APA/Edgar Schütz

Schweden mit Österreich bei Migration auf einer Linie

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Das neue EU-Ratsvorsitzland Schweden sieht sich mit Österreich in Migrationsfragen auf einer Linie. "Es stimmt definitiv, dass wir in diesem Bereich gleichgesinnt sind", sagte die schwedische Botschafterin Annika Markovic im APA-Interview. Dass ihr Land derzeit einen geringen Migrantenzustrom verbucht, sei auch auf die von Österreich gemachten "Hausaufgaben" zurückzuführen. Oberste Priorität des Ratsvorsitzes sei die Ukraine, die mit allen Mitteln unterstützt werden solle.

"Ich sage scherzhaft, dass wir drei Prioritäten haben, wobei die erste die Ukraine ist, die zweite die Ukraine ist und die dritte die Ukraine ist", sagte Markovic. "Unsere erste Priorität ist die Sicherheit der Europäische Union, und unsere Sicherheit hängt derzeit stark davon ab, wie sich die Lage in der Ukraine weiterentwickelt", argumentierte die Chefin der schwedischen Botschaft in Wien.

Mit der Ukraine sei auch die zweite Priorität des Ratsvorsitzes verbunden, nämlich das Vorantreiben des Grünen Wandels und die Verringerung der Abhängigkeit von (russischem) Gas. Außerdem wolle man die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken und schließlich auch die Rechtsstaatlichkeit und die gemeinsamen Werte in der Europäischen Union. "Aber in erster Linie wollen wir ein guter Vorsitz sein und die Dinge vorantreiben, so gut wir können", versprach die Botschafterin.

"Wir werden auch in der Migrationsfrage Druck machen", sagte Markovic auf eine entsprechende Frage. Sie zeigte diesbezüglich Verständnis für die österreichischen Sensibilitäten. "Ich finde es sehr normal, dass Sie darüber diskutieren, wenn man sich diese Zahlen ansieht", sagte sie unter Verweis auf die hohen Asylbewerberzahlen in Österreich. Schweden wisse aus der Migrationskrise des Jahres 2015, was es bedeutet, "wenn man von den Zahlen ein bisschen überwältigt wird". Dass das skandinavische Land derzeit weniger von Migrantenströmen betroffen ist als Österreich, sei auch darauf zurückzuführen, dass "Österreich seine Hausaufgaben macht". Hierzulande funktioniere das Asylsystem nämlich. "Die Menschen, die ankommen und um Asyl ansuchen, werden in Österreich registriert und durch das hiesige System geführt."

Beim Thema Schengen strebt das Ratsvorsitzland eine Überwindung des österreichischen Vetos an, will dabei aber den Beratungen die nötige Zeit geben. "Wenn die Frage entscheidungsreif ist, werden wir sie den Ministern zur Entscheidung vorlegen", betonte die Diplomatin. "Wir möchten das nicht auf die Tagesordnung eines Treffens setzen, nur weil gerade ein Treffen stattfindet." Eine Einigung werde "hoffentlich" unter schwedischer Ratspräsidentschaft möglich sein, fügte sie hinzu.

Markovic versuchte auch Befürchtungen in Hinblick auf die Rolle der rechtspopulistischen Schwedendemokraten in der neuen Mitte-Rechts-Regierung zu zerstreuen. So sehe das Regierungsabkommen praktisch keinen Einfluss der Partei auf die schwedische Außenpolitik vor. In der Europapolitik habe die Partei einen Wandel vollzogen und trete nicht mehr für einen "Swexit" ein. In anderen Bereichen hätten die Schwedendemokraten ihre Politik nicht so sehr geändert, doch zeige ihr Erfolg bei den Wahlen, "dass sie ernst genommen werden müssen, weil es das ist, was die Bevölkerung will", so Markovic in Anspielung auf das Migrationsthema. Bei den Parlamentswahlen im Oktober waren die Schwedendemokraten zweitstärkste Kraft geworden. Sie haben nun erstmals Anteil an Regierungsgeschäften, indem sie die Mitte-Rechts-Minderheitsregierung stützen.

