Mehr Arbeit von Teilzeitkräften als Hebel gegen Pflegekrise
Für die Studie wurden im Sommer 2024 rund 400 Teilzeit-Pflegekräfte der Caritas befragt, von der diplomierten Krankenpflege bis zur Heimhilfe. 34 Prozent gaben dabei an, dass sie gerne länger arbeiten würden, es die derzeitigen Rahmenbedingungen aber nicht zulassen. 12 Prozent würden schon jetzt auf jeden Fall gerne mehr Stunden arbeiten, sind bisher aber am Arbeitgeber gescheitert. Im Median würde die Gruppe, die über eine Aufstockung nachdenkt, fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten.
Allein für die Caritas, einen der größten Pflege-Anbieter des Landes, würde das ein Potenzial von 85 zusätzlichen Vollzeitäquivalenten bedeuten, rechnete Gerhard Müller vom Institut für Pflegewissenschaft der UMIT Tirol am Mittwoch bei einer Pressekonferenz vor. Hochgerechnet auf alle Teilzeit-Pflegekräfte in Österreich wären es 3.192 Vollzeitäquivalente zusätzlich. Das sei aber "die unterste Grenze", so Müller, der insgesamt von einem Potenzial im Stundenumfang von bis zu 4.000 Vollzeitkräften ausgeht. Am höchsten ist die Bereitschaft bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Kindern, Älteren und jenen, die durch längeres Arbeiten keine negativen Folgen für ihre Gesundheit befürchten.
Auch wenn nicht alle 34 Prozent mit der Bereitschaft zur Mehrarbeit tatsächlich Stunden aufstocken würden und Faktoren wie Fluktuation oder steigender Pflegebedarf in der Studie nicht berücksichtigt werden konnten, gebe es hier "ein Riesenpotenzial" in den Institutionen, so Müller. Um dieses auch heben zu können, müssten laut Studie allerdings zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Respekt und Wertschätzung durch die Vorgesetzten und bessere Rahmenbedingungen.
Besonders häufig genannt wurden hier faire Bezahlung durch ein höheres Grundgehalt und höhere Sonderzahlungen beim Einspringen, verbindliche Dienstpläne und mehr Zeit für die tatsächliche Pflege und Betreuung. Diese Verbesserungen wären aus Müllers Sicht durchaus leistbar, etwa durch Schulung der Führungskräfte und Anpassungen der Gehaltssysteme - "aber nicht von den Institutionen alleine".
Die Träger hätten bereits viele Maßnahmen gesetzt, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu machen, betonte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler. Allerdings sei "das Korsett sehr eng". So könnten die Träger keine bessere Bezahlung anbieten, solange sie nicht mehr Geld bekommen. In manchen Bundesländern etwa würden derzeit nur die Kollektivvertragserhöhungen finanziert, nicht aber die Biennalsprünge. Auch bei Themen wie mangelnder Dienstplansicherheit oder Unterbesetzung seien ihnen wegen starrer Vorgaben die Hände gebunden.
Zusätzliche Investitionen notwendig
Mit mehr Arbeitsstunden von Teilzeitkräften alleine könne der Personalbedarf nicht gedeckt werden, betonte Müller. Für Tödtling-Musenbichler wären diese allerdings eine rasche Maßnahme gegen Personalmangel "ohne zusätzliche Ausbildung, ohne zusätzliches Recruiting und vor allem ohne langwierige Einschulungen".
Für die notwendigen Verbesserungen seien die Träger allerdings auf Maßnahmen von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern angewiesen, betonte Caritas-Wien-Direktor Klaus Schwertner. Hier werde man trotz der schwierigen Budgetsituation auch nicht um zusätzliche Investitionen herumkommen.
"Wertschätzung zeigt sich nicht in Sonntagsreden, sondern in guten Arbeitsbedingungen", betonte Tödtling-Musenbichler. Nötig wären vor allem österreichweit einheitliche Standards bei Qualität, Versorgung und Finanzierung und Personalschlüssel, mit denen Flexibilität möglich ist und Dienstpläne auch halten. Die Bezahlung müsse fair sein und Expertise honoriert werden - auch in der Langzeitpflege. Damit Mehrarbeit sich lohnt, müsse der Pflegebonus steuerbefreit werden. Ein Digitalisierungsfonds würde dabei helfen, dass die Pflegekräfte weniger Zeit mit Bürokratie verbringen müssen. Außerdem bräuchte es auch mehr Angebot an Kinderbetreuung, das mit den Arbeitszeiten von Pflegekräften vereinbar ist.
Dass Pflegekräfte - die meisten davon sind Frauen - heute oft in Teilzeit arbeiten, sei übrigens weder Luxus noch Bequemlichkeit, sondern eben oft "ein Arrangement mit schlechten Rahmenbedingungen". Die Ergebnisse sollen auch in Gesprächen mit der Politik Thema sein. "Gerade beim Digitalisierungsfonds hoffen wir auf eine rasche Umsetzung."
Zusammenfassung
- Österreich braucht jährlich 2.000 bis 3.000 zusätzliche Pflegefachkräfte, eine aktuelle Studie der Caritas zeigt ein Potenzial von bis zu 4.000 zusätzlichen Kräften durch Aufstockung der Arbeitsstunden von Teilzeitbeschäftigten.
- Als wichtigste Voraussetzungen für Mehrarbeit werden faire Bezahlung, verlässliche Dienstpläne, mehr Zeit für Pflege sowie Investitionen von Bund und Ländern genannt, da die Träger diese Verbesserungen nicht allein stemmen können.