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Kein Fortschritt im Patentstreit über Corona-Impfstoffe

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Im Streit über Patente auf Corona-Impfstoffe haben Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) zum achten Mal erfolglos verhandelt. Mehr als 100 Länder wollen die Patente aussetzen, damit mehr Firmen in mehr Ländern Impfstoffe herstellen können. Länder mit Pharmaindustrie sowie die Industrie blockieren das bisher. Auch am Mittwoch gab es bei der achten Diskussionsrunde seit Oktober keine Annäherung, wie am Abend aus Teilnehmerkreisen verlautete.

Die Mitgliedsländer einigten sich lediglich darauf, die Lage Mitte April erneut zu betrachten. Es geht um das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen). Mit diesen und anderen Vereinbarungen will die WTO den freien Handel in geordnete Bahnen regeln. Der TRIPS-Rat tagt auch Donnerstag, aber zu anderen Themen.

Der Botschafter Indiens, das den Vorstoß der Patentaussetzung zusammen mit Südafrika gestartet hat, bedauerte, dass gerade diejenigen Länder gegen eine vorübergehende Aufhebung der Patente seien, die mehr Impfstoff gehortet hätten, als sie brauchten - und die damit zu dem Engpass weltweit beitrügen. Die südafrikanische Botschafterin drängte die Länder vergeblich, "einen Gang höher" zu schalten und lösungsorientiert zu diskutieren, um die Impfstoffproduktion anzukurbeln.

Schweizer Diplomaten argumentierten dagegen, es werde schon alles Menschenmögliche getan, um die Produktion anzukurbeln. Die Patente seien nötig für eine fruchtbare Kooperation zwischen Impfstoff-Entwicklern und -Herstellern. Die EU setzte sich für noch mehr Lizenzverträge zwischen Entwicklern und Herstellern ein. Die USA setzten sich für multilaterale Lösungen ein, ohne näher auf den Streitpunkt Patente einzugehen.

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala hat Exportkontrollen und Regierungen, die im Gerangel um noch mehr Impfdosen die Preise in die Höhe trieben, kritisiert. Vor der Sitzung des TRIPS-Rats forderte sie Hersteller auf, die Fabrikation in Entwicklungsländern anzukurbeln. Bei einem Treffen von Pharmavertretern und UN-Organisationen zur Lösung der Impfstoffengpässe hieß es am Dienstag, es fehle an vielem: etwa Bioreaktorbeuteln für Zellkulturen, fötalem Kälberserum als Medium für Zellkulturen, Glasfläschchen und Nanopartikeln, in die manche Impfstoffe eingelagert werden müssen.

Die Regierungen mit Pharmaindustrie und Unternehmen argumentieren, die Aufhebung der Patente bringe nicht mehr Impfstoff. Sämtliche qualifizierten Hersteller seien bereits mit Lizenzen in die Fabrikation eingebunden. Der indische Botschafters sagte dagegen im TRIPS-Rat, es gebe noch ungenutzte Produktionskapazitäten. Der Bau neuer Fabriken braucht nach Angaben der Pharmaindustrie Jahre. Laut Okonjo-Iweala dauert es aber nur sechs bis sieben Monate, ältere Fabriken so umzubauen und Qualität und Sicherheit zu garantieren, dass die Produktion der neuen Impfstoffe möglich wäre.

Anlässlich des ersten Jahrestages der SARS-CoV-2-Pandemie-Ausrufung durch die WHO startete am Donnerstag auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International einen Aufruf für globale Impfstoffgerechtigkeit. Mit der Kampagne "Eine faire Dosis" forderte sie die Regierungen sowie die Pharmaunternehmen wie Astrazeneca, Pfizer, Biontech und Moderna auf, ihr Know-How und die Technologien zu teilen, "sodass lebensrettende Impfstoffe auf der ganzen Welt rascher produziert und verteilt werden können".

Die österreichische Plattform "Anders Handeln", ein Verbund aus NGOs und Gewerkschaften, forderte am Mittwoch gemeinsam mit 44 internationalen Organisationen in einem Statement EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die EU-Mitgliedsländer auf, diese Blockade endlich zu beenden. "Die EU muss endlich den Weg für eine weltweite massive Produktion von Impfstoffen, Testmaterial und Medikamenten frei machen", fordert Anders Handeln in einer Aussendung. Das erfordere das Aussetzen von Patentrechten. "Im Moment kauft der globale Norden über die Hälfte der weltweiten Impfstoffe auf." Das sei nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch gefährlich und kurzsichtig. "Die Corona-Pandemie kann nur beendet werden, wenn alle Menschen rasch geimpft werden."

Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen machte Druck: "Die Aufhebung der Monopole einiger Unternehmen würde Impfstoffe, Tests und Behandlungen für mehr Menschen zugänglich machen", sagte der Präsident der Organisation, Christos Christou. Ärzte ohne Grenzen Österreich und Amnesty International forderten auch die österreichische Bundesregierung auf, sich bei der WTO und der EU dafür einzusetzen, die Patente für die Dauer der Pandemie auszusetzen. "Im Zentrum der Pandemiebekämpfung dürfen nicht Profite stehen, sondern die Menschen, ihr Leben und ihre Gesundheit, die jeden Tag am Spiel steht", sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, am Dienstag.

In Wien protestierte die globalisierungskritische Organisation Attac bereits am Dienstag vor dem Bundeskanzleramt. Die Bundesregierung wurde dabei aufgefordert, dem Aussetzen der Patentrechte in der WTO endlich zuzustimmen. "Patentrechte verhindern, dass Menschen auf der ganzen Welt rasch mit notwendigen und leistbaren Medikamenten, Impfstoffen und medizinischen Produkten versorgt werden können", kritisiert Attac.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Streit über Patente auf Corona-Impfstoffe haben Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation (WTO) zum achten Mal erfolglos verhandelt.
  • Mehr als 100 Länder wollen die Patente aussetzen, damit mehr Firmen in mehr Ländern Impfstoffe herstellen können.
  • Die Regierungen mit Pharmaindustrie und Unternehmen argumentieren, die Aufhebung der Patente bringe nicht mehr Impfstoff.
  • Der Bau neuer Fabriken braucht nach Angaben der Pharmaindustrie Jahre.

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