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Rot-Weiß-Rot-Karte plus für Ukrainer

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Die so genannte Rot-Weiß-Rot-Karte plus wird für Vertriebene aus der Ukraine geöffnet. Damit soll ihnen und ihren Dienstgebern eine längerfristige Perspektive gegeben werden. Die entsprechende Verständigung in der Regierung verkündeten Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) nach dem Ministerrat. Praktisch bedeutet die Einigung, dass auch nach Auslaufen der aktuellen EU-Regel 2025 ein freier Arbeitsmarktzugang besteht.

Freilich können die Rot-Weiß-Rot-Karte plus nur jene Ukrainer beantragen, die in den vergangenen zwei Jahren zumindest zwölf Monate gearbeitet haben. Damit gibt es eine gewisse Besserstellung gegenüber anderen Gruppen, die 21 Monate Beschäftigung während der abgelaufenen 24 Monate vorweisen müssen.

Erfüllen müssen die Vertriebenen aber wohl die selben Voraussetzungen wie alle anderen Bewerber, um die Rot-Weiß-Rot-Karte plus erhalten zu können. Die sehen etwa einen Netto-Verdienst von gut 1.200 Euro plus knapp 200 für jedes Kind vor. Zudem muss der Wohnbedarf bestritten werden können. NGOs wie Caritas und Diakonie kritisieren deshalb, dass wohl nur wenige von der Neuregelung profitieren werden können. Aufgrund aktueller Prognosen geht die Regierung davon aus, dass von der Zulassung zur Rot-Weiß-Rot-Karte plus mehr als 7.000 vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich profitieren werden.

Seit Ausbruch des Krieges sind laut Regierungsangaben mehr als 12.600 Personen aus der Ukraine in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert worden. Zusätzlich befanden sich Ende Februar österreichweit 3.393 Ukrainerinnen und Ukrainer beim AMS in Vormerkung, weitere 2.390 waren in vom Arbeitsmarktservice geförderten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. 49.000 Vertriebene im erwerbsfähigen Alter dürften aktuell in Österreich wohnhaft sein.

Dass die Beschäftigungsquote damit eher gering ist, bestätigte Kocher. Gerade deshalb wolle man ein Signal senden, dass man auch dauerhaft hier bleiben könne, wenn man das wolle. Denn die Verlängerung der Karte sei immer möglich. An sich wird sie für drei Jahre ausgestellt, wenn man zwei Jahre regulär im Land ist und ein Modul der Integrationsvereinbarung absolviert hat. Auch Angehörige können von der Karte profitieren.

Ziel sei es immer gewesen, die Vertriebenen best möglich am Arbeitsmarkt zu integrieren, betonte der Arbeitsminister. Die Rot-Weiß-Rot-Karte plus sei nun ein zusätzliches Angebot zur europäischen Vertriebenen-Regelung, die - Stand jetzt - im März 2025 ausläuft. Kocher glaubt, dass so eine nachhaltige Integration möglich sein wird für jene, die in Österreich bleiben wollen. Rauch sieht einen ersten Schritt, um zusätzliche Perspektiven anbieten zu können.

Für jene Gruppen, die dem Arbeitsmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zur Verfügung stehen, wird noch nach einer dauerhaften Lösung gesucht, wie der Sozialminister betonte. Auch jene Gruppen, die mit Auslaufen der EU-Regelung die Voraussetzung für die Rot-Weiß-Rot-Karte plus nicht erreicht haben, müssen offenbar nicht besorgt sein. Kocher geht davon aus, dass im Falle der Fortsetzung des Krieges ohnehin eine weitere europäische Regelung kommen werde. Ansonsten werde man national vorsorgen.

Lob und Kritik kam von außerhalb der Regierung. So meinte etwa das UNHCR in Person des Wien-Büroleiters Christoph Pinter, es sei ein wichtiger Schritt, für die erste Gruppe von Flüchtlingen aus der Ukraine nun längerfristige Lösungen auf den Weg zu bringen. Für alle anderen sollte schnellstmöglich Sicherheit und längerfristige Perspektiven für ein weiteres Leben in Österreich geschaffen werden. Unter anderem empfiehlt Pinter die Aufnahme in die Sozialhilfe.

Auch Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler verlangte, die Vertriebenen aus der Grundversorgung in die Sozialhilfe zu übergeben. Denn die Grundversorgung wirke integrationshemmend und decke Grundbedürfnisse finanziell nicht ab. Besonders kritisch äußerte sich die Diakonie, deren Direktorin Maria Katharina Moser von einem völlig falschen Ansatz schrieb: "Denn es geht nicht um Arbeitsmigrant:innen, die aus Nicht-EU-Ländern zuwandern wollen, sondern um Kriegs-Flüchtlinge." Der Gesetzesvorschlag werde vielen Menschen aus der Ukraine - vor allem Frauen, die wegen Kinderbetreuungspflichten, Krankheit oder Alter nicht Vollzeit arbeiten können - keine Perspektive bieten.

Eher positiv das Resümee der Arbeitgeber-Seite: Es sei von zentraler Bedeutung, dass Personen, die bereits gut am Arbeitsmarkt integriert seien, auch eine längerfristige Bleibeperspektive erhielten, begrüßt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer den heutigen Beschluss. Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Karlheinz Kopf sah einen ersten wichtigen Schritt. Es werde aber noch mehr brauchen. Etwa will er eine Bemühungspflicht in der Grundversorgung, damit sich die Ukrainer beim AMS vormerken.

ribbon Zusammenfassung
  • Die österreichische Regierung öffnet die Rot-Weiß-Rot-Karte plus für ukrainische Vertriebene, um ihnen eine langfristige Arbeitsperspektive zu bieten.
  • Voraussetzung für die Karte ist eine mindestens zwölfmonatige Beschäftigung in den letzten zwei Jahren; mehr als 7.000 Ukrainer könnten profitieren.
  • Über 12.600 Ukrainer wurden seit Kriegsbeginn in den Arbeitsmarkt integriert; zusätzlich sind fast 6.000 in Ausbildung oder warten auf Arbeit.