puls24 Logo

Opferanwältin erfreut über Anklage gegen "Foltergeneral"

Heute, 15:37 · Lesedauer 4 min

Nachdem die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen zwei Vertreter des früheren Regimes von Bashar al-Assad in Syrien erhoben hat, sprach die Anwältin von 18 Opfern, Tatiana Urdaneta Wittek, gegenüber der APA von einem "Erfolg für das internationale Strafrecht in Österreich". Den Angeklagten werden schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Einer von ihnen wurde 2015 ausgerechnet vom heimischen Verfassungsschutz unterstützt.

Khaleb Al H. war von mindestens seit 2009 bis März 2013 Leiter der Abteilung 335 des syrischen Geheimdienstes. Von April 2011 bis März 2013 verhafteten und verhörten Mitarbeiter dieser Abteilung 335 unter seinem Kommando mutmaßliche Sympathisanten der Opposition und unterdrückten gewaltsam regierungsfeindliche Proteste, so der Vorwurf.

Aussagen ehemaliger Häftlinge zufolge wurden die Inhaftierten extremen psychischen Misshandlungen ausgesetzt und regelmäßig und systematisch durch Schläge, Elektroschocks und den Einsatz primitiver Instrumente, die starke Schmerzen verursachen sollten, gefoltert. Außerdem sollen die Schläge und Verhöre oft im Büro des Erstangeklagten stattgefunden haben, manchmal in seiner Anwesenheit und gelegentlich unter seiner direkten Beteiligung.

Die Anklage gegen den bisher ranghöchsten ehemaligen syrischen Geheimdienstoffizier, der in Europa festgenommen wurde, sei ein großer Erfolg und nur dank der Bemühungen der Opfer und Zeugen möglich, sagte Urdaneta Wittek vom Centre for the Enforcement of Human Rights International (CEHRI) im Gespräch mit der APA. "Diese Anklage dient als Abschreckung gegen schwere Menschenrechtsverletzungen." Steve Kostas, ein Anwalt, der die Justizkampagne koordiniert, ergänzte: "Die achtzehn Überlebenden, die wir unterstützt haben, freuen sich auf den Tag, an dem sie ihren Peinigern vor Gericht gegenübertreten können." Und weiter: "Diese Fälle unterstreichen die Beharrlichkeit syrischer Überlebender, Aktivisten und Ermittler, die Gerechtigkeit für die Gräueltaten der Assad-Regierung fordern."

Der Zweitangeklagte war zwischen 2011 und 2013 Leiter der Ermittlungen in der Abteilung für Kriminalpolizei in der Stadt Raqqa. Er und seine Mitarbeiter waren für die Vernehmung von Häftlingen und die Durchführung von Folterhandlungen verantwortlich, die der Zweitangeklagte laut mehreren Zeugenaussagen oft selbst durchführte. Den beiden werden unter anderem schwere Körperverletzung, geschlechtliche Nötigung und Folter vorgeworfen. Bisher konnten laut Staatsanwaltschaft 21 Opfer ausgeforscht werden.

Jahrelange Arbeit

Die Anklagen seien das Ergebnis einer neunjährigen intensiven Arbeit syrischer und internationaler Gruppen, darunter CEHRI, die die Beweise für die von den beiden Männern begangenen Verbrechen gesammelt haben, darunter Zeugenaussagen von Überlebenden, um die Ermittlungen der österreichischen Staatsanwaltschaft zu unterstützen.

Österreich sei erst das zweite Land in Europa, das seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien ehemalige Geheimdienstmitarbeiter wegen Verbrechen im Zusammenhang mit staatlich geförderter Folter strafrechtlich zur Verantwortung zieht und damit auch seiner völkerrechtlichen Verantwortung gerecht wird, heißt es von CEHRI. Der Fall biete nicht nur eine Plattform für Überlebende, um Gerechtigkeit zu suchen, sondern bekräftige auch den Grundsatz, dass diejenigen, die für Gräueltaten verantwortlich sind, unabhängig von ihrem Rang oder ihrem Aufenthaltsort zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem erinnere er daran, dass "die universelle Gerichtsbarkeit bei der Aufarbeitung syrischer Verbrechen auch nach dem Sturz des Assad-Regimes weiterhin von Bedeutung sind."

Ausländische Staaten müssten weiterhin ihren Teil dazu beitragen, hochrangige Täter internationaler Verbrechen in Syrien zu identifizieren und vor Gericht zu stellen, so die NGO, besonders dann, wenn Täter versuchen in europäischen Ländern Schutz vor Verfolgung suchen oder - wie hier - "Österreich einen der mutmaßlichen Täter in einer Spezialoperation des damaligen BVT erst nach Österreich bringt."

Prozess wegen "Operation White Milk" endete in Freisprüchen

Das mittlerweile aufgelöste Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte im Mai 2015 mit einem ausländischen Partnerdienst vereinbart, Khaleb Al H. von Frankreich nach Österreich zu bringen. Von BVT-Beamten wurde er an der österreichischen Grenze in Empfang genommen, in einem Dienstfahrzeug nach Wien chauffiert, in der Bundeshauptstadt in einem Quartier untergebracht und finanziell unterstützt. In weiterer Folge waren Vertreter des BVT dem syrischen Offizier sogar bei seinem Asylverfahren behilflich und bemühten sich, diesem zu einem Bleiberecht zu verhelfen.

Nach Erkenntnissen der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schloss die Kooperationsvereinbarung mit der Bezeichnung "White Milk" federführend der damalige BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss ab, der inzwischen in Dubai untergetaucht ist. Nach Weiss wird mit internationalem Haftbefehl gefahndet, weil er die überstürzte Flucht des Ex-Wirecard-Managers Jan Marsalek vom Flughafen Bad Vöslau Richtung Russland mitorganisiert haben soll. Für drei ehemalige Beamte des BVT bzw. einen des Bundesamts für Fremdenrecht und Asyl (BFA) endete der Prozess wegen Amtsmissbrauchs 2023 in einem Freispruch. Weiss war für die Justiz allerdings schon damals nicht greifbar und war der Hauptverhandlung ferngeblieben. Der nun erstangeklagte General war damals als Zeuge geladen, gab sich aber wortkarg. Er habe "Angst um mein Leben und das meiner Familie", führte er damals am Straflandesgericht Wien ins Treffen.

Zusammenfassung
  • Die Staatsanwaltschaft Wien hat zwei ehemalige syrische Geheimdienstmitarbeiter wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt, darunter Khaleb Al H., der von 2009 bis 2013 die Abteilung 335 leitete.
  • Zwischen April 2011 und März 2013 wurden unter seinem Kommando mutmaßliche Oppositionelle verhaftet, gefoltert und misshandelt, wobei mindestens 21 Opfer identifiziert wurden.
  • Die Anklage ist das Ergebnis einer neun Jahre dauernden Zusammenarbeit internationaler Organisationen und basiert auf Zeugenaussagen von Überlebenden, die von der Anwältin Tatiana Urdaneta Wittek vertreten werden.
  • Österreich ist das zweite Land in Europa, das seit Beginn des Syrienkriegs ehemalige Geheimdienstmitarbeiter für staatlich geförderte Folter strafrechtlich verfolgt.
  • 2015 wurde Khaleb Al H. im Rahmen der Operation "White Milk" vom österreichischen Verfassungsschutz nach Österreich gebracht und beim Asylverfahren unterstützt; der spätere Prozess gegen beteiligte Beamte endete 2023 mit Freisprüchen.