APA/dpa/Jens Büttner

Nord Stream 1: Wie wichtig ist die fehlende Turbine?

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Die deutsche Bundesregierung hat die russische Begründung für die Unterbrechung der Gaslieferungen angezweifelt. Dass der Lieferstopp an einer fehlenden Turbine liege, sei ein "Vorwand der russischen Seite", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Mittwoch in Berlin.

Die Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 sollen am morgigen Donnerstag beendet werden. Aber schon vor dem Beginn der Wartungsarbeiten bestand Sorge in Europa sowohl bei Politik als auch Expert:innen, dass Russland die Gaslieferungen nach Europa womöglich auch nach den routinemäßig geplanten Arbeiten einschränken oder vollständig einstellen könnte.

Schon vor Beginn der Wartungsarbeiten drosselte Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline um 60 Prozent, was die Gaspreise weiter in die Höhe trieb.

Gazprom: Turbine ist essentiell für Betrieb

Laut des russischen Energiekonzerns Gazprom fehle weiterhin die aus Kanada erwartete Turbine, die wichtig für die Kompressorstation Portowaja (welche den Druckverlust im Gas-Transport ausgleicht) und somit auch essentiell für den Betrieb von Nord Stream 1 sei. Das berichtet die "Tagesschau".

Die russische Zeitung "Kommersant" berichtet, dass die Turbine am Sonntag von Kanada nach Deutschland geliefert worden sei und es weitere fünf bis sieben Tage dauern könnte, bis die Turbine in Russland ankomme. Sollte diese Annahme stimmen, wäre es sehr wahrscheinlich, dass der Betrieb von Nord Stream 1 am Donnerstag nicht wieder aufgenommen werden könnte. 

Wie wichtig ist die Turbine?

Laut APA-Meldungen zweifelt das deutsche Bundeswirtschaftsministerium an der Darstellung des Gazprom-Konzerns, dass die Turbine essentiell für den Betrieb sei. "Es handelt sich um eine Ersatzturbine für den Einsatz im September", so eine Sprecherin des Ministeriums. Die fehlende Turbine sei "ein Vorwand Russlands", um die Gaslieferungen nach Europa zu drosseln.

Es habe keinen technischen Grund dafür gegeben, die Lieferung auf 40 Prozent zu reduzieren, sagte sie. Für diese Lieferung sei diese Turbine nicht notwendig gewesen. Auch gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Turbine nun unmittelbar gebraucht werde.

Gazprom vertraglich zu Gaslieferung verpflichtet

Sie gehe davon aus, dass nach der Überprüfung der Pipeline das Gas wieder in vollem Umfang fließen werde, sagte die Sprecherin. Gazprom sei vertraglich zur Lieferung von Gas verpflichtet, ergänzte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.

Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte am Dienstag, dass Gazprom seine Verpflichtungen "in vollem Umfang" erfüllen werde. Zugleich drohte er aber mit einer weiteren Drosselung der Lieferungen: Sollte die Turbine nicht in Russland eintreffen, könnten nur noch 30 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag geliefert werden, sagte Putin.

Gewessler: Kritisches Datum für die europäische Gasversorgung

Auch die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte, dass der 21. Juli ein "kritisches Datum für die Gasversorgung in Europa" sei. Niemand könnte prognostizieren, ob die Lieferungen nach den Wartungsarbeiten wieder vollumfänglich wiederaufgenommen werden.

Nord Stream 1 würde für die direkten Gaslieferungen nach Österreich jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. "Österreich wird vorwiegend über das Leitungssystem über die Ukraine beliefert. Trotzdem wird durch den vollständigen Lieferausfall über Nord Stream 1 aufgrund der Wartungsarbeiten auch in Österreich ein deutlicher Lieferrückgang erwartet", so die Energieministerin. 

Gaslieferungen wurden angekündigt

Nach dem Ende einer Routinewartung sind für Donnerstag Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 angekündigt. Das geht aus vorläufigen Daten des deutschen Unternehmens Gascade vom Mittwochnachmittag hervor. Gascade betreibt die beiden Empfangspunkte von Nord Stream 1 im deutschen Lubmin (Vorpommern). Für beide Punkte sind laut Gascade-Website Gaslieferungen vorgemerkt.

Diese Vormerkungen - sogenannte Nominierungen - seien Voraussetzung, damit nennenswerte Mengen transportiert werden können, hatte eine Gascade-Sprecherin zuvor erklärt. Die Anmeldungen können sich demnach allerdings noch bis kurz vor der tatsächlichen Lieferung ändern

ribbon Zusammenfassung
  • Laut des russischen Energiekonzerns Gazprom fehle weiterhin die aus Kanada erwartete Turbine, die wichtig für die Kompressorstation Portowaja und somit auch essentiell für den Betrieb von Nord Stream 1 sei.
  • Das deutsche Bundeswirtschaftsministerium zweifelt an der Darstellung des Gazprom-Konzerns, dass die Turbine essentiell für den Betrieb sei.
  • "Es handelt sich um eine Ersatzturbine für den Einsatz im September", so eine Sprecherin des Ministeriums. Die fehlende Turbine sei "ein Vorwand Russlands", um die Gaslieferungen nach Europa zu drosseln.