Rechtsexperte: Bei Ukraine-Beitritt würde EU "Krieg gegen Russland führen müssen"

Walter Obwexer, Universitätsprofessor für Europarecht an der Universität Innsbruck, hält einen schnellen Beitritt der Ukraine in die EU für "nicht realistisch".

Für Obwexer hat der Westen auf die russische Invasion in der Ukraine mit "massiven Sanktionen" reagiert, welche "in dieser Art und Weise so noch nie verhängt worden sind". Die Sanktionen im Finanz- und Wirtschaftsbereich sind laut dem Universitätsprofessor "sehr weitreichend" und werden "eine entsprechende Wirkung in Russland zeigen".

Überrascht hat Obwexer, dass die EU sich in dieser Krise einig zeigt, "mit einer Stimme gesprochen hat" und auch rasch und konsequent reagiert habe.

Inmitten des russischen Angriffs auf die Ukraine ist eine Debatte über deren EU-Beitritt ausgebrochen.

EU-Beitritt der Ukraine "nicht realisitsch"

Einen EU-Beitritt der Ukraine, welchen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Spiel gebracht hatte, hält Obwexer für "nicht realistisch". Er gibt zu bedenken, dass es "laut EU-Verträgen kein Eilverfahren gibt" und dass das "normale Verfahren sehr kompliziert" sei.

Laut Obwexer habe hier die EU-Kommission auch nicht die Hauptverantwortung. "Die Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten sowie die Parlamente der Staaten" wäre hierfür erforderlich. Das Beitrittsverfahren ist außerdem "langwierig" und beinhaltet eine "genaue Prüfung der Rechtsordnung des Beitrittskandidaten". Die Ukraine müsste in diesem Fall auch Anpassungen vornehmen, so der Universitätsprofessor, was ebenfalls zusätzliche Zeit benötigen würde.

Selenskyj hat am Montag offiziell um einen Beitritt in die Europäische Union angesucht.

"Die EU würde Krieg gegen Russland führen müssen"

Auf die Frage, was sich jetzt an der Situation in der Ukraine rechtlich ändern würde, wenn die Ukraine bereits EU-Mitglied wäre, meint Obwexer, dass Artikel 42, Absatz 7 der EU-Verträge – die gegenseitige Beistandspflicht – greifen würde. Das bedeutet, dass alle 27 EU-Mitgliedsstaaten mit allen zur Verfügung stehenden Mittel der Ukraine zur Hilfe kommen müssen. Oder wie Obwexer es formuliert: "Die EU würde Krieg gegen Russland führen müssen."

Generell ist sich Obwexer nicht sicher, ob Von der Leyen mit ihrer Aussage eine Vollmitgliedschaft der Ukraine meinte. Der Universitätsprofessor vermutet eher einen "Solidarakt" der Kommissionspräsidentin. "Man stehe hinter der Ukraine und lehne es nicht vollkommen ab, die Ukraine in die Union aufzunehmen", meint Obwexer.

Zustimmung Russlands fraglich

Ob allerdings Russland einem eventuellen Beitritt der Ukraine in die Europäischen Union zustimmen würde, sei laut Obwexer nicht sicher. "Die Ukraine würde von der Bündnispflicht der EU profitieren und würde so einem NATO-Beitritt auch nahekommen", bzw. sei dies einem Beitritt zur NATO sehr ähnlich, gibt der Europarechtsexperte zu bedenken. Das könnte somit zu einem Widerstand Seitens Putins kommen.

ribbon Zusammenfassung
  • Walter Obwexer, Universitätsprofessor für Europarecht an der Universität Innsbruck, hält einen schnellen Beitritt der Ukraine in die EU für "nicht realistisch".
  • Für Obwexer hat der Westen auf die russische Invasion in der Ukraine mit "massiven Sanktionen" reagiert, welche "in dieser Art und Weise so noch nie verhängt worden sind".
  • Einen EU-Beitritt der Ukraine, welchen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ins Spiel gebracht hatte, hält Obwexer für "nicht realistisch".
  • "Die Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten sowie die Parlamente der Staaten" wäre hierfür erforderlich. Das Beitrittsverfahren ist außerdem "langwierig" und beinhaltet eine "genaue Prüfung der Rechtsordnung des Beitrittskandidaten".
  • Auf die Frage, was sich jetzt an der Situation in der Ukraine rechtlich ändern würde, wenn die Ukraine bereits EU-Mitglied wäre, meint Obwexer, dass Artikel 42, Absatz 7 der EU-Verträge – die gegenseitige Beistandspflicht – greifen würde.
  • Das bedeutet, dass alle 27 EU-Mitgliedsstaaten mit allen zur Verfügung stehenden Mittel der Ukraine zur Hilfe kommen müssen. Oder wie Obwexer es formuliert: "Die EU würde Krieg gegen Russland führen müssen."