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Nehammer kritisiert EU-Asylsystem, aber lobt umstrittenen Tunesien-Deal

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kritisierte in einem neuen Interview das Asylsystem der EU scharf, fand jedoch positive Worte für das umstrittene Migrationsabkommen mit Tunesien. Laut Experten ist dieser Deal jedoch nicht zielführend.

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" sprach sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gegen die Asylpolitik der Europäischen Union aus. "Das Asylsystem der EU ist seit Jahren kaputt. Brüssel hat viel zu lange gebraucht, um ideologische Barrieren abzubauen", sagte er darin. 

Er forderte erneut schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen sowie schnelle Rückführungen mithilfe von Abkommen mit Drittstaaten. Dabei hebt er ein entsprechendes Abkommen mit Tunesien hervor, genauso wie Pilotprojekte in Rumänien und Bulgarien für schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen. Sie seien "wegweisend".

Tunesien-Deal "gescheitert"

Im Juli schloss die EU ein Abkommen mit Tunesien, um illegale Migration über das Mittelmeer zu stoppen. Im Gegenzug für Finanzhilfen soll Tunesien künftig stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen. Doch dieses Abkommen sei "in jeder Hinsicht" gescheitert, erklärte Migrationsforscher Gerald Knaus erst am Freitag im Newsroom LIVE.

Seit Unterzeichnung der Absichtserklärung am 16. Juli habe sich die Zahl der Menschen, die über das Meer kommen, "drastisch erhöht". Allein im letzten Monat könnten es 30.000 gewesen sein, so Knaus.

Nehammer gegen Aufnahme von Frauen und Kindern

In dem Interview erklärte Nehammer auch, dass auch Frauen und Kindern nicht von schnellen Asylverfahren ausgenommen sein sollen. Solche schnellen Asylverfahren richten sich an ankommende Personen, die wenig Chancen auf Asyl haben.

Sollte es solche Ausnahmen für Frauen und Kinder geben, befürchtet Nehammer, "dass künftig insbesondere Frauen mit Kindern von ihren Verwandten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer geschickt und skrupellosen Schleppern hilflos ausgeliefert werden. Eine solche Ausnahmeregelung wäre praktisch eine Einladung für Frauen mit Kindern, die illegale Migration nach Europa zu wagen – und im Falle einer Schutzgewährung die gesamte Familie nachzuholen."

Deswegen würde Österreich "einer Ausnahmeregelung für Frauen mit Kindern in dieser Form nicht zustimmen", so der Kanzler.

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kritisierte in einem neuen Interview das Asylsystem der EU scharf, fand jedoch positive Worte für das umstrittene Migrationsabkommen mit Tunesien.
  • Laut Experten ist dieser Deal jedoch nicht zielführend.