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Papst ruft in seiner Enzyklika zu neuer Weltordnung auf

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Der Vatikan hat am Sonntag die neue Enzyklika des Papstes mit dem Titel "Fratelli tutti" (Alle Brüder) veröffentlicht. In der in acht Sprachen veröffentlichten Sozialenzyklika ruft Papst Franziskus zu einer neuen Weltordnung auf. Dabei mahnt er zu einer Abkehr von Egoismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Nur so ließen sich die Folgen der Corona-Pandemie und globale Herausforderungen wie soziale Ungleichheit und Migration bewältigen.

Das dritte Lehrschreiben seit Beginn von Franziskus' Pontifikat im Jahr 2013 war am Samstag in der mittelitalienischen Pilgerstadt Assisi in Umbrien unterzeichnet worden. Der Papst betonte beim Angelus-Gebet am Sonntag, er sei bei seiner dritten Enzyklika vom Heiligen Franz von Assisi, den die Kirche am 4. Oktober feiert, inspiriert worden. Geschwisterlichkeit und soziale Gerechtigkeit seien die Kernelemente der Enzyklika, die eng mit dem vergangenen Lehrschreiben des Papstes, "Laudato Si", verbunden sei. "Geschwisterlichkeit und Achtsamkeit für die Schöpfung sind der einzige Weg zum Frieden, wie bereits Johannes XXIII., Paul VI. und Johannes Paul II. gezeigt haben", sagte Franziskus beim Angelus-Gebet. Die neue Enzyklika umfasst 200 Seiten. Auch die Folgen der Corona-Pandemie spielen in dem Rundschreiben eine Rolle.

Der Papst zeigte sich wegen "Indizien für einen Rückschritt" in der heutigen Gesellschaft besorgt. "Unzeitgemäße Konflikte brechen aus, die man überwunden glaubte. Verbohrte, übertriebene, wütende und aggressive Nationalismen leben wieder auf", schrieb der Papst. Gegen die Kultur des Individualismus helfe lediglich die Aufmerksamkeit für das gemeinsame Wohl.

Der Papst warnte vor der Gefahr des Populismus in der heutigen Gesellschaft. "In verschiedenen Ländern geht eine von gewissen Ideologien durchdrungene Idee des Volkes und der Nation mit neuen Formen des Egoismus und des Verlusts des Sozialempfindens einher, die hinter einer vermeintlichen Verteidigung der nationalen Interessen versteckt werden. Das erinnert uns daran, dass jede Generation sich die Kämpfe und die Errungenschaften der früheren Generationen zu eigen machen und sie zu noch höheren Zielen führen muss. Das ist der Weg. Das Gute, ebenso wie die Liebe, die Gerechtigkeit und die Solidarität erlangt man nicht ein für alle Male", so der Papst.

Der Heilige Vater warnte vor einer ungeregelten Globalisierung. "Die örtlichen Konflikte und das Desinteresse für das Allgemeinwohl werden von der globalen Wirtschaft instrumentalisiert, um ein einziges kulturelles Modell durchzusetzen. Eine solche Kultur eint die Welt, trennt aber die Menschen und die Nationen, denn die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn, aber nicht zu Geschwistern", schrieb der Heilige Vater.

Franziskus warnte auch vor der Isolierung des Menschen in der globalen Gesellschaft. "Wir sind einsamer denn je in dieser durch Vermassung gekennzeichneten Welt, welche die Einzelinteressen bevorzugt und die gemeinschaftliche Dimension der Existenz schwächt. Es gibt vor allem mehr Märkte, wo den Menschen die Rolle von Verbrauchern oder Zuschauern zukommt. Das Fortschreiten dieses Globalismus begünstigt normalerweise die stärkeren Gebiete, die sich selbst behaupten, sucht aber die schwächsten und ärmsten Regionen zu beeinträchtigen, indem es sie verwundbarer und abhängiger macht", so der Papst.

Franziskus widmete einen Teil des zweiten und das ganze vierte Kapitel dem Thema Migration. Dabei plädierte er gegen eine "Kultur der Mauern". Migranten sollten von den Staaten aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert werden. Dabei gelte es, in den Ankunftsländern die richtige Balance zwischen dem Schutz der Rechte der Bürger und einer Aufnahme und Hilfe für Migranten zu finden.

Zudem sprach sich der Pontifex entschieden gegen die Todesstrafe aus. Diese sei nicht akzeptabel und sollte weltweit abgeschafft werden. "Nicht einmal der Mörder verliert seine persönliche Würde", schrieb der Papst. Er betonte, dass die "Heiligkeit des menschlichen Lebens" immer zu berücksichtigen sei. Er plädierte unter anderem für den Schutz von Ungeborenen, Armen, Behinderten und alten Menschen.

Der Papst befasste sich auch mit dem Thema Covid-Pandemie, die ausgebrochen ist, während er die Enzyklika schrieb. "Eine globale Tragödie wie die Covid-19-Pandemie hat für eine gewisse Zeit wirklich das Bewusstsein geweckt, eine weltweite Gemeinschaft in einem Boot zu sein, wo das Übel eines Insassen allen zum Schaden gereicht. Wir haben uns daran erinnert, dass keiner sich allein retten kann, dass man nur Hilfe erfährt, wo andere zugegen sind. Ist die Gesundheitskrise einmal überstanden, wäre es die schlimmste Reaktion, noch mehr in einen fieberhaften Konsumismus und in neue Formen der egoistischen Selbsterhaltung zu verfallen", warnte der Papst.

Franziskus hat seit seinem Antritt im März 2013 bisher zwei Enzykliken verfasst, 2013 ("Lumen fidei - Licht des Glaubens") und 2015 ("Laudato si - Über die Sorge für das gemeinsame Haus"). Seine "Umwelt-Enzyklika" vor fünf Jahren wurde weltweit als Aufruf zum Umdenken im Klimaschutz breit beachtet.

Die römisch-katholische Kirche in Österreich hat positiv auf die Sozialenzyklika reagiert. Das neue Lehrschreiben stehe in großer Kontinuität der kirchlichen Lehre und erneuere die "revolutionäre Lehre von der einen Menschheitsfamilie", sagte Kardinal Christoph Schönborn gegenüber Kathpress. Caritas-Präsident Michael Landau bezeichnete sie als "starken, beeindruckenden" Text.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Vatikan hat am Sonntag die neue Enzyklika des Papstes mit dem Titel "Fratelli tutti" veröffentlicht.
  • In der in acht Sprachen veröffentlichten Sozialenzyklika ruft Papst Franziskus zu einer neuen Weltordnung auf.
  • Franziskus warnte auch vor der Isolierung des Menschen in der globalen Gesellschaft.
  • Seine "Umwelt-Enzyklika" vor fünf Jahren wurde weltweit als Aufruf zum Umdenken im Klimaschutz breit beachtet.