Markovic zeigte sich zuversichtlich, dass ihr Land trotz der türkischen Vorbehalte bald NATO-Mitglied sein werde. Stockholm sei "zu 100 Prozent" der im Vorjahr beim NATO-Gipfel mit Ankara geschlossenen Vereinbarung verpflichtet und setze diese um. Nicht eingreifen könne die Regierung aber in Entscheidungen unabhängiger Gerichte, sagte die Botschafterin mit Blick auf die zumindest in einem Fall verweigerte Auslieferung von Personen, derer die Türkei habhaft werden möchte.

Die Diplomatin betonte, dass die schwedischen NATO-Ambitionen eine längere Vorgeschichte haben. Schließlich habe man schon beim EU-Beitritt im Jahr 1995 festgestellt, dass man in Bezug auf die EU-Staaten "nicht neutral" sein könne. Danach habe man "systematisch daran gearbeitet, eine enge Beziehung mit der NATO zu haben". Was sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine geändert habe, sei die Zustimmung der Bevölkerung gewesen. "Wir sind einfach zum Schluss gekommen, dass wir als neutraler Staat nicht mehr sicher sind angesichts dieses großen, aggressiven Nachbarn und dass unsere beste Sicherheitsoption der NATO-Beitritt wäre", so Markovic, die in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des Gleichklangs mit dem östlichen Nachbarn Finnland betonte. "Es war also keine besonders hitzige Debatte. Für uns war es eigentlich eine natürliche Entwicklung."

Befragt zur Rolle der verbliebenen neutralen Staaten innerhalb der Europäischen Union verwies Markovic darauf, dass sich die EU-Verteidigungspolitik derzeit sehr stark entwickle und Österreich etwa auch in der Ukraine-Hilfe in vielerlei Hinsicht beitragen könne. Es hätte aber "einen gewissen Vorteil", wenn alle EU-Mitglieder auch in der NATO wären, räumte sie ein. Schweden sei eine stärkere Kooperation von EU und NATO ein Anliegen. Österreich müsse "selbst entscheiden, wie es einen Beitrag leisten und weiterhin neutral sein kann. Und wenn Sie eines Tages zum Schluss kommen, dass das nicht der beste sicherheitspolitische Rahmen für Sie ist, würden wir sehr gerne unsere Erfahrung mit Ihnen teilen", fügte sie hinzu. Auf die Frage, ob Österreich ein schwedisches Veto gegen einen NATO-Beitritt fürchten müsste, sagte sie lachend: "Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass wir das im Fall Österreichs jemals täten."

Im Ukraine-Krieg stellte sich Markovic klar hinter Kiew. "Ich hoffe, dass 2023 das Jahr sein wird, in dem die Ukraine siegen wird. Und wir werden alles tun, um das zu unterstützen", betonte sie. Auch stehe es alleine der Ukraine zu, darüber zu befinden, was sie als Sieg ansehe. "Sie sind die einzigen, die darüber entscheiden sollten, welche territorialen Zugeständnisse sie den Russen machen", betonte sie.

Man werde sich mit Russland auch nach dem Krieg auseinandersetzen müssen, doch sei eine Rückkehr zum Status Quo vor dem 24. Februar 2022 nicht möglich. "Das wird nicht passieren", schrieb Markovic jenen ins Stammbuch, die am liebsten "schnell einen Waffenstillstand und einen Friedensvertrag ausverhandeln" würden. Skeptisch sieht sie jedoch auch Forderungen Kiews, Russland aus dem UNO-Sicherheitsrat zu verstoßen. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das umsetzen könnte", sagte sie.

(Das Gespräch führten Stefan Vospernik und Edgar Schütz /APA)

ribbon Zusammenfassung
  • "Es stimmt definitiv, dass wir in diesem Bereich gleichgesinnt sind", sagte die schwedische Botschafterin Annika Markovic im APA-Interview.
  • Dass ihr Land derzeit einen geringen Migrantenzustrom verbucht, sei auch auf die von Österreich gemachten "Hausaufgaben" zurückzuführen.
  • Die Diplomatin betonte, dass die schwedischen NATO-Ambitionen eine längere Vorgeschichte haben.
  • Schweden sei eine stärkere Kooperation von EU und NATO ein Anliegen.

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