Johanna Mikl-Leitner und Gottfried WaldhäuslAPA/NLK BURCHHART

Liederbuch, Rassismus, Stacheldraht: Schwarz-Blau lässt Wogen hochgehen

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Nun ist es also fix. ÖVP und FPÖ einigten sich in Niederösterreich rasch auf ein Arbeitsübereinkommen. Das Vorgehen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sorgt für massive Kritik. Denn die Blauen, vor allem die in Niederösterreich, fielen immer wieder durch ihre weit rechte Schlagseite auf. Doch selbst manch FPÖler scheint enttäuscht zu sein.

Johanna Mikl-Leitner würde es zwar gerne so darstellen, als wäre ihr keine andere Wahl geblieben. Die SPÖ hätte zu viel gefordert. Doch fand sie mit der FPÖ schnell zusammen.

Rasch einigte man sich auf ein Arbeitsübereinkommen. Mit der FPÖ hätte man inhaltlich mehr Gemeinsamkeiten, die Zusammenarbeit funktioniere besser, gab die Landeshauptfrau zu. Und das obwohl Udo Landbauer und seine Landes-FPÖ im Wahlkampf scharf gegen Mikl-Leitner schossen und sie nur indirekt ins Amt heben werden. 

Mikl-Leitner sieht über vieles hinweg, wenn sie diesen Pakt eingeht. Auch über die zahlreichen Skandale, von denen die FPÖ-Niederösterreich stets begleitet wird. Seien es die verbreiteten Unwahrheiten über Corona, die rassistische Beleidigung einer Schülerin, Asylwerber hinter Stacheldraht oder ein antisemitisches Liederbuch. Schwarz-Blau stößt deshalb auf massiven Widerstand. 

Um die Landtagswahl 2018 dominierte die Affäre um NS-Gedankengut im Liederbuch der Burschenschaft von Spitzenkandidat Udo Landbauer die Schlagzeilen. "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million", war darin zu lesen. Später wurde Ex-Klubchef Martin Huber wegen Wiederbetätigung verurteilt.

Waldhäusl dürfte Landesrat bleiben

Landesrat Gottfried Waldhäusl steht ohnehin fast im Monatstakt wegen diverser Sager in der Kritik. Unter anderem stand er  in Zusammenhang mit der Verlegung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in eine mit Stacheldraht begrenzte Asylunterkunft wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht. Davon wurde er erstinstanzlich freigesprochen. Vor wenigen Wochen beleidigte er auf PULS 24 eine Schülerin rassistisch. Ohne sie wäre Wien noch Wien, meinte er da. Er dürfte Landesrat bleiben.

Udo Landbauer sprach noch während die Verhandlungen mit der ÖVP von etwaigen Corona-Opfern - und meinte nicht die Kranken oder Toten - und von etwaigen Impf-Schäden. Mikl-Leitner kam auf ihn zu: Die Impfpflicht sei ein Fehler gewesen. 

Bereits am Mittwoch hatten sich mehrere niederösterreichische Künstler und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, deshalb gegen Schwarz-Blau ausgesprochen. Am Donnerstag zeigte sich der Verein "Willkommen – zum Finden einer neuen Heimat" in einem offenen Brief gemeinsam mit acht weiteren Organisationen besorgt um die Demokratie in Niederösterreich. 

Protest geplant

Am Tag der konstituierenden Landtagssitzung, am kommenden Donnerstag, plant SOS Mitmensch von 8 bis 9.30 Uhr eine Protestaktion vor dem Landhaus in St. Pölten. "Wir sehen nicht schweigend zu, wie ideologische Rechtsextremisten und Rassisten mit weitreichender Macht ausgestattet werden", teilte die Menschenrechtsorganisation mit. 

"Hitlergrußzeiger, Klimaleugner, Kunstfeinde, Hetzer"

Nachdem am Freitag beide Parteigremien der Zusammenarbeit zustimmten, kochten die Emotionen weiter hoch. "ÖVP und FPÖ finden in Niederösterreich im Rekordtempo zueinander. Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze", teilte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner via Twitter mit. Die Freiheitlichen dürfen "kein Partner für die Sozialdemokratie" sein, betonte sie. 

Der rote Klubobmann in Niederösterreich, Hannes Weniniger, sieht in der Vereinbarung "kein Renommee" für das Bundesland. "Die ÖVP hat mit Landbauer, Waldhäusl und Co. handzahme Bettvorleger für den Erhalt ihres absolutistischen Machtanspruches gefunden", befand er in einer Aussendung.  Die SPÖ, die bis zur Vorwoche selbst längere Zeit mit der ÖVP vergebens ein Übereinkommen verhandelt hat, werde nun im Landtag "Punkt für Punkt Mehrheiten für ein soziales und demokratisches Niederösterreich suchen".

Volkspartei und Freiheitlichen gehe es um Machtverliebtheit, befand auch die Grüne-Landesparteichefin Helga Krismer. Unter diesen Vorzeichen könnten die Grünen Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht zur Landeshauptfrau wählen, wurde in einer Aussendung angekündigt. "Wer auf die Idee kommt, mit Klimaleugnern, Wissenschaftsverweigerern, Kunstfeinden und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren", meinte Krismer über die Obfrau der Volkspartei Niederösterreich.

"Lieber mit einer Partei mit rassistischen Funktionären koalieren als Gratiskindergarten ganztags und ein paar andere Punkte zusagen, die weder demokratiegefährdend noch menschenverachtend sind", kommentierte Stephanie Krisper von der NEOS auf Twitter.

FPÖ-interne Kritik

Kritik hagelte es aber nicht nur von links. Nicht alle FPÖ-Wähler:innen scheinen mit der Entscheidung Landbauers einverstanden zu sein, wie auf dessen Facebook-Seite zu erkennen ist.

"Herr Landbauer hat im Wahlkampf immer gesagt das Frau Mickl-Leitner nichts kann, und jetzt macht er genau sie zur Landeshauptfrau! Man kann auch den FPÖ-Politikern nicht glauben!", kommentiert ihm da etwa ein User unter einen Beitrag. "Koalition mit der ÖVP ist Betrug am FPÖ Wähler!!!", kritisiert ein anderer. "So ZERSTÖRT Ihr die FREIHEILICHE FAMILIE. Wähler werden wir wieder verlieren!!! Dem Wähler im Wort hat es immer geheißen. !!", echauffiert sich eine Frau. 

Das Arbeitsübereinkommen startet nicht unter guten Sternen.

ribbon Zusammenfassung
  • Nun ist es also fix. ÖVP und FPÖ einigten sich in Niederösterreich rasch auf ein Arbeitsübereinkommen.
  • Das Vorgehen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sorgt für massive Kritik.
  • Denn die Blauen, vor allem die in Niederösterreich, fielen immer wieder durch ihre weit rechte Schlagseite auf.
  • Doch selbst manch FPÖler scheint enttäuscht zu sein.

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