OGH-Präsident zu Ausweitung bedingter Entlassungen skeptisch
"Jede Rechtsordnung lebt im Grunde von der Akzeptanz der Bevölkerung, der Rechtsunterworfenen", sagte der Präsident. "Wenn diese Akzeptanz nicht vorhanden ist oder ausgehöhlt wird, dann ist es gefährlich." Die Strafe verfolge nämlich - "auch wenn das mitunter kleingeredet wird"- den Zweck der Rechtsbewährung. "Die Allgemeinheit sieht, das Unrecht zieht Folgen nach sich. Und wenn diese Folgen als nicht ausreichend empfunden werden, von einer breiten Mehrheit, dann ist das für die Akzeptanz des Rechtssystems in der Tat ganz schlecht."
Man könne "durchaus darüber nachdenken, die Freiheitsstrafe als Sanktion noch weiter zurückzudrängen", sagte Kodek. "Was ich ganz unglücklich finde, ist, wenn das aus fiskalischen Überlegungen geschieht."
Gefragt nach der möglichen Zahl durch die Änderung vorzeitig bedingt Entlassener wollte sich Kodek nicht genau festlegen. "Ich habe eine Schätzung gehört, dass etwa 400 Personen vorzeitig entlassen würden pro Jahr, die jetzt nicht entlassen werden." Er kenne die Zahlen aber zu wenig, um das überprüfen zu können. Aber man könne davon ausgehen, dass ab 1. Jänner "sicherlich sehr viele" davon umfasst sein werden. "Auch deswegen, weil der angestrebte Spareffekt ja sonst nicht greifen würde."
Der Plan der Regierung sieht eine Ausweitung der Möglichkeit der bedingten Entlassung bei Strafgefangenen vor - ebenso bei der Fußfessel. Bei bedingten Entlassungen fällt die Ablehnung dieser Maßnahme aus rein generalpräventiven Gründen weg, wenn ein Straftäter oder eine Straftäterin die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat. Derzeit ist eine bedingte Entlassung nicht möglich, wenn so etwa die Allgemeinheit von der Begehung solcher Taten abgeschreckt werden soll. Künftig sollen dagegen nur Gründe, die in der Person des Täters liegen (also spezialpräventive Gründe) einer bedingten Entlassung entgegenstehen. Bei Personen mit längeren Haftstrafen sollen Senate aus Richtern und fachkundigen Laienrichtern über die bedingte Entlassung entscheiden.
Eine Fußfessel soll künftig auch dann bei Personen zum Einsatz kommen können, die noch 24 Monate Haft zu verbüßen haben - derzeit liegt die Grenze bei 12 Monaten. Ausgenommen sind schwere Delikte. Beschlossen wurden die Neuerungen im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes.
Kritik an Personalmangel
Kritisch sieht Kodek auch die Personalsituation in der Justiz. "Wir haben vom Gesetzgeber nicht einmal die Planstellen dazu bekommen, die nach Einschätzung des Parlaments notwendig gewesen wären. Und andere Aufgaben sind ja auch noch dazu gekommen", sagte er. "Die Situation ist nicht günstig."
Gefragt ob dadurch irgendwann der Rechtsstaat in Gefahr sein könnte, sagte Kodek: "Die Gefahr besteht sicherlich. Derzeit ist es so, dass der Betrieb durch außergewöhnliches Engagement vieler Kolleginnen und Kollegen aufrechterhalten wird. Aber diese Möglichkeiten haben natürlich Grenzen."
Zusammenfassung
- Kodek kritisiert außerdem den Personalmangel in der Justiz und sieht die Gefahr, dass der Rechtsstaat durch fehlende Ressourcen und Überlastung der Mitarbeitenden in Bedrängnis gerät.