Nur wenige Lehrer spezialisieren sich auf Inklusion
Konkret hatten laut der aktuellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen durch NEOS-Bildungsminister Christoph Wiederkehr zuletzt (Studienjahr 2022/23) im Volksschulbereich von knapp 1.400 Absolventinnen und Absolventen des Bachelorstudiums 17 Prozent den Schwerpunkt Inklusion gewählt. Bei den rund 660 Masterabsolventen waren es knapp sechs Prozent. In der Lehrerausbildung für die Sekundarstufe (v.a. Mittelschule, AHS, Berufsbildende mittlere und höhere Schulen/BMHS) waren die Anteile noch geringer: Unter den fast 1.950 Bachelorabsolventen wiesen knapp fünf Prozent eine Spezialisierung in Inklusion auf, unter den 910 Masterabsolventen waren es gerade einmal zwei.
Die Lehrergewerkschaft hat in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig auf die Wiedereinführung einer eigenen Sonderschullehrerausbildung gedrängt, die neue Studienarchitektur verschlimmere nämlich den Personalmangel an Sonderschulen noch zusätzlich. Auch Wiederkehrs Amtsvorgänger Martin Polaschek (ÖVP), als damaliger Vorsitzender des Forums Lehre in der Universitätenkonferenz (uniko) einer der Mitautoren der Reform von 2015, hatte sich im Vorjahr dafür ausgesprochen. Die Abschaffung habe sich aus seiner Sicht nicht bewährt, so Polaschek.
Im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS ist nun im Bildungskapitel nicht nur die Einführung eines Pflichtmoduls Inklusive Pädagogik für alle Lehramtsstudierenden geplant. Man hat sich auch die "Einführung einer eigenständigen Lehramtsausbildung für Inklusion und Sonderpädagogik" vorgenommen.
Im Qualitätssicherungsrat (QSR), der auch für die Begleitung der aktuell laufenden Reform der Lehrerausbildung zuständig ist, kann man mit dieser Idee allerdings wenig anfangen. In den neuen Volksschul-Studienplänen, die ab Herbst gelten, wurden keine Schritte in Richtung einer eigenen Sonderschullehrerausbildung getan. "Ich glaube, dass die inklusiven und integrativen Modelle sehr gut sind", betonte QSR-Leiter Andreas Schnider zuletzt im APA-Gespräch. Immerhin gehe es ja auch an den Schulen weg von separaten Sonderschulen zu inklusiven Settings, wo Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden.
Qualitativ sei die Primar- bzw. Sekundarstufenausbildung mit Schwerpunkt oder Spezialisierung der früheren Ausbildung überlegen, der Umfang an Lehrerveranstaltungen zu Inklusion sei sogar gewachsen. "Früher war das halt in eigene Kohorten eingeteilt und man hatte den Eindruck, das sei eine ganz eigene Ausbildung. So war es aber nicht." Um den Bedarf an spezialisiertem Personal für Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) zu decken, gebe es neuerdings zudem immer mehr Personen mit einer fachverwandten Ausbildung wie den Bildungswissenschaften und langjähriger Praxis im Inklusionsbereich, die über das neue Quereinsteiger-Angebot an die Schulen kommen.
29.700 Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf
An den Schulen wurde zuletzt (2023/24) laut Statistik Austria rund 29.700 Kindern und Jugendlichen wegen einer körperlichen oder psychischen Behinderung ein SPF attestiert, das sind 4,8 Prozent aller Kinder an Pflichtschulen (Volks-, Mittel-, Sonder- und Polytechnische Schule). Buben und Schüler, die im Alltag nicht Deutsch sprechen, sind dabei laut Anfragebeantwortung stärker vertreten.
Wie die aktuelle Statistik zeigt, gibt es auch weiterhin große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während in Tirol zuletzt 2,5 Prozent der Pflichtschüler einen SPF hatten, war der Anteil in anderen Bundesländern mehr als doppelt so groß. Auch die Art der Beschulung hängt stark vom Bundesland ab: Während in der Steiermark 84 Prozent der SPF-Schülerinnen und -Schüler integrativ - also gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung - unterrichtet wurden, waren es etwa in Wien nicht einmal die Hälfte.
Zusammenfassung
- Nur 17 % der Volksschul-Bachelorabsolventen und 6 % der Masterabsolventen entschieden sich im Studienjahr 2022/23 für den Schwerpunkt Inklusion, in der Sekundarstufe waren es sogar nur 5 % beziehungsweise 2 %.
- Rund 29.700 Kinder und Jugendliche (4,8 % aller Pflichtschüler) erhielten im Schuljahr 2023/24 einen sonderpädagogischen Förderbedarf, wobei es große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt.