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SAD-Affäre: Kompatscher-Antrag mit Mehrheit im Landtag

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Südtirols LH Arno Kompatscher (SVP) kann vorerst aufatmen: Nach Wochen schwerster politischer Turbulenzen im Zuge der SAD-Affäre rund um diverse Abhörprotokolle erhielt sein Vorschlag auf Verkleinerung der Landesregierung bei einer Sonderlandtagssitzung am Freitag die nötige Mehrheit. Damit wurde Kompatscher nunmehr seinen Parteifreund, SVP-Landesrat Thomas Widmann los, der sich weigerte im Zuge der Affäre und nach dem Entzug der Kompetenzen aus der Regierung auszuscheiden.

18 Mandatare votierten in offener Abstimmung im ersten Wahlgang für den Kompatscher-Vorschlag, 16 dagegen. Es gab eine Enthaltung. Widmann hatte angekündigt, gegen seine Abwahl zu stimmen. Die Regierung aus Südtiroler Volkspartei und Lega verfügt über 19 Landtagsabgeordnete.

Das Parteiurgestein Widmann war zuletzt Landesrat ohne Portefeuille, hatte aber weiter Stimmrecht in der Landesregierung. Der 62-Jährige hatte sich in den Abhörprotokollen abschätzig über den Landeschef geäußert, indem er zitiert wurde: "Wir haben noch nie so einen schwachen Landeshauptmann gehabt, noch nie einen, der so viel Schaden für das Land gemacht hat". Parteigremien forderten ihn zum Rücktritt auf, er weigerte sich aus der Regierung auszuscheiden. Somit hat die Landesregierung der autonomen Provinz nunmehr - inklusive Kompatscher - acht Mitglieder. Der Landeschef übernimmt vorerst selbst Widmanns Gesundheitsagenden. Er kündigte an, eventuell zu einem späteren Zeitpunkt dem Landtag einen Vorschlag zu einer Neuverteilung der Aufgaben oder einer Aufstockung der Landesregierung vorzulegen.

Die Opposition kritisierte in der emotionalen Debatte vor allem die politische Krise und den Vertrauensverlust der Bürger in die Politik. Brigitte Foppa (Grüne) bezeichnete den Anlass als Tiefpunkt der Demokratie. Sie kritisierte vor allem, dass Kompatscher die Koalition zwischen SVP, Lega und Forza Italia neu aufgelegt habe. Ein Dorn im Auge war ihr auch, dass der Landeshauptmann keine neue Regierungserklärung vorlegte, sondern nur jene von 2018 neu aufgelegt habe. Damals seien die Probleme noch ganz andere gewesen.

Anstatt die Sorgen der Bürger anzugehen, beschäftige man sich nur mit Machtkämpfen, prangerte Paul Köllensperger (Team K) an. Dies führe nur dazu, dass die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung noch weiter steige. Köllensperger stellte fest, dass vom versprochenen neuen Politikstil Kompatschers und der angekündigten Zusammenarbeit mit der Opposition nichts geblieben sei. Der Landtag müsse nun dazu herhalten, um "parteiinterne Intrigen zu bereinigen".

Alessandro Urzí (Fratelli d ́Italia) übte scharfe Kritik an den italienischen Parteien in der Mehrheit. Sie hätten die Gelegenheit verpasst, weitere Zuständigkeiten herauszuholen. 40.000 Familien in Südtirol seien von Armut bedroht. Dazu habe es jedoch noch nie einen Sonderlandtag gegeben, beanstandete Andreas Leiter Reber (Freiheitliche). Er wies den Landeshauptmann und SVP-Obmann Philipp Achammer darauf hin, dass es Autorität brauche, um politische Kaliber wie Widmann oder SVP-Vize Karl Zeller zum Rücktritt aufzufordern. Parteikollegin Ulli Mair führte dem Landeshauptmann vor Augen, dass er die Abstimmung nur wegen des Fraktionszwanges innerhalb der SVP gewinnen werde. "Die Abstimmung wird offen und namentlich, aber nicht ehrlich sein", sagte sie.

Sven Knoll (Süd Tiroler Freiheit) ging mit Kompatscher hart ins Gericht. Es werde die Botschaft nach außen getragen, dass "wer am Landeshauptmann Kritik übt, fliegt". Er warf Kompatscher Planlosigkeit vor, weil er den wichtigsten Bereich, die Gesundheit, interimistisch verwalten wolle. Der Landeshauptmann hinterlasse eine gespaltene Gesellschaft, eine Jugend, die dem Land davonlaufe und eine Autonomie, die heute in Bereichen schlechter dastehe, als 1992 bei der Streitbeilegungserklärung, prangerte Knoll an. Und dieser Autonomieverlust solle heuer auch noch gefeiert werden.

SVP-Fraktionssprecherin Magdalena Amhof dankte Widmann für seine "gute Arbeit". Gleichzeitig erklärte sie, dass die Mehrheit für die Umgestaltung der Regierung stimmen werde.

In seiner Replik auf die Debattenbeiträge stellte Landeshauptmann Kompatscher dann klar, dass die Landesregierung sehr wohl gearbeitet und sich nicht nur mit Streitigkeiten befasst habe. Die autonome Provinz stehe heute viel besser da als bei seinem Amtsantritt vor acht Jahren. Kompatscher widersprach auch dem Eindruck, der Vertrauensverlust gegenüber Widmann sei nur eine persönliche Befindlichkeit. "Es sind Dinge vorgefallen, die nicht unseren Ansprüchen genügen", so der Landeschef, der von "Ungeheuerlichkeiten" sprach.

Vor der Landtagssitzung hatte der nun abgewählte Landesrat Widmann auf einer Pressekonferenz allen gedankt, die in den letzten Jahren im Gesundheitsbereich "Großartiges" geleistet hätten. Er nannte dabei nicht nur die direkten Mitarbeiter sondern auch Pflegekräfte, Ärzte und alle im Sanitätsbereich Tätigen. Die "Amputation der Landesregierung" bezeichnete er als "großen politischen Fehler". Es sei nicht realistisch zu glauben, dass man einen so wichtigen Bereich nur nebenbei verwalten oder ein externer Experte sich einarbeiten könne. Die derzeitige Krise werde die SVP noch lange beschäftigen, so Widmann.

Die Sammelpartei SVP war in den vergangenen Wochen und Monaten von massiven Streitigkeiten erschüttert worden. Hintergrund ist die Veröffentlichung von Abhörprotokollen aus dem Jahr 2018 rund um staatsanwaltschaftliche, letztlich eingestellte Ermittlungen wegen der Konzessionsvergabe für den öffentlichen Busdienst (SAD ist das größte Busunternehmen, Anm.) in Südtirol. Teil der Protokolle sind abfällige Äußerungen einiger SVP-Politiker über Parteifreunde. Zudem tobte offenbar auch ein Machtkampf innerhalb der Partei. Im Herbst 2023 steht die Landtagswahl an. Der 52-jährige Kompatscher hat bisher noch nicht bekanntgegeben, ob er wieder antreten will oder nicht.

ribbon Zusammenfassung
  • Parteigremien forderten ihn zum Rücktritt auf, er weigerte sich aus der Regierung auszuscheiden.
  • Der Landeschef übernimmt vorerst selbst Widmanns Gesundheitsagenden.

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