APA/APA/AFP/PAUL FAITH

Politisches Patt erzwingt Neuwahl in Nordirland

0

In Nordirland verschärft sich nach Ablauf einer Frist zur Regierungsbildung die politische Krise. Weil sich die beiden wichtigsten Parteien bis Freitag nicht in der vorgegebenen Zeit auf eine Einheitsregierung einigen konnten, steuert die Provinz auf die zweite Wahl binnen eines Jahres zu. Der britische Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris zeigte sich enttäuscht. Er müsse nun wie vorgeschrieben eine Neuwahl ansetzen, twitterte er. Ein möglicher Termin ist der 15. Dezember.

Experten sind überzeugt, dass auch das nächste Votum keine Lösung bringen wird. "Es macht keinen Unterschied, ob die Leute bei der Abstimmung schwarz, weiß, gelb oder pink wählen, es wird nichts ändern", sagte der irische Ex-Regierungschef Bertie Ahern, der den nordirischen Friedensvertrag 1998 mit ausgehandelt hatte. Der früheren Bürgerkriegsprovinz, dem kleinsten Landesteil des Vereinigten Königreichs mit gut 1,9 Millionen Einwohnern, droht ein Teufelskreis.

Auslöser für das Patt ist die Weigerung der protestantischen Partei DUP, in eine Regierung mit der katholischen Sinn Fein einzutreten, die bei der Wahl im Mai erstmals die meisten Sitze gewonnen hatte. Eine solche Einheitsregierung beider Lager ist durch das Karfreitags-Friedensabkommen von 1998 vorgeschrieben.

Auch knapp 25 Jahre nach dem Friedensschluss verlaufen die politischen Fronten entlang konfessioneller Grenzen. Dass in der einst protestantisch dominierten Provinz mittlerweile mehr Katholiken leben, macht die Lage noch diffiziler. Unionisten wie die DUP befürchten, dass die Demografie eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich und eine Vereinigung mit Irland fördern könnte.

Als Bedingung für ihren Einstieg in die Regierung fordert die DUP, dass Sonderregeln für Nordirland gekippt werden, auf die sich London und Brüssel im Zuge des Brexits geeinigt hatten. Mit der Regelung soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland vermieden werden. Doch damit ist zugleich eine Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden, samt Problemen im Handel.

Dass alle anderen Parteien in Nordirland, aber auch die Regierung des Nachbarlandes Irland und mittlerweile selbst die britische Zentralregierung sie zum Einlenken auffordern, ficht die DUP nicht an. Es sei Wille seiner Wähler, das sogenannte Nordirland-Protokoll zu beerdigen, sagte Parteichef Jeffrey Donaldson.

Kritiker werfen der DUP vor, die Provinz in Geiselhaft zu nehmen. "Die öffentlichen Haushalte zur Unterstützung der Bevölkerung sind eingefroren, weil die DUP die lokale Regierung blockiert", sagte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament.

Erschwerend hinzu kommt, dass London das international bindende Nordirland-Protokoll am liebsten aufheben würde. Auch die EU hat eingeräumt, dass die Regelung, die eine Umgehung der EU-Zollgrenze verhindern soll, zu Schwierigkeiten im Alltag geführt hat. So können manche Lebensmittel nicht mehr zollfrei von Großbritannien nach Nordirland exportiert werden. Doch bei einer Lösung sind London und die EU noch weit auseinander. Dass im britischen Parlament ein Gesetz vorliegt, mit dem London das Abkommen einseitig kündigen könnte, macht die Sache nicht besser.

Manche Experten weisen bereits auf einen letzten Ausweg hin. Rechtlich gesehen könnte Nordirland direkt aus London regiert werden, ohne eine lokale Exekutive zu bilden. Doch ein solcher Schritt riskiert neue Spannungen: Für die Nationalisten käme dies gleichsam einer feindlichen Übernahme gleich.

ribbon Zusammenfassung
  • In Nordirland verschärft sich nach Ablauf einer Frist zur Regierungsbildung die politische Krise.
  • Weil sich die beiden wichtigsten Parteien bis Freitag nicht in der vorgegebenen Zeit auf eine Einheitsregierung einigen konnten, steuert die Provinz auf die zweite Wahl binnen eines Jahres zu.
  • Der britische Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris zeigte sich enttäuscht.
  • Mit der Regelung soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Irland vermieden werden.

Mehr aus Politik