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Moskau griff türkisches Schiff mit ukrainischem Speiseöl an

Heute, 06:44 · Lesedauer 5 min

Russland hat nach ukrainischen Angaben erneut ein türkisches Handelsschiff im Schwarzen Meer angegriffen. Russland habe einen "gezielten Drohnenangriff" auf das türkische Schiff "Viva" geflogen, "das mit Sonnenblumenöl beladen auf dem Weg nach Ägypten war", teilte die ukrainische Marine am Samstag mit. Die Ukraine wiederum löste unterdessen mit einem Drohnenangriff im russischen Gebiet Wolgograd einen Großbrand in dem Öldepot der Stadt Urjupinsk aus.

Die elf Besatzungsmitglieder des von russischen Drohnen attackierten Handelsschiffs blieben laut ukrainischer Marine unverletzt und konnten die Fahrt fortsetzen. Die Marine veröffentlichte ein Video, das ein beschädigtes Schiff mit Wasser an Deck und den mutmaßlichen Motor einer Drohne zeigt. Das Schiff befand sich den ukrainischen Angaben zufolge in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Ukraine und nutzte einen Korridor an der ukrainischen Küste, der eigentlich den sicheren Transport von Agrarprodukten über das Schwarze Meer gewährleisten soll.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den Angriff. Er sprach in einer Videobotschaft von einem "Angriff auf die Ernährungssicherheit". Mit Angriffen auf Schiffe, "die nichts mit dem Krieg zu tun haben", fordere Russland "die ganze Welt" heraus. "Wir werden mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um zu entscheiden, wie wir darauf reagieren. Es wird eine Reaktion geben", fügte Selenskyj hinzu.

Bereits am Freitag war nach ukrainischen Angaben ein türkisches Schiff kurz nach dem Anlegen im ukrainischen Schwarzmeerhafen Tschornomorsk bei einem russischen Raketenangriff in Brand geraten. Der im Krieg zwischen Kiew und Moskau vermittelnde, türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte bei einem Gespräch mit Kreml-Herren Wladimir Putin am Rande eines Gipfeltreffens in Turkmenistan eine Waffenruhe für Energieanlagen und Häfen.

Die Türkei hatte bereits zuvor Angriffe auf Schiffe im Schwarzen Meer kritisiert. Auch die Ukraine griff dort Schiffe an - nach Angaben aus Kiew zielten die Attacken auf Öltanker der russischen Schattenflotte zur Umgehung der internationalen Sanktionen gegen Moskau.

Hunderttausende Familien in der Ukraine ohne Strom

In der Ukraine sind infolge russischer Drohnen- und Raketenangriffe nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj noch immer Hunderttausende Familien ohne Strom. "Die Lage ist nach wie vor schwierig", teilte Selenskyj bei Telegram mit. Betroffen von den Stromausfällen seien die Regionen Mykolajiw, Odessa, Cherson, Tschernihiw, Donezk, Sumy und Dnipropetrowsk. In der Nacht auf Sonntag habe es erneut russische Angriffe gegeben. "Es gibt Verletzte", sagte Selenskyj. Die Arbeiten auch an der Wiederherstellung der Wärme- und Wasserversorgungen liefen.

Vor den in Berlin für heute geplanten Verhandlungen mit US-Vertretern und Europäern über eine Beendigung des Krieges warf Selenskyj Moskau vor, den Ukrainern, "so viel Schaden wie möglich zufügen" zu wollen. "Insgesamt haben die Russen in dieser Woche mehr als 1.500 Angriffsdrohnen, fast 900 gelenkte Flugbomben und 46 Raketen verschiedener Typen auf die Ukraine abgefeuert. In nur einer Woche", sagte er. Dazu veröffentlichte er erneut ein Video von den Bränden und schweren Schäden dieser Angriffe.

Die russischen Truppen nahmen unterdessen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau eine weitere Ortschaft im Osten der Ukraine ein. Das Dorf Warwariwka in der Region Saporischschja sei unter Kontrolle, teilt das Ministerium mit. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Angaben zum Kampfgeschehen nicht.

Ukraine nimmt russische Ölindustrie ins Visier

Das ukrainische Militär hat unerdessen nach eigenen Angaben Anlagen der Ölindustrie in Russland angegriffen. Die Raffinerie Afipski in der Oblast Krasnodar und ein Öllager in der Oblast Wolgograd seien beschossen worden, teilte der Generalstab in Kiew am Sonntag mit. Ukrainische Truppen hätten zudem mehrere militärische Ziele in den von Russland besetzten Gebieten in den ukrainischen Regionen Donezk und Saporischschja sowie auf der bereits 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim angegriffen.

Der ukrainische Drohnenangriff im russischen Gebiet Wolgograd löste einen Großbrand in dem Öldepot der Stadt Urjupinsk aus. Gouverneur Andrej Botscharow teilte am Sonntag in der Früh mit, dass benachbarte Häuser evakuiert worden seien. "Nach vorläufigen Angaben wurde niemand verletzt." Nach Botscharows Darstellung lösten Trümmer abgeschossener Drohnen den Brand aus.

In der russischen Stadt Jaroslawl wurde laut Berichten in Sozialen Netzwerken eine Ölraffinerie angegriffen. Eine offizielle Stellungnahme von den Behörden gab es zunächst nicht. Im Gebiet Krasnodar bestätigten die Behörden einen Drohnenangriff auf das Dorf Afipski. Bewohner meldeten Explosionen an einer Ölraffinerie.

Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht auf Sonntag 235 ukrainische Drohnen abgefangen. Mindestens zehn russische Flughäfen, darunter in Moskau und Sankt Petersburg, haben der Luftfahrtbehörde zufolge nachts vorübergehende Flugbeschränkungen verhängt. Russland teilt nur mit, wie viele feindliche Drohnen sein Militär abgefangen hat, nicht wie viele Drohnen der ukrainischen Streitkräfte insgesamt entdeckt wurden oder ihre Ziele getroffen haben.

Russische Angriffe weit zerstörerischer als ukrainische

Die Folgen der Kiewer Attacken stehen in keinem Verhältnis zu den massiven Verwüstungen durch die russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Die Ukraine will mit diesen Gegenangriffen im russischen Angriffskrieg auch Stärke demonstrieren.

Zusammenfassung
  • Russland griff laut ukrainischen Angaben mit einer Drohne das türkische Handelsschiff "Viva" an, das mit Sonnenblumenöl beladen auf dem Weg nach Ägypten war.
  • Die elf Besatzungsmitglieder des Schiffs blieben unverletzt und konnten die Fahrt fortsetzen, obwohl das Schiff beschädigt wurde.
  • Präsident Selenskyj verurteilte den Angriff als "Angriff auf die Ernährungssicherheit" und kündigte eine Reaktion gemeinsam mit internationalen Partnern an.
  • In der Ukraine sind nach russischen Drohnen- und Raketenangriffen weiterhin Hunderttausende Familien ohne Strom, betroffen sind zahlreiche Regionen.
  • Allein in einer Woche wurden laut Selenskyj über 1.500 russische Angriffsdrohnen, fast 900 gelenkte Flugbomben und 46 Raketen auf die Ukraine abgefeuert.