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Weiter Streit zwischen Bund und Wien um Wohnsitzauflage

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Angesichts des verstärkten Familiennachzugs von Asylberechtigten geht der Streit um die von Wien geforderte Wohnsitzauflage für Asylberechtigte weiter. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker erteilte der Forderung am Mittwoch erneut eine klare Absage und sah Wien in der Pflicht, die Sozialhilfe zu kürzen. Die rot-pinke Stadtregierung lehnte dies ab und warf der Bundesregierung erneut vor, Wien im Stich zu lassen. Auch die Grünen lehnen eine Wohnsitzauflage ab.

Die ÖVP habe in Regierungsverantwortung ihren Beitrag geleistet, um die Zahl der Asylanträge zu senken, jetzt sei es "Aufgabe von Wien das Sozialsystem so herzurichten, dass nicht die Menschen wegen der Sozialleistungen nach Wien kommen, sondern wegen der Arbeitsplätze", sagte Stocker bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Wenn man mehr zahle als alle anderen Bundesländer, dürfe man sich nicht wundern, dass mehr Menschen nach Wien kommen würden, sagte der ÖVP-Generalsekretär.

Ziel müsse es sein, die Menschen dorthin zu bringen, wo sie Arbeit haben und nicht dorthin, wo sie am meisten Sozialhilfe bekommen, sagte Stocker. In Bezug auf den Vorschlag von AMS-Chef Johannes Kopf, wonach anerkannte Flüchtlinge nur in dem Bundesland Sozialhilfe beziehen dürften, wo ihr Asylverfahren stattgefunden hat, sieht sich die ÖVP als Regierungspartei nicht angesprochen. Dabei gehe es nicht um eine Bundesregelung, sondern um eine 15a-Vereinbarung zwischen den Ländern, sagte Stocker: "Wenn Wien Verbündete in den Ländern findet, gut." Alles auf die Bundesebene zu heben, weil man die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht habe, sei zu kurz gegriffen. Einmal mehr sprach sich Stocker in Bezug auf den Familiennachzug dafür aus, die Regelungen zu überdenken. Schrauben zur Veränderung sieht die ÖVP etwa bei der Antragstellung, die man mit einer persönlicher Vorstellung verbinden könnte, oder bei der Altersgrenze.

Angesichts des verstärkten Familiennachzugs von Asylberechtigten hatte zuletzt die rot-pinke Wiener Stadtregierung eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge gefordert. Konkret sollen nach den Vorstellungen Wiens nicht-berufstätige Asylberechtigte drei Jahre lang in jenem Bundesland leben müssen, in dem ihr Asylverfahren absolviert wurde.

Von der Forderung wird man auch nicht abgehen, stellte Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der pinken Asylsprecherin Stephanie Krisper klar. Er zeigte sich zufrieden darüber, dass über das Ansinnen diskutiert werde und man "immer mehr Unterstützung" erhalte, wie er mit Verweis etwa auf AMS-Chef Kopf hinzufügte. Die anderen Bundesländer würden ihrer Verantwortung nicht nachkommen, befand er einmal mehr. Dabei wäre es für die Integration oder auch den Arbeitsmarkt besser, wenn die Betroffenen an jenen Orten bleiben würden, an denen ihr Verfahren durchgeführt wurde.

Wien sei aktuell sehr gefordert. Alleine im vergangenen Monat seien durch den Familiennachzug 350 Kinder in den Schulen aufgenommen worden, berichtete der Bildungsstadtrat. Als "befremdlich" bewertete er die Aussagen der ÖVP. Hier allein auf Wien zu zeigen und zu sagen, Wien sei selber Schuld, sei ein "unanständiges Taktieren", beschwerte sich Wiederkehr. Man wolle keinesfalls mitmachen beim Sozialdumping, stellte er klar. Wichtig seien einheitliche Sozialstandards mit ausreichend Unterstützung, damit Integration gelingen könne. "Es kann nicht das Ziel sein, dass alle so weit nach unten gehen, dass die Menschen obdachlos und kriminell werden."

