Ruf nach mehr Armutsprävention
Trotz aller Bekenntnisse und Ziele der Entscheidungsträger steige die Armutsgefährdung bei Familien von Alleinerziehenden seit Jahrzehnten unverhältnismäßig zum Rest der Bevölkerung an, sagte Doris Pettighofer, Geschäftsführerin der Plattform für Alleinerziehende. Gezielte Maßnahmen seien solidarische Leistungen wie der Erhalt und Ausbau der Familienbeihilfe. Die Familienrechtsreform sei außerdem entscheidend, um Familienverhältnisse zu klären und Sozialleistungen einfacher zugänglich zu machen. Aktuell erhalte ein Drittel der Kinder von alleinerziehenden Personen keine Unterhaltszahlungen.
Gerade Kinder müssten vor Armut besser geschützt werden, so Hanna Lichtenberger von der Österreichischen Volkshilfe. 21 Prozent der Kinder in Österreich seien von Armut betroffen - mit weitreichenden Folgen: Sie seien häufiger krank, hätten geringere Bildungschancen und ein erhöhtes Armutsrisiko im Erwachsenenalter. "Wir machen es Kindern sehr schwierig, sich aus Armut zu befreien", so Lichtenberger. Die jährlichen Kosten der Kinderarmut bezifferte sie laut OECD mit 18 Milliarden Euro und forderte daher eine Kindergrundsicherung, Ganztagsschulen mit Mittagessen sowie ein verbessertes Gesundheitssystem, besonders für chronisch kranke Kinder.
Auch die Bundesjugendvertretung (BJV) drängte die Regierung in einer Aussendung, die Kindergrundsicherung rasch voranzutreiben: "Nach ihrer jüngsten Klausur hat die Regierung angekündigt, dass sie sich in den kommenden sechs Monaten der Kindergrundsicherung widmen will. Wir erwarten uns, dass dieser Ankündigung nun auch Taten folgen", betonte BJV-Vorsitzender Ahmed Naief.
Leistbares Wohnen und Energiesozialtarif gegen Obdachlosigkeit
Junge Menschen seien zunehmend von Wohnungslosigkeit betroffen, erklärte Alexander Machatschke, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die Zahl an Delogierungen habe 2024 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, aktuell seien österreichweit rund 20.500 Menschen obdachlos. Leistbares Wohnen sei deshalb die zentrale Forderung, ebenso wie Präventivmaßnahmen gegen Delogierungen. Die Mietpreisgrenze der Regierung sei ein wichtiger Schritt, unbefristete Mietverträge sollten folgen.
Neben leistbarem Wohnraum fordern die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und auch die Caritas günstige Energietarife für Menschen mit geringem Einkommen. Angesichts des bevorstehenden Winters sei bei vielen die Sorge groß, in der eigenen Wohnung frieren zu müssen, betonte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr: "Energiearmut ist Realität." 358.000 Menschen in Österreich könnten ihre Wohnung nicht angemessen heizen. Parr begrüßte daher den geplanten Energiesozialtarif zur raschen Entlastung.
Niederschwellige Angebote stärken
Wie wichtig präventive Maßnahmen seien, erlebe Marlene Korsin, Leiterin der Telefonseelsorge, täglich. Viele Anrufer und Anruferinnen befänden sich in einer akuten Krise und würden durch das Gespräch aufgefangen. "Das ist gelebte Prävention. Denn wer sich gehört und ernst genommen fühlt, der schöpft oft neue Kraft." Es dürfe daher nicht bei niederschwelligen Angeboten wie der Telefonseelsorge gespart werden.
Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) machte indes in einer Aussendung auch auf die psychische Gesundheit aufmerksam. "Armut macht krank - und psychische Erkrankungen machen arm", betonte BÖP-Präsidentin Beate Wimmer-Puchinger. Flächendeckende und kassenfinanzierte Behandlungsplätze und entsprechende Strukturen in Schulen würden armutsbekämpfend wirken.
Abschließend appellierte Christine Sallinger von der Armutskonferenz und selbst von Armut betroffen an die Regierung, gerade in Zeiten multipler Krisen, soziale Absicherung zu stärken: "Es liegt in der Verantwortung der Gesetzgeber, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass niemand zurückgelassen wird und in Armut abstürzt."
Zusammenfassung
- 21 Prozent der Kinder in Österreich sind von Armut betroffen, was laut Volkshilfe ihre Gesundheit, Bildungschancen und Zukunft massiv beeinträchtigt und laut OECD jährlich Kosten von 18 Milliarden Euro verursacht.
- 2024 ist die Zahl der Delogierungen um 13 Prozent gestiegen, rund 20.500 Menschen sind aktuell obdachlos, und 358.000 Menschen können ihre Wohnung nicht angemessen heizen.
- Organisationen fordern verstärkte Prävention durch soziale Sicherungssysteme, eine rasche Einführung der Kindergrundsicherung und gezielte Maßnahmen für Alleinerziehende, da ein Drittel ihrer Kinder keine Unterhaltszahlungen erhält.