Schweden fühlt sich "immer noch sicherer in der NATO"
"Ich denke, wir sind heute sicherer, aber ich sehe auch eine Rolle für andere Partnerschaften und Kooperationen", sagte Rosencrantz mit Blick auf die intensivere regionale Zusammenarbeit mit den anderen skandinavischen Staaten, den baltischen Staaten und Polen. Dabei gehe es insbesondere um den Kampf gegen die russische "Schattenflotte" und die Sicherung von Verbindungskabeln in der Ostsee. Auf die Frage nach dem Ausbau von nuklearen Kapazitäten in Europa verwies die Ministerin auf die Notwendigkeit einer breiteren Sicherheitsdebatte. Angesichts der Bedrohung durch die Atommacht Russland sagte sie mit Blick auf Frankreich und Großbritannien: "Wir können uns ziemlich glücklich schätzen, dass es in unserer Nachbarschaft Länder gibt, die unsere Werte teilen und sie (Atomwaffen) haben."
Das Thema Verteidigung sieht Rosencrantz auch als eine der Prioritäten in den Verhandlungen für das künftige EU-Mehrjahresbudget, in denen Schweden - wie Österreich - grundsätzlich auf Sparsamkeit drängt. Der Umfang des EU-Budgets soll etwa ein Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung nicht übersteigen, und man sehe auch keine Notwendigkeit für EU-Eigenmittel, sagte die Parteifreundin von Premier Ulf Kristersson. "Es ist wichtig, dass es die Stimme Schwedens und anderer Länder gibt, die daran erinnern, dass es kein Gratis-Geld gibt", betonte sie.
Die konservative Politikerin positionierte sich als "Freundin der EU-Erweiterung", sowohl in Richtung des Westbalkan als auch in Bezug auf die Ukraine und Moldau. "Wir sehen große Vorteile darin, dass mehr Völker und Länder der EU beitreten." Allerdings müssten diese Länder auch die grundlegenden Werte der Europäischen Union anerkennen wie etwa die Rechtsstaatlichkeit oder Medienfreiheit. "Die EU ist nicht nur eine geografische Union, sondern eine Union der Werte und wir begrüßen es, wenn immer mehr Länder ihr beitreten wollen."
Serbien habe keine Wahlfreiheit bezüglich EU-Außenpolitik
Kritisch äußerte sich Rosencrantz über Serbien, das sich den EU-Sanktionen gegen Russland verweigert. Diesbezüglich gebe es keine Wahlfreiheit. "Es müssen Bedingungen erfüllt werden, und die Anpassung an die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist ein Teil davon", sagte sie in Richtung Belgrads. Hingegen bezeichnete sie Montenegro und Albanien als "Vorreiter" im Beitrittsprozess, wollte sich aber nicht auf die Frage äußern, ob sie der EU noch in dieser Legislaturperiode (bis 2029) beitreten können.
Befragt zu den erforderlichen institutionellen Reformen in Hinblick auf die EU-Erweiterung nannte Rosencrantz die Zurückdrängung nationaler Vetorechte, konkret bei der Beschlussfassung über Sanktionen sowie im Erweiterungsprozess. Zwar solle jeder Staat weiterhin zu Beginn und am Ende des Beitrittsprozesses ein Vetorecht haben, nicht aber während der Verhandlungen.
Alle Verhandlungskapitel mit Ukraine noch heuer eröffnen
"Große Fortschritte" sieht Rosencrantz in den Beitrittswerberländern Ukraine und Moldau. Im Fall der Ukraine "drängen wir darauf, dass in diesem Jahr alle Verhandlungskapitel eröffnet werden". "Es ist mir wichtig zu sagen, dass Russland kein Vetorecht in Bezug auf die Ukraine haben sollte, auch nicht wenn es um die Mitgliedschaft in der EU geht." Schweden habe die Ukraine seit Beginn des Krieges schon mit neun Milliarden Euro unterstützt und wolle dies weiter tun.
Rosencrantz zeigte sich zuversichtlich, dass die europäischen Staaten ihrem Ultimatum bezüglich schärferer Sanktionen an den russischen Machthaber Wladimir Putin auch Taten folgen lassen. "Für uns liegen alle Optionen auf dem Tisch, aber wir sollten zumindest die Schattenflotte und den russischen Energiesektor ins Visier nehmen, weil wir wissen, dass er den russischen Krieg finanziert."
"EU ganz fest an Seite von Dänemark und Grönland"
Die schwedische Ministerin pochte auch darauf, dass die Europäische Union weiterhin ihr Mitglied Dänemark in der Grönland-Frage unterstützt. "Es muss nicht alles in den Medien sein, aber wir sind durchgehend in engem Kontakt mit ihnen", betonte Rosencrantz. "Wir haben schon gezeigt, dass die EU ganz fest an der Seite von Dänemark und Grönland steht, die selbst über ihre eigene Zukunft entscheiden sollen", sagte sie mit Blick auf die Annexionspläne von US-Präsident Donald Trump.
"Ich würde sagen, dass jetzt die Zeit Europas ist", forderte Rosencrantz eine beherzte EU-Politik in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit. Bei der Unterstützung der Ukraine oder auch im Kampf gegen die Migration werde die EU "mehr gebraucht denn je". Gerade beim Thema Migration seien Schweden und Österreich "sehr auf einer Linie", sagte die Ministerin, die am Mittwoch ihre österreichische Amtskollegin Claudia Plakolm (ÖVP) in Wien getroffen hatte.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)
Zusammenfassung
- Schweden fühlt sich laut Europaministerin Jessica Rosencrantz nach dem NATO-Beitritt weiterhin sicherer innerhalb des Bündnisses und hält die Entscheidung für richtig.
- Rosencrantz fordert eine stärkere Rolle der EU in Sicherheitsfragen und betont die Bedeutung regionaler Kooperationen, etwa beim Schutz der Ostsee gegen die russische Schattenflotte.
- Beim EU-Mehrjahresbudget plädiert Schweden für Sparsamkeit und lehnt neue EU-Eigenmittel ab, das Budget soll etwa 1 % der gemeinsamen Wirtschaftsleistung nicht überschreiten.
- Die Ministerin spricht sich als "Freundin der EU-Erweiterung" für eine Aufnahme von Westbalkan, Ukraine und Moldau aus, fordert jedoch die Einhaltung von EU-Werten wie Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit.
- Schweden hat die Ukraine seit Beginn des Krieges mit neun Milliarden Euro unterstützt und drängt darauf, dass alle Verhandlungskapitel noch 2024 eröffnet werden.