APA/APA/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/STRINGER

Prigoschin: Eroberung von Bachmut in drei bis vier Wochen

0

Der Widerstand der ukrainischen Truppen in Bachmut erwirkt offenbar allmählich ein Umdenken bei den russischen Militärs. "In drei bis vier Wochen" könne die seit Monaten umkämpfte Stadt erobert werden, schätzte Jewgeni Prigoschin, Chef der berüchtigten Wagner-Söldner, am Donnerstag auf einem ihm zugeschriebenen Telegram-Kanal.

Erst vor wenigen Tagen hatte er noch behauptet, Bachmut sei eingenommen worden. Kiew deutete unterdessen erstmals vage einen möglichen Rückzug an.

Es gelte aus russischer Sicht weiterhin, die Versorgungslinien der ukrainischen Verteidiger zu durchtrennen. Erst danach könne aus mehreren Richtungen zur Eroberung und "Zerstörung von militärischen Schlüsselobjekten" im Stadtinneren übergegangen werden, so der Wagner-Chef. Prigoschin sprach am Donnerstag vor dem Hintergrund Dutzender Gräber seiner Söldner. Seine Truppen haben in den vergangenen Wochen bei Bachmut schwere Verluste erlitte. "Ja, er (der Friedhof) wächst", sagte er.

Die ukrainischen Truppen in Bachmut leisten seit Monaten erbitterten Widerstand gegen die Angriffe russischer Truppen, die von Wagner-Söldnern angeführt werden. Der Großteil der Stadt und Teile des Zentrums stehen bereits unter russischer Kontrolle. Im Westteil der Stadt mit ehemals 70.000 Einwohnern haben sich die ukrainischen Einheiten jedoch verschanzt. Russland ist vor mehr als 13 Monaten in die Ukraine einmarschiert.

Selenskyj deutet Rückzug an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensykyj sprach unterdessen von einer schwierigen Lage und deutete erstmals vage einen möglichen Abzug aus Bachmut an. "Für mich ist das Wichtigste, dass wir unsere Soldaten nicht verlieren, und natürlich werden die Generäle vor Ort die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sich die Lage weiter zuspitzt und die Gefahr besteht, dass wir unsere Leute verlieren, weil sie eingekesselt werden."

Bachmut sei zusammen mit den südwestlich gelegenen Ortschaften Awdijiwka und Marjinka derzeit "das Epizentrum der Feindseligkeiten", teilte das ukrainische Militär mit. Die Regierung in Kiew hat bisher betont, an Bachmut festhalten zu wollen. "Bachmut hat die wichtige Aufgabe, Russland so viele Verluste wie möglich zuzufügen und vor allem einen Gegenangriff vorzubereiten", der Ende April erwartet werde, erklärte der Militäranalyst Pavel Naroschny im ukrainischen "NV Radio".

Widersprüchliche Aussagen seitens der Ukraine

Widersprüchliche Aussagen kamen unterdessen von der ukrainischen Führung über mögliche Verhandlungen über den Status der von Russland annektierten Halbinsel Krim. "Wenn wir auf dem Schlachtfeld unsere strategischen Ziele erreichen und an die Verwaltungsgrenzen der Krim gelangen, so sind wir bereit, die diplomatische Seite zu öffnen und die Sache zu bereden", sagte der stellvertretende Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Sybiha, der "Financial Times" am Donnerstag.

Allerdings widersprach kurze Zeit später der Präsidentenberater Mychailo Podoljak. Mit Russland werde erst verhandelt, wenn sich seine Truppen aus dem gesamten Territorium der Ukraine zurückgezogen hätten. Dazu gehöre auch die Krim, twitterte Podoljak. Selenskyj hat bisher ebenfalls Verhandlungen mit Moskau abgelehnt, so lange sich noch russische Soldaten auf ukrainischem Gebiet befinden - inklusive der bereits 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim.

Militärexperten erwarten in diesem Frühjahr eine Offensive der ukrainischen Truppen, um von Russen besetzte Gebiete zurückzuerobern. Die Pläne sind laut Kiew aktuell nur ganz wenigen Menschen bekannt. "Höchstens drei bis fünf Personen", sagte am Donnerstag der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Olexij Danilow, in einem Rundfunkinterview.

Sollte es die ein oder andere Erklärung zur Offensive geben, müsse dies nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, sagte Danilow. Die Ukrainer würden schon erkennen, "wann es denn losgeht". Danilow deutete an, dass die Planungen für den Großangriff bereits abgeschlossen seien.

Als wahrscheinlichste Stoßrichtung gilt laut Militärexperten ein Vorgehen im Süden des Landes auf die Küste, um einen Keil zwischen die dort stationierten russischen Truppen zu treiben. Allerdings ist unklar, ob die vom Westen an Kiew gelieferten Waffen ausreichen werden, um den Erfolg eines solchen Einsatzes zu gewährleisten.

Kiew schließt Eroberung von Krim nicht aus

Nach Angaben Sybihas schließt Kiew eine militärische Eroberung der Krim dabei nicht aus. Der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, stellte zudem klar, dass es nicht um territoriale Zugeständnisse bei den Gesprächen gehe. "Echte Verhandlungen" mit Moskau könne es erst nach dem kompletten Rückzug der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet einschließlich der Krim geben, beharrte er auf der bekannten Position Kiews.

Westliche Militärexperten befürchten aber, dass dies zu einer erheblichen Eskalation des Krieges führen und Kremlchef Wladimir Putin gar zum Einsatz von Atomwaffen provozieren könnte, da Moskau die strategisch wichtige Halbinsel als eigenes Staatsgebiet betrachtet. Die Atommacht hatte stets betont, die Krim mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.

Putin und der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko haben bei ihrem Treffen in Moskau am Donnerstag nicht über die Stationierung von Nuklearwaffen in Belarus gesprochen. Das teilte der Sprecher des Präsidialamts in Moskau, Dmitry Peskow, laut Nachrichtenagentur Interfax mit. Putin hatte vergangenen Monat angekündigt, in Belarus taktische Atomwaffen geringerer Reichweite stationieren zu wollen.

Nach schweren Niederlagen der russischen Truppen in der Ostukraine gibt es Berichte in russischen sozialen Netzwerken, wonach Generaloberst Rustam Muradows abgelöst wurde. Diese Berichte seien "höchstwahrscheinlich" richtig, erklärte das Verteidigungsministerium in London am Donnerstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. "Es handelt sich um die bisher ranghöchste russische Militärentlassung im Jahr 2023, aber weitere sind wahrscheinlich, da Russland seine Ziele im Donbass weiterhin nicht erreicht", hieß es weiter. Offiziell gibt es in Moskau keine Informationen zur Entlassung Muradows.

Bei einem Artillerieangriff auf die von Russland kontrollierte Stadt Donezk in der Ostukraine wurden am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge vier Zivilisten getötet. Es sei ein Parkplatz getroffen worden, berichtete die staatliche Agentur unter Berufung auf einen Reporter vor Ort. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Widerstand der ukrainischen Truppen in Bachmut erwirkt offenbar allmählich ein Umdenken bei den russischen Militärs.
  • "In drei bis vier Wochen" könne die seit Monaten umkämpfte Stadt erobert werden, schätzte Jewgeni Prigoschin, Chef der berüchtigten Wagner-Söldner, am Donnerstag auf einem ihm zugeschriebenen Telegram-Kanal.

Mehr aus Politik