APA/APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Atomgipfel in Brüssel - Vučić: Serbien will vier AKW bauen

0

Serbien will sich als führende Kraft in der europäischen Atomkraft profilieren. Sein Land wolle vier Atomreaktoren bauen, sagte der serbische Präsident Aleksandar Vučić am Donnerstag nach Angaben des Belgrader Senders B-92 beim "Atomenergiegipfel" in Brüssel, an dem auch mehrere EU-Regierungschefs teilnahmen. Vučić suchte dabei demonstrativ die Nähe des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, den er "herzlich" begrüßte. Frankreich ist der führende AKW-Staat Europas.

Konkret wolle Serbien vier Kleinreaktoren mit einer Kapazität von jeweils 250 Megawatt errichten, sagte Vučić. Bei den Finanzierungskosten von 7,5 Milliarden Euro brauche das Land aber Unterstützung von "führenden EU-Staaten". Die Atomkraftwerke seien erforderlich, damit das Land Gaskraftwerke abschalten könne. Auch Kohle sei keine Alternative mehr. "Niemand will mehr Kohle abbauen. Dieses Produkt können wir nirgends im Westen verkaufen, entweder gibt es keinen Markt mehr oder wir werden hohe Zölle dafür zahlen müssen", so Vučić.

Der serbische Regierungschef lobte auch den Gastgeber und belgischen Ministerpräsidenten Alexander de Croo. "Er war einmal der größte Gegner der Atomenergie, und jetzt ist er ihr größer Befürworter. Ein gescheiter Mann. (...) Die Zeiten ändern sich. Wir haben den Krieg in der Ukraine, die künstliche Intelligenz", sagte der serbische Präsident.

Der "Nuclear Energy Summit", an dem auch der Chef der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), Rafael Grossi teilnahm, wurde von Protesten begleitet. Weil sich ein Greenpeace-Aktivist vom Dach abseilte, mussten Statements der eintreffenden Staats- und Regierungschefs unterbrochen werden. Belgiens Premier de Croo hatte zuvor gefordert, dass Atomforschung jedenfalls aus dem EU-Budget bezahlt werden solle. "Vielleicht auch Atom-Projekte", sagte er.

Die Regierungschefs kamen vor dem eigentlichen EU-Gipfel in Brüssel zusammen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei dem Treffen, dass die Atomenergie eine wichtige Rolle beim Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft spielen könne. Von der Leyen ist Spitzenkandidatin der konservativen Parteienfamilie EVP bei der Europawahl und tritt damit für eine zweite Amtszeit an. Unter anderem wegen der darin enthaltenen positiven Haltung zur Atomkraft hatte die österreichische Kanzlerpartei ÖVP dem EVP-Wahlprogramm nicht zugestimmt.

Befürworter wie de Croo argumentieren, dass man die Technologie auf jeden Fall brauche, wenn man die Klimaschutzziele der EU erreichen wolle. "Ich denke, das ist etwas, was möglich sein sollte", sagte der belgische Regierungschef mit Blick auf die geforderte EU-Finanzierung. Neben de Croo und Macron nahmen unter anderem die Regierungschefs der Niederlande, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Sloweniens, Schwedens und Bulgariens an der Zusammenkunft teil.

Einer der Aktivisten protestierte etwa 15 Minuten lang über dem Eingang mit einem Plakat mit den Worten "Nuclear Fairytale" ("Nukleares Märchen"). Ein anderer Aktivist wurde von der Polizei gestoppt. Andere Demonstranten versuchten zudem, den Zugang zum Gipfel mit Fahrrädern und Autos zu blockieren. Greenpeace fordert, Regierungen sollten ihre Energieziele mit Hilfe erneuerbarer Energien erreichen.

Mit Kritik meldete sich auch die Umweltorganisation Global 2000 zu Wort. Atomkraft sei längst nicht mehr konkurrenzfähig mit Erneuerbaren Energien und mittlerweile auch unzuverlässiger als diese, teilte Global 2000 unter Verweis auf die großen Ausfälle in Frankreich vor zwei Jahren mit. "Es gibt also keine Notwendigkeit für den Ausbau der sündteuren und nicht wettbewerbsfähigen Atomkraft - die europaweite Dekarbonisierung erfolgt durch günstige und schnell verfügbare Wind- und Sonnenkraft", betonte die Organisation.

Die Energiepolitik ist in der Europäischen Union eine nationale Angelegenheit. Jedes Land bestimmt über seinen eigenen Mix an Energieerzeugungs-Technologien. In der EU schwelt seit Jahren ein Streit über die Finanzierung, auch weil Atomkraft-Projekte sehr teuer sind. Die deutsche Ampel-Regierung und einige andere EU-Staaten wie etwa Österreich lehnen die Nutzung der Atomkraft und eine Finanzierung aus dem EU-Etat ab.

ribbon Zusammenfassung
  • EU-Atomstaaten setzen sich bei einem Treffen vor dem EU-Gipfel in Brüssel für eine Finanzierung der Atomtechnologie aus dem EU-Budget ein.
  • Proteste von Greenpeace-Aktivisten stören das Treffen; ein Aktivist seilt sich mit einem 'Nuclear Fairytale'-Plakat ab, andere blockieren den Zugang.
  • Global 2000 kritisiert Atomkraft als nicht konkurrenzfähig gegenüber Erneuerbaren und verweist auf große Ausfälle in Frankreich vor zwei Jahren.