APA/ROLAND SCHLAGER

Kocher: Kollektivverträge Hemmschuh für ältere Arbeitnehmer

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Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die GPA und Opposition gegen sich aufgebracht. In einem Interview machte er den Vorschlag, in Kollektivverträge einzugreifen und "bei der Seniorität abzuflachen" - also älteren Arbeitnehmern Vordienstzeiten nicht mehr voll anzurechnen. Durch die niedrigeren Löhne würden sie eher angestellt, so die Überlegung.

In der "Kurier"-Reihe "Frag den Minister" meinte Kocher, angesprochen auf die Berufschancen für ältere Menschen mit Beeinträchtigung, dass diese es "schwerer haben", was auch an den Kollektivverträgen liege, die Ältere teurer machten. "Das ist aus meiner Sicht der größte Hemmschuh, darum müssen wir bei den Kollektivverträgen, wo es das noch gibt, etwas bei der Seniorität abflachen", so Kocher.

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, reagierte darauf heute verärgert: "Von einem Arbeitsminister könnte man erwarten, dass er die Anwendung von Kollektivverträgen versteht. Bei Neueinstellungen wird nur eine bestimmte Anzahl von Vordienstzeiten angerechnet, unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer 35 oder 55 ist. Der Minister soll lieber seine Hausaufgaben im eigenen Haus machen, anstatt uns Gewerkschaften auszurichten, wie Lohnpolitik zu machen ist."

Weiters meinte die Arbeitnehmervertreterin in einer Aussendung: "Arbeitsminister Kocher soll sich nicht billig an Kollektivverträgen abputzen, die er anscheinend nicht versteht. Einen zu hohen Verdienst für die Arbeitslosigkeit älterer Behinderter verantwortlich zu machen, ist zynisch. Er soll endlich in die Gänge kommen und für Menschen mit Behinderung und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Arbeitsmarktchancen erhöhen."

"Wichtigkeit von Kollektivverträgen nicht verstanden"

Sie sieht Kocher in der Pflicht. "Wenn der Minister etwas für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt tun will, dann gibt es genug Möglichkeiten. Er könnte etwa die Ausgleichstaxe im Behinderteneinstellungsgesetz erhöhen, sodass es für Unternehmen unattraktiver, sich mittels Strafe der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu entziehen", richtete die Gewerkschafterin dem Arbeitsminister aus.

Unterstützung bekam Teiber von Kollegin Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des ÖGB. "Wer Kollektivverträge als 'Hemmschuh' im Kampf gegen Arbeitslosigkeit bezeichnet, der hat die Anwendung und Wichtigkeit von Kollektivverträgen nicht verstanden", hielt sie fest.

Auch SPÖ und FPÖ empört

Kritik erntete Kocher heute auch von der SPÖ-Parteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, die die Aussagen des Ministers als "völlig jenseitig" bezeichnete. Dies zeige, "was passieren könnte, wenn Lohnpolitik nicht von den Gewerkschaften gemacht wird". Der früheren Forderung ihres parteiinternen Konkurrenten, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, nach einem gesetzlichen Mindestlohn erteilte die Parteichefin eine "klare Absage".

Den Gewerkschaften streute die Parteichefin hingegen Rosen für den gestrigen Lohnabschluss mit dem Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). "Das Ergebnis für die Elektroindustrie zeigt einmal mehr: Die Löhne sind bei den Gewerkschaften in guten Händen", so Rendi-Wagner. Sie betonte: "Die SPÖ steht Seite an Seite mit der Gewerkschaft und kämpft gemeinsam für die Arbeitnehmer:innen."

FPÖ-Behindertensprecher Christian Ragger übte ebenfalls Kritik an Kocher: "Zu behaupten, dass ein Kollektivvertrag, der eigentlich für die Arbeitnehmer im Land eine große Errungenschaft ist, 'ein Hemmnis für die Arbeitsplatzfindung für ältere Menschen mit Behinderung sei', ist ein absolutes Unding und zeigt, welch Geistes Kinder die ÖVP-Politiker eigentlich sind."

ÖVP-Staatssekretärin Plakolm springt Kocher bei

Unterstützung für Kocher kam dafür von Parteikollegin und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. "Es braucht höhere Gehälter zu Beginn des Erwerbslebens, die dafür weniger steil ansteigen. Das ist ein wichtiger Leistungsanreiz für junge Menschen, wenn sie mit dem ersten Eigenheim und der Familiengründung vor den großen Investitionen ihres Lebens stehen", meinte sie.

Angesprochen darauf, dass Personen aus dem Ausland oft unter ihrer Qualifikation beschäftigt sind, meinte Kocher in der "Kurier"-Veranstaltungsreihe, "dass es immer auch eine Aufgabe der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist, zu schauen, dass sich jemand parallel zu seiner Arbeit auch weiterbilden kann". Und er appellierte an die Eigenverantwortung. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass die Politik alle Probleme am Arbeitsmarkt lösen kann. Wir müssen das gemeinsam mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern machen", so der Minister.

Gegen Abschiebung von integrierten Familien

Dass wie jüngst in Oberösterreich eine Familie abgeschoben wird, obwohl diese in Mangelberufen arbeitete, möchte Kocher künftig verhindern. "Ja, natürlich. Das ist das Ziel, das wir mit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte verfolgen - qualifizierten Zuzug besser zu ermöglichen", erklärte Kocher.

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Bei der Steuerpolitik und dessen Auswirkungen auf die Arbeitszeit sieht der Arbeitsminister offensichtlich noch Verbesserungsbedarf. "Viele Beschäftigte bleiben in der Teilzeit, weil es sich auf den ersten Blick nicht auszahlt, weil die Besteuerung hoch ist, weil die Lohnnebenkosten hoch sind", meinte Kocher, merkte gleichzeitig aber auch an, dass "auch einige Unternehmen mehr Vollzeitstellen anbieten müssen".

ribbon Zusammenfassung
  • Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat die GPA und Opposition gegen sich aufgebracht.
  • In einem Interview machte er den Vorschlag, in Kollektivverträge einzugreifen und "bei der Seniorität abzuflachen" - also älteren Arbeitnehmern Vordienstzeiten nicht mehr voll anzurechnen.
  • Durch die niedrigeren Löhne würden sie eher angestellt, so die Überlegung.