Proteste in Frankreich erschweren Start für neuen Premier
Details zu den Festnahmen nannte die Pariser Polizei zunächst nicht. Medien berichteten unter anderem vom Versuch, ein Busdepot zu blockieren und von Blockadeaktionen an Schulen. Medien meldeten Protestaktionen in zahlreichen Städten, darunter Bordeaux, Lyon und Marseille.
Die Proteste unter dem Motto "Blockieren wir alles" ("Bloquons tout") richten sich vor allem gegen die seit längerem angekündigten Sparpläne. Die Behörden sind in Alarmbereitschaft, rund 80.000 Sicherheitskräfte sind mobilisiert. Welches Ausmaß die Proteste annehmen werden, ist ungewiss. Unklar ist auch, wer genau ursprünglich hinter dem Aufruf steckt. Die Protestaufforderungen erfolgen dezentral, viele verschiedene Seiten wollen ihrem Ärger Luft machen. Unter anderem Linke, Gelbwesten-Gruppierungen und Gewerkschaften wie etwa die der Eisenbahner riefen zum Protest auf.
Die Proteste sind vor allem eine Reaktion auf den Sparbudget-Vorschlag des bisherigen Premiers François Bayrou. Am Montag hatte dieser nach nicht einmal neun Monaten im Amt in der Nationalversammlung eine Vertrauensfrage verloren und seine Mitte-Rechts-Minderheitsregierung so zu Fall gebracht.
Innenminister: 80.000 Polizeikräfte mobilisiert
Durch die Blockaden wurden erwartet, dass es im täglichen Leben zu Einschränkungen kommen kann. Die französische Bahn kündigte Beeinträchtigungen im Regionalverkehr an. Auch die Abläufe an französischen Flughäfen könnten ins Stocken geraten, warnte die französische Zivilluftfahrtbehörde DGAC. Auch in Unternehmen und an Universitäten soll es französischen Medien zufolge Protestaktionen geben.
Der Druck von der Straße dürfte erst mal bleiben: Für den 18. September haben dann die Gewerkschaften zu landesweiten Streiks und Kundgebungen gegen den Sparkurs der Regierung aufgerufen. Inzwischen nehmen die Proteste das Ausmaß eines Generalstreiks an.
Auch Macron in der Schusslinie der Proteste
Unter Druck steht aber auch Staatschef Emmanuel Macron. Die altlinke Partei LFI forderte seinen Rücktritt. Die Rechtsnationalen wollten mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freimachen. Dass Macron schon einen Tag nach der verlorenen Vertrauensfrage von Bayrou einen neuen Premier ernannte, kann auch als Versuch gewertet werden, selbst aus der Schusslinie zu kommen.
Der neue Premierminister und frühere Verteidigungsminister Lecornu gilt als sein Vertrauter - ob das Macron hilft, bleibt abzuwarten. Die ersten Reaktionen der bisherigen Opposition fielen alles andere als positiv aus.
Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen.
Zeit drängt bei Budgetaufstellung
Lecornu soll nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung beraten, um den dringend nötigen Haushalt auf die Beine zu stellen, hieß es in der Mitteilung des Élysée-Palastes zu seiner Ernennung. Auch Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate solle Lecornu treffen, heißt es weiter. Gemeint sein dürfte, dass Lecornu sondiert, welche Parteien Teil einer Koalition sein könnten, wer ihn dulden könnte oder zumindest bei einzelnen Themen bereit wäre, gemeinsame Sache zu machen.
Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu der rechtsnationalen Führungsfigur Marine Le Pen zu haben. Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine Komplett-Ablehnung entgegenschlägt.
Lecornu wandte sich noch am Abend seiner Ernennung direkt an die Menschen im Land. Er sagte, er verstehe die Erwartungen und kenne die Schwierigkeiten, und versprach, mit Demut ans Werk zu gehen.
Zusammenfassung
- Einen Tag nach der Ernennung von Premierminister Sébastien Lecornu kommt es in Frankreich zu massiven Protesten gegen die angekündigten Sparpläne, bei denen allein im Raum Paris bereits 75 Personen festgenommen wurden.
- Rund 80.000 Sicherheitskräfte wurden landesweit mobilisiert, um die Proteste zu kontrollieren, die zu Blockaden an Busdepots, Schulen und in Städten wie Bordeaux, Lyon und Marseille führen.
- Für den 18. September sind weitere landesweite Streiks angekündigt, während Lecornu mit verschiedenen politischen Lagern um ein Sparbudget für das hoch verschuldete Land verhandeln muss.