KPÖ-Bürgermeisterin Kahr gefällt Preisregulierungs-Gedanke
Zur aktuellen Debatte um Teuerung, Inflation und die Auswirkungen auf die Preise vor allem von Grundnahrungsmitteln sagte die Grazer Bürgermeisterin im APA-Sommergespräch, bei der Teuerung stießen viele Menschen trotz etwa zweier Jobs an ihre Grenzen, bei den Wohnkosten und beim täglichen Einkauf. "Ihr Spielraum wird immer kleiner", so Kahr. Der Vorstoß von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) zu Preisregelungen habe ihr gefallen, auch wenn er dies rasch wieder relativiert habe.
Die KPÖ habe Regulierung schon lange gefordert. Der Staat habe die Verpflichtung und das Recht, für sichere Lebensumstände zu sorgen. "Essen, trinken und wohnen muss man." So sei als Mittel gegen die Teuerung auch eine Senkung der Mehrwertsteuer auf gewisse Lebensmittel zu befürworten. Dies sei aber dahingehend problematisch, weil dann ja der Staat wieder Kompensation brauche. Da mache er dann auch nicht Halt vor den unteren Einkommen.
Zu ihrem Politikstil befragt sagte die Kommunistin: "Ich muss immer auf Lösungen und Verbesserungen schauen." Vertrauen sei die absolute Währung in der Politik. Man müsse nach einer Legislaturperiode die Partei und ihre Personen wiedererkennen: "Die Frage ist immer: Erkennt man uns noch nach fünf Jahren?" In Graz sei in dieser Legislaturperiode in der Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ - gewählt wird wieder im September 2026 - viel Gutes für die Menschen geschehen - etwa die Fertigstellung der Küche Graz, die für Herbst angepeilte Eröffnung der Innenstadtentlastung bei Tramlinien, die Beschaffung neuer Straßenbahnen, beim sozialen Wohnbau - letzterer helfe vielen, die die Mietkosten bisher "nicht mehr derheben" konnten.
Zur Graz-Wahl 2026 befragt meinte Kahr, sie wiederhole sich, wenn sie sage: "Bekommen wir keine Zustimmung für die Rolle als Bürgermeisterpartei und Spitzenkandidatin, dann gibt es auch keine Funktion mehr für mich." Eine Zusammenarbeit schließe sie mit keiner Partei aus, außer mit der FPÖ. Aber diese Frage sei rein rhetorisch, denn ÖVP und FPÖ sagten ja stets, sie würden nicht mit den Kommunisten koalieren. Es gehe jedenfalls darum, Graz als Gegenmodell zum blau-schwarz-regierten Land zu haben.
Stadt-Land-Diskrepanzen
Ob sie bei einem Wahlsieg als Bürgermeisterin durchdienen wolle? "Es wäre unseriös, das jetzt zu sagen. Es hängt ja schließlich auch von der Gesundheit ab. Ein Job als Bürgermeisterin geht nur mit außerordentlichem Engagement, auch um individuell auf die Menschen zuzugehen. Da muss man hundertprozentig fit sein", sagte die Politikerin, die am 2. November ihren 64. Geburtstag feiert. Über die vergangenen vier Jahre habe man jedenfalls "Verstärkung" bekommen: Die Zahl der Parteimitglieder ist in der aktuellen Legislaturperiode im Vergleich zur vergangenen gestiegen. Man halte nun bei 362 nach 290 Personen.
Als ein wenig prekär schätzte Kahr generell das Verhältnis zwischen Stadt Graz und dem Land Steiermark ein, nicht nur bei der Beteiligung an notwendigen Finanzierungen. "Wobei man fairerweise sagen muss, dass das auch schon unter meinem Vorgänger, ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl so gewesen ist." Damals stand der ÖVP-geführten Rathauskoalition eine schwarz-rote Koalition auf Landesebene gegenüber.
Kürzungen machten ja auch vor der Landeshauptstadt nicht halt, etwa bei der Auflassung des Erstaufnahmecenters für Ukrainer. Es kämen nach wie vor Menschen aus der Ukraine in Graz und der Steiermark, die könne man nicht auf der Straße stehen lassen, bis die Landes- und Bundeshilfe greife, sagte Kahr. Man schaue, dass man sie unterbringe, obwohl dies nicht in erster Linie die Zuständigkeit der Stadt sei. Diesbezüglich gebe es ein Treffen am Montag zwischen Jugendamt, der Politik und dem Sozialamt.
"Wir sind für eine absolute Neutralitätspolitik"
Auf die internationalen Entwicklungen hin befragt und ob die Neutralität Österreichs noch aktuell sei, meinte die KPÖ-Politikerin: "Wir sind für eine absolute Neutralitätspolitik." Eine militärische Bedrohung für Österreich sehe sie nicht. Österreich müsse ein Ort des Zusammenführens sein. "Wir geben viel zu rasch den Reflexen auf die Geschehnisse auf der großen Weltbühne nach." Wie sie zur Aufgabe der Neutralität durch Schweden und Finnland stehe, die nach der russischen Invasion der Ukraine in die NATO gingen? "Bei Schweden verstehe ich es gar nicht, da wurde ein Fehler gemacht. Bei Finnland kann ich die Ängste verstehen." Also keine direkte Bedrohung Österreichs? "Nein, das sehe ich nicht so. Die Menschen sind eher bedroht durch die wirtschaftliche Situation."
Man könne die Weltlage auch nicht losgelöst von den Einflüssen des Neoliberalismus sehen. Die Arbeitslosigkeit steige. Sie sei jedenfalls gegen jede Form der Aufrüstung des Militärs. Es solle "absolut" auch keine Beschaffung von Militärgütern geben, auch wenn heimische Firmen wie Rüstungsunternehmen davon profitieren.
Generell sei sie für Entschleunigung in einer Zeit, in der vieles rasend schnell gehe, etwa technische Entwicklungen oder bei künstlicher Intelligenz, sagte Kahr. Technik habe da schon der Gesellschaft zu dienen. Die Politik müsse die demokratische Debatte unter Einbeziehung von Experten führen, Tech-