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Wo Doskozil auch für linke Rote Recht hat

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Hinter der jüngsten Attacke von Doskozil gegen Rendi-Wagner steckt mehr als ein Schaukampf. Mit dem Vormarsch der FPÖ Richtung Platz 1 ist das Schreckgespenst Blau-Schwarz wieder da. Statt einer roten Kanzlerin winkt dann die Verlängerung des Abos auf die Oppositionsbank.

Unlängst in einer Runde von Sozialdemokraten, die schon bessere Zeiten für ihre Partei erlebt haben. Ungefragt hebt ein Gespräch über die aktuelle Politik und die Rolle der SPÖ an: Pamela Rendi-Wagner verdiene Anerkennung dafür, dass sie trotz des Gegenwinds in der Partei so lange durchgehalten hat. Aber, so leid es persönlich auch tue, die vergangenen Wochen hätten einmal mehr gezeigt: “Sie kann’s nicht."Gespräche wie diese sind eine von Dutzenden ähnlichen Wahrnehmungen in letzter Zeit.

Der jüngste Anlass für das geharnischte Urteil von durchaus gutwilligen Genossen: Seit Wochen sucht die ÖVP Zuflucht bei, einst Kurz-fristig erfolgreichen, Populismus-Rezepten in Sachen Asyl und Flüchtlingen. Von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner war dazu zuletzt im Sommer lapidar zu hören: "Es gibt keine Asylkrise." Eine Aussage, die nicht nur beim bekanntesten parteiinternen Widersacher, Hans Peter Doskozil, Widerspruch erregte. 

Damit hatte es sich aber auch schon mit dem roten Beitrag zur Flüchtlingspolitik. Davor und danach wirkte die SPÖ auch in dieser Frage weitgehend abgemeldet.

SPÖ-interne Debatte ist mehr als ein Spitzenkandidaten-Duell

Die Debatte, die seit Wochen hinter den SPÖ-Kulissen läuft, geht längst tiefer als die vordergründige Frage, wer das bessere rote Zugpferd für die nächsten Wahlen wäre. Die nüchterne politische Rechnung, die erfahrene rote Strategen aufmachen, geht weit über simples Name-dropping hinaus. Spätestens im Herbst 2024 stehen nach dann bereits sieben roten Jahren im Oppositions-Abseits neuerlich weichenstellende Wahlen an. 

Umfragen signalisierten seit Monaten zur Erleichterung der derzeitigen SPÖ-Führung: Wären am kommenden Sonntag Wahlen, dann würde die SPÖ nach langem wieder als Nummer 1 durchs Ziel gehen.

Das ist freilich nicht primär der überzeugenden Oppositionsarbeit der SPÖ geschuldet. Die türkis-grüne Regierung hat durch das Dauerskandal-Feuer und den beharrlichen Unwillen von Karl Nehammer, einen Schlusstrich über die Machenschaften von Kurz & Co zu ziehen, derart an Vertrauen verspielt, dass das Tor zum Kanzleramt weit offen steht.

Platz 1 für Rot wackelt wieder

In Stein gemeißelt ist Platz 1 für die Roten freilich nicht. Alle Signale stehen darauf, dass die holprigen Versuche von Karl Nehammer, auf Sebastian Kurz zu machen, allein aufs Konto der Blauen einzahlen. Nehammer, Karner & Co machen die aktuellen Probleme in Sachen Flüchtlinge durch Alarmismus wie das Aufstellen von Zelten nur größer und werden ihnen damit sichtlich noch weniger Herr. 

Gerade einmal drei Jahre nach Platzen des Ibiza-Skandals ist die FPÖ einmal mehr dabei, sich am ersten Platz in der Wählergunst breitzumachen. 

Ohne Mitte-Rechts-Wähler keine Mehrheit

Der in Teilen der SPÖ nach wie vor gehegte Traum von einer Ampelkoalition könnte sich bald als Fata Morgana entpuppen – und die rote Vision, mit Pamela Rendi-Wagner als erste Kanzlerin den Ballhausplatz zurückzuerobern, eine Chimäre bleiben.

In Österreich gibt es seit Ende der Ära Kreisky strukturell eine Mehrheit des Mitte-Rechts-Lagers. Ohne erfolgreich in diesem Teich zu fischen, muss jede und jeder als SPÖ-Kanzlerkandidat scheitern. Pamela Rendi-Wagner versuchte zwar wiederholt mit populistischen Anti-Teuerungs Rezepten wie einem Gratis-Monat bei der Energie-Haushaltsrechnung oder einer Streichung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln breiter zu punkten. Den bereits absehbaren Vormarsch der Blauen Richtung Nummer 1 vermochte sie auch damit nicht zu bremsen.

Hans Peter Doskozil hat mit der Dezimierung seines ehemaligen blauen Koalitionspartners und der Rückeroberung der absoluten Mehrheit im Burgenland bereits bewiesen, dass er eine breite Wählerschicht anspricht.

Wird Doskos Umfrage-Knüppel zum Bumerang oder finalem Schlag?

Jetzt belegt er mit einer von ihm beauftragten und von ihm in Medien platzierten Umfrage: Als SPÖ-Spitzenkandidat könnte es ihm auch im Bund gelingen, auf Kosten der FPÖ die Nummer 1-Position der Roten massiv auszubauen. Wie brutal offen er das kampagnisiert, empört viele SPÖ-Funktionäre. Im ersten Reflex ob des - einmal mehr gegen Rendi-Wagner gezielten - Umfrage-Knüppels, schließen sich die Funktionärs-Reihen im Augenblick nur enger um die Parteivorsitzende.

Auf Sicht werden sich wohl auch immer mehr linke Genossen - abseits von Missgefühlen gegen den Störenfried aus dem Burgenland - wohl die Frage stellen: Wollen wir unser, von Sebastian Kurz ausgestelltes, Abonnement auf die Oppositionsbank tatsächlich sehenden Auges verlängern? 

Diese Debatte, die Doskozil - in einer auch für die SPÖ neuen Brutalität - offenbar führen will, ist eröffnet und wohl noch lange nicht zu Ende. Denn in der SPÖ fragen sich nicht erst seit dieser Woche immer mehr: Steht mit der Wiederauferstehung der FPÖ schon bald eine Neuauflage einer Mitte-Rechts-Regierung aus Blau und Schwarz/Türkis ins Haus? 

Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazin "Trend": Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at

ribbon Zusammenfassung
  • Hinter der jüngsten Attacke von Doskozil gegen Rendi-Wagner steckt mehr als ein Schaukampf.
  • Mit dem Vormarsch der FPÖ Richtung Platz 1 ist das Schreckgespenst Blau-Schwarz wieder da.
  • Statt einer roten Kanzlerin winkt dann die Verlängerung des Abos auf die Oppositionsbank.

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