Plener: "Sexualpädagogik" im frühen Alter, um Missbrauch zu verhindern

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Paul Plener, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien, spricht im PULS 24 Interview über präventive Maßnahmen, um sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu verhindern. Außerdem erklärt er, welches Verhalten bei Kindern ein Anzeichen für Missbrauch sein kann und wie die Therapie zu einem erlebten Trauma aussieht.

Plener beschreibt, dass bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder oft Grooming-Strategien angewendet werden und Täter:innen sich schrittweise den Kindern annähern. Um Kindesmissbrauch weniger Möglichkeiten zu geben, sei es laut dem Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien wichtig, dass Kinder in einem "guten" Austausch mit den Eltern stehen. Außerdem kann es helfen, wenn Kinder bereits ein Bewusstsein dafür haben, welche Dinge in Ordnung sind und auf ihre Grenzen aufpassen können.  

Aufklärungsarbeit im frühen Alter

Aufklärungsarbeit müsse schon vor der Schule beginnen, sagt Plener. Dabei handle es sich um eine Art der Sexualpädagogik, bei der es weniger um den Austausch zu explizierten sexuellen Handlungen geht. Kinder sollten dennoch in der Lage sein, Genitalien zu benennen. Ein Gesprächskorridor müsse geöffnet werden, der sich je nach Altersstufe fortsetzt. Plener hebt hervor, dass Kinder in der Lage sein sollten zu sagen, welcher Kontakt als angenehm erlebt wird, aber auch wie man lernt Nein zu sagen und um Hilfe ansucht.

Erkennungszeichen sexualisierter Gewalt

Die Erkennungszeichen von sexualisierter Gewalt seien "vielfältig". Laut dem Arzt könne es zu unspezifischen Beschwerden mit körperlichen Symptome wie Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit kommen. Aber auch Aktivitäten, die ein Kind früher gerne aufgesucht hat oder die Vermeidung von bestimmten Kontakten, könnten Anzeichen für Missbrauch sein. Plener ermutigt Eltern, hellhörig zu sein und Kindern regelmäßig zu signalisieren, dass über schwierige Themen ohne Verurteilung gesprochen werden kann.  

Erlebtes durch Traumatherapie verarbeiten

Sollte es tatsächlich zu einem Missbrauch kommen, hat sich gezeigt, dass ein Traumatherapie-Verfahren gegen lebenslanges Leid helfen kann. In der Abteilung von Plener arbeite man mit einer traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie. Diese sei nach den geltenden Leitlinien die erste Wahl bei Kindern und Jugendlichen in so einem Fall.

Die Therapie beanspruche 15 Sitzungen, in denen versucht wird, das Erlebte erneut durchzuspielen, allerdings mit einem eigenen Narrativ. Das kann je nach Alter durch das Schreiben oder Zeichnen erreicht werden. Kinder und Jugendliche sollen damit ins "hier und jetzt" geführt werden. Ziel ist es ihnen klarzumachen, dass es zwar Teil ihrer Lebensgeschichte ist, es aber nicht unausgesprochen bleibt und man wieder Kontrolle über das eigene Leben erlangt.

Das familiäre Umfeld kann eine Retraumatisierung verhindern, indem die Verantwortlichkeiten klargestellt werden. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass Opfer die Schuld bei sich gesucht haben. "Es ist nie die Schuld beim Kind", sagt Plener ganz deutlich. Es gäbe immer ein Machtgefälle, denn Kinder können sexuellen Handlungen nicht eigenständig zustimmen. Das Thema offen anzusprechen und nicht zu tabuisieren, helfe bei der Verarbeitung.

Mehr Hilfsangebote bereitstellen

Hinsichtlich einer Verschärfung des Strafmaßes zeigt sich der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie unentschlossen. Man könne darüber diskutieren, doch viel wichtig wäre es bestehende Angebote durchgängig zu finanzieren, damit diese bestehen bleiben können. Auch brauche es "viel mehr" Institutionen, die mit Kindern arbeiten sowie ein Schutzkonzept. Ebenso gebe es nicht genügend Ressourcen für psychotherapeutische Behandlung oder Traumabehandlung.

Die Evidenz zu härteren Strafen sei durchwachsen, daher sei es ungewiss, ob die "Frequentierung reguliert" werden könne. Eine Verschärfung wäre allerdings für Überlebenden von sexueller Gewalt, ein Signal, um diesen Personen zu zeigen, dass eine Alertheit zu dem Thema besteht.  

Wo Opfer von Kindesmissbrauch Hilfe finden können:

Rat auf Draht: 147
Die Möwe: 01 532 1515, online auf: www.die-moewe.at
Beratungs- und Notfalltelefon Pro Juventute: 058 618 80 80
Der weiße Ring/Opfernotruf: 0800 112 112

ribbon Zusammenfassung
  • Paul Plener, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien, spricht im PULS 24 Interview über präventive Maßnahmen, um sexuelle Gewalt gegen Kinder zu verhindern.
  • Außerdem erklärt er, welches Verhalten bei Kindern ein Anzeichen für Missbrauch sein kann und wie die Therapie zu einem erlebten Trauma aussieht.