Neuer Kärntner SPÖ-Chef Fellner räumt Fehler ein
Beim APA-Interview erscheint der neue Parteichef etwas heiser - die letzten Tage waren voller Interview-Termine, dazwischen nur ein paar Besprechungen. Vom Ergebnis am Parteitag ist er nach wie vor überwältigt: "Dass es dann doch so ein eindeutiges Ergebnis wird, das hat mich sehr überrascht." Erste personelle Schritte seien bereits erfolgt: Landeshauptmannstellvertreterin Gabriele Schaunig und der Villacher Bürgermeister Günther Albel machte Fellner zu seinen Stellvertretern, Philipp Glanzer zum neuen Regierungskoordinator. Danach standen Besprechungen mit Koalitionspartner ÖVP an: "Wie die Zusammenarbeit noch funktionieren soll in Zukunft. Da hat jeder eigene Stile, auch Peter Kaiser hat seinen eigenen gehabt. Das werde ich jetzt mit Martin Gruber (ÖVP-Landesparteichef, Anm.) ausdiskutieren."
In die Karten schauen lassen will sich Fellner noch nicht - weder was mögliche personelle Umbildungen im SPÖ-Regierungsteam angeht, noch zum Zeitpunkt, wann er das Landeshauptmann-Amt von Kaiser übernehmen will. Spekulationen würden nichts Substanzielles beinhalten: "Das würde mich wundern, die Pläne gibt es derzeit nur in meinem Kopf."
Fellners Rede am Parteitag war durchaus von Selbstkritik geprägt: Die SPÖ habe oft mit erhobenem Zeigefinger agiert. "Das meinte ich österreichweit, es schließt aber uns in Kärnten und mich selbst natürlich mit ein." Man habe in den vergangenen Jahren oft bei dem einen oder anderen Thema diskutiert, ob man am richtigen Weg sei: "Und ich glaube, wir waren bei manchen Themen am falschen. Etwa beim Asyl." Was dieses Thema betrifft, sei es zuerst wichtig, dass man Sorgen und Ängste der Leute ernst nimmt: "Das ist die Hauptaufgabe. Ich glaube, dass man das vor allem 2015 zur Gänze hintangestellt hat, man ist auf das überhaupt nicht eingegangen."
Außerdem müsse man "Orientierung geben": "Diese Orientierung hat meines Erachtens zur Gänze gefehlt. Konkret, dass man sagt, in einem Rettungsboot haben 100 Leute Platz. Und vielleicht, wenn man ganz eng zusammenrückt, kriegt man vielleicht 120 unter." Schwingt da die Forderung nach einer Asyl-Obergrenze mit? "Ich habe 2015 schon die Obergrenze parteiintern gefordert, weil ich alles andere für fahrlässig erachte. Da bin ich aber abgeblitzt", so Fellner. Nun sei zumindest diese Thematik angesichts sinkender Zahlen bei den Asylanträgen nicht mehr so drängend, "in Kärnten haben wir weniger als 2.000 momentan".
"Haben nicht einmal Regeln definiert"
"Welche Kapazitäten haben wir, wann beginnt es, in der Gesellschaft problematisch zu werden, wie gehen wir damit in unseren Schulen um, wie kann ein Integrationsprozess gut funktionieren" - das seien die Grundfragen, die man sich stellen müsse: "Weil Menschen einfach irgendwo in eine Asylunterkunft zu stecken, das geht auf Dauer nicht." Als Land habe man "ein hohes Maß an Verantwortung für jene Menschen, die dann bei uns sind", führt Fellner weiter aus. Es gebe Deutschkurse und man müsse die Frage stellen: "Wissen die Menschen, die bei uns sind, wie die Spielregeln in unserem Haus sind? Haben wir überhaupt Spielregeln definiert? Wie schaut das Zusammenleben in unserem Bundesland aus? Und wie ist das mit den Menschen, die aus einem Land kommen, wo man von Gleichberechtigung von Mann und Frau meilenweit entfernt ist?"
Die Antwort auf die Frage, ob die Leute Bescheid wissen, was von ihnen verlangt wird, beantwortet Fellner dann auch eindeutig: "Nein. Wir haben ja noch nicht einmal selber diese Regeln klar definiert." Kritik an konkreten Personen - die SPÖ ist bereits seit Längerem für das Flüchtlingswesen zuständig - will er damit aber nicht üben: "Ich möchte jetzt nicht den einen Referenten oder eine Referentin herausziehen. Ich hätte das ja genauso machen müssen. Wir haben Fehler gemacht in der Vergangenheit. Mein Credo ist, dass ich manche Dinge einfach wieder gut machen möchte. Und ich möchte mich jetzt, nachdem ich die Verantwortung für die Sozialdemokratie in Kärnten trage, ganz klar positionieren."
