nur aus ein paar Stühlen bestanden, aufgegeben wurden, sind für den Montag weitere Aktionen angekündigt.
Die demonstrierenden Studenten haben mittlerweile empfohlen, jegliche Konfrontation mit der Polizei zu vermeiden. Sie sollten lieber eine Blockade aufgeben, um anderswo eine neue zu errichten.
Vučić wagte bisher keine Neuwahl
Vučić ist eigentlich dafür bekannt, vorgezogene Wahlen zu organisieren. Damit will er die eigene Position festigen. Seit 2012 hat Serbien viermal vorgezogene Parlamentswahlen abgehalten: 2014, 2016, 2022, 2023.
Dass er das diesmal bisher nicht getan hat, liegt vermutlich daran, dass ein Sieg seiner Serbischen Fortschrittspartei (SNS) bei einer etwaigen Parlamentswahl nicht gesichert ist - trotz einer über 30-prozentigen Unterstützung, wie Meinungsforscher sagen.
Eine Lehre hat Vučić gewiss aus der vorgezogenen Präsidentschaftswahl im Jahre 2000 gezogen, die ebenfalls mitten in einer Protestwelle abgehalten worden war. Der damalige Präsident Slobodan Milošević verlor die Wahl überraschend. Vučić war damals Miloševićs Informationsminister.
Zusammenfassung
- Während Hunderttausende Menschen in Serbien erneut gegen die Regierung demonstrierten, wies Präsident Aleksandar Vučić die Forderung nach Neuwahlen strikt zurück.
- Unterdessen kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstrant:innen und der Polizei.