Pensionslücke zeigt Ungleichheit am Arbeitsmarkt
"Die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen in Österreich ist mit 35,6 Prozent eine der größten unter den OECD-Ländern, im Vergleich zum OECD-Durchschnitt von 23 Prozent", so Lis. Er untersuchte für den OECD-Bericht "Pensions at a Glance 2025", warum die Pensionshöhe von Frauen in den OECD-Staaten monatlich etwa ein Viertel unter jener von Männern liegt. Mit Blick auf Österreich sagte Lis: "Selbst wenn heute alle Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt plötzlich gleich wären, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis sich diese Gleichheit in der Pensionshöhe widerspiegeln würde".
Gefüttert werde der Gap von bestehenden Ungleichheiten im Arbeitsmarkt - etwa bei Einkommen, Pflegearbeit und Arbeitsstunden. In Österreich verdienten Frauen nach Angaben der Statistik Austria im Jahr 2023 um 18,3 Prozent weniger als Männer. Demgegenüber arbeiteten Österreichs Männer laut dem OECD-Bericht mehr als sieben Stunden länger als Frauen. Zugleich leisten Frauen nach Angaben des AMS fast doppelt so viel unbezahlte Pflegearbeit wie Männer. All diese Unterschiede würden dazu führen, dass Pensionistinnen weniger Geld erhalten.
Dazu würden auch Berufsauszeiten bei Müttern beitragen. "Mütter, die eine Auszeit nehmen, müssen erhebliche Einbußen beim Einkommen auf dem Arbeitsmarkt hinnehmen", erklärte Lis. Die Pensionshöhe von berufstätigen Müttern liege zehn Prozent über jener von Müttern, die nach der Geburt ihres Kindes nicht mehr berufstätig sind oder Teilzeit arbeiten. "Selbst zehn Jahre nach der Geburt ihrer Kinder sind noch negative Auswirkungen auf die Löhne von Müttern zu beobachten, was in den meisten Ländern bei Vätern nicht der Fall ist", so Lis.
Maßnahmen sollten Hebel am Arbeitsmarkt ansetzen
Österreichs Anhebung des Frauenpensionsalters bezeichnete der OECD-Ökonom als Schritt in die richtige Richtung. Des Weiteren lobte er die Anrechnung von Kindererziehungszeiten beim Pensionsanspruch oder die Möglichkeit des Pensionssplittings, bei dem Eltern ihre Pensionsansprüche für die Jahre der Kindererziehung untereinander aufteilen. Österreichs Pensionssystem eigne sich dafür, "da alle Vermögenswerte auf Jahresbasis aufgeteilt werden können." Aber: "Das Problem bei solchen freiwilligen Maßnahmen ist, dass sie nicht so oft angewendet werden, da beide Partner sich darauf einigen müssen", so Lis. Auch die Pension für Witwer und Witwen wertete er als positiv.
Allerdings seien bestehende Maßnahmen unzureichend: "Die Maßnahmen reichen nicht aus, um Unterschiede bei Einkommen und Arbeitszeit auszugleichen", so Lis. Zur Verringerung der Pensionslücke müssen Unterschiede in Bezug auf Beschäftigung, Arbeitszeit und Löhne beseitigt werden, heißt es im OECD-Bericht. Zudem können Kommunikationsmaßnahmen das Bewusstsein von Frauen für die Möglichkeit des Pensionssplittings schärfen.
(Das Gespräch führte Pia Hecher/APA)
Zusammenfassung
- Die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen beträgt in Österreich 35,6 Prozent und ist damit eine der größten in der OECD, während der Durchschnitt bei 23 Prozent liegt.
- Frauen verdienen 2023 um 18,3 Prozent weniger als Männer, arbeiten wöchentlich über sieben Stunden weniger und leisten fast doppelt so viel unbezahlte Pflegearbeit, was sich langfristig negativ auf ihre Pensionen auswirkt.
- Laut OECD-Ökonom Maciej Lis reichen die bestehenden Maßnahmen wie Pensionssplitting und Anrechnung von Kindererziehungszeiten nicht aus, um die Lücke zu schließen, und selbst bei sofortiger Gleichstellung würde der Ausgleich Jahrzehnte dauern.