Krisper kündigte unter anderem einen Antrag für eine Verstärkung der bundesweiten Integrationsmaßnahmen im Nationalrat an. Sie verwies zudem darauf, dass Wien die Quote bei der Grundversorgung übererfülle sowie darauf, dass 81 Prozent der subsidiär Schutzberechtigten in Wien leben würden. Die ÖVP könne sich gegen die "Landesfürsten" nicht durchsetzen und sei darum untätig, kritisierte sie.

Die NEOS-Abgeordnete plädierte an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), den anderen Ländern "auf die Zehen" zu steigen - etwa um für eine gerechtere Aufteilung in Sachen Grundversorgung zu sorgen. "Und das gern auch mit Strafzahlungen", fügte sie hinzu. Wien hat ebenfalls bereits wiederholt Sanktionen bei Nichterfüllung der Quote gefordert.

Die SPÖ warf der ÖVP und dem von ihr geführten Innenministerium vor, die Bundeshauptstadt mit dem Familiennachzug seit Monaten im Stich zu lassen. "Jeder Antrag auf Familiennachzug wird durch das schwarze Innenministerium bestätigt, trotzdem wurde Wien immer über die Nachzugszahlen im Dunkeln gelassen", erklärte SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch laut Aussendung und sprach von einer "Verhöhnung gegenüber der Stadt und ihrer Bevölkerung". Zugleich machte er ÖVP und FPÖ für die hohe Zahl der Asylanträge verantwortlich, weil sie sich auf europäischer Ebene seit 2017 stets gegen eine solidarische Verteilung von Geflüchteten in Europa gestellt hätten.

Die Wiener Grünen äußerte am Mittwoch erneut rechtlichen Bedenken gegenüber einer Wohnsitzauflage für Asylberechtigte. "Der Vorschlag von SPÖ und Neos ist eine Fehlleistung auf allen Ebenen: Er ist diskriminierend und damit menschenrechtswidrig, er ist grundrechtlich nicht zu Ende gedacht und - zu schlechter Letzt - lenkt er damit auch von der notwendigen Problemlösung ab", meinte die Wiener Grünen-Chefin Judith Pühringer in einer Aussendung. Stattdessen müsse der Wiener Bürgermeister als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz die anderen Bundesländer bei der Verteilungsfrage von Flüchtlingen endlich in die Pflicht nehmen, forderte sie.

Einen "völligen Paradigmenwechsel" verlangte hingegen die FPÖ. "Österreich braucht keine Umverteilungen, sondern einen sofortigen Asylstopp", befand der blaue Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Das Asylsystem sei gescheitert, zugleich werde auch das Sozialsystem von ÖVP und Grünen "gegen die Wand" gefahren. Die Folgeprobleme würden sich im Bildungs- und Gesundheitssystem genauso zeigen wie im Sicherheitsbereich.

Die Wiener Bildungsdirektion hat am Mittwoch auch Zahlen veröffentlicht, wie viele Schülerinnen und Schüler bereits sogenannte Orientierungsklassen besucht haben. In den vergangenen Monaten waren dies bereits mehr als 100. Die Teilnehmer könnten in diesen Klassen erste und gut begleitete Schritte in den Schulalltag setzen, wurde betont. Das Angebot richtet sich an Kinder, die über die Familienzusammenführung nach Wien kommen. Sie werden gemeinsam mit ihren Erziehungsberechtigten zunächst zu einem Orientierungsgespräch eingeladen. Bei diesen werden laut Bildungsdirektion unter anderem schulische Vorerfahrungen und der Alphabetisierungsstand erfasst.

ribbon Zusammenfassung
  • Die ÖVP, vertreten durch Generalsekretär Christian Stocker, weist die Forderung nach einer Wohnsitzauflage für Asylberechtigte zurück und fordert Wien auf, das Sozialsystem zu reformieren.
  • Stocker schlägt vor, Sozialhilfe erst nach fünfjährigem legalen Aufenthalt in Österreich zu gewähren und kritisiert die Wiener Sozialhilfepolitik als zu großzügig.
  • Wien verlangt eine Wohnsitzauflage, die Asylberechtigte verpflichtet, drei Jahre im Bundesland ihres Asylverfahrens zu leben, um den Familiennachzug zu steuern.