SPÖ als "Partei der Arbeit"
Auffallend in Fellners Rede am Parteitag war die Behauptung: "Die SPÖ ist die Partei der Arbeit." Wie passt das zusammen mit der vergangenen letzten Nationalratswahl, als der überwiegende Anteil der Arbeiter die FPÖ gewählt hat? "Das ist in Wahrheit der Punkt, der mich am meisten schmerzt. Wir sind aus der Geschichte heraus aus den Arbeiterinnen und Arbeitern entstanden. Das ist unser DNA." Heute kümmere man sich "viel zu selten um die Interessen, die genau diese Arbeiterinnen und Arbeiter eben haben. Genau die Sorgen, über die sie jeden Tag reden. Und dann braucht man sich nicht wundern, wenn über die Jahre hinweg dann die Wahlergebnisse immer schlechter werden".
Um dem entgegenzuwirken möchte er die Funktionärinnen und Funktionäre in der Partei dazu bewegen, vermehrt das Gespräch zu suchen: "Wie kommst du drauf, was die Menschen wirklich bewegt: Indem du entweder eine teure Umfrage in Auftrag gibst. Oder indem du sagst, mich interessiert das wirklich und ich höre zu. Mir ist das wichtig. Ein bisschen weniger reden, ein bisschen mehr zuhören."
FPÖ "hat in Wahrheit keine Themen"
Um die Mobilisierungsfähigkeit seiner Partei macht er sich dabei keine Sorgen: "Die SPÖ Kärnten ist die mobilisierungsstärkste Partei in Kärnten. Die Freiheitlichen haben es, das wäre meine Diagnose, ein bisschen leichter, weil sie in Wahrheit keine Themen haben. Wenn man mit jungen Menschen oder mit Arbeitern redet und fragt, warum sie die FPÖ wählen, dann kommt genau ein Thema. Und das gelingt ihnen halt, mit einem Thema Politik zu machen und die Gunst der Wählerinnen und Wähler auf sich zu ziehen."
Was hätte er in den vergangenen Jahren anders gemacht als Peter Kaiser? Darauf will Fellner nicht ohne weiteres eingehen: "Es steht mir nicht zu, Peter zu kritisieren. Er hat es 2010 geschafft, die Partei zu einen, was denkunmöglich war. Er hat es geschafft, das Land aus der Isolation zu führen, wir waren ja international isoliert. Und er hat die größten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg, wie die Pandemie, bewältigt. Kritik wäre da echt vermessen."
Partei "wurde etwas träge"
Allerdings glaube er, dass die Partei "etwas träge" geworden sei: "Weil wir so eine starke Leitfigur gehabt haben. Ich glaube, dass alle gute Einzelkämpfer sind. Also wirklich jeder Referent oder Referentin, die Partei an sich, der Klub mit den Abgeordneten. Aber da eine Art Team zu formen, das gemeinsame Sache macht - das ist etwas, das mir wichtig ist."
Bereits vor Wochen sorgte Fellner für Aufsehen, als er die Freiheitlichen als Koalitionspartner betrachtete - ein Signal an die FPÖ oder doch an den Koalitionspartner ÖVP? Weder noch, so Fellner: "Das ist einfach mein Demokratieverständnis, dass man mit allen redet. Ich bin der Meinung, die Kärntnerinnen und Kärntner wünschen sich das auch, dass man über die Parteigrenzen hinweg zusammenarbeitet. So groß ist Kärnten nicht." Die aktuelle Arbeit in der rot-schwarzen Koalition bewertete er als "gut funktionierend" - wenn es nach ihm gehe, werde es auch in einem Jahr noch eine SPÖ-ÖVP-Landesregierung geben.
(Das Gespräch führte Peter Lindner/APA)
Zusammenfassung
- Daniel Fellner wurde am Samstag mit 96,39 Prozent der Stimmen zum neuen Landesparteivorsitzenden der SPÖ Kärnten gewählt.
- Im Interview räumt Fellner Fehler beim Umgang mit dem Asylthema ein und betont, dass die Sorgen und Ängste der Bevölkerung zu wenig berücksichtigt wurden.
- Er kritisiert, dass es in der Integrationspolitik keine klar definierten Regeln gibt und sieht Nachholbedarf bei der Orientierung für Zuwanderer.
- Fellner hebt hervor, dass die SPÖ wieder stärker auf die Interessen der Arbeiter eingehen und mehr zuhören müsse, um verlorene Wähler zurückzugewinnen.
- In Kärnten gibt es aktuell weniger als 2.000 Asylanträge, und Fellner sieht die Zusammenarbeit mit der ÖVP weiterhin als funktionierend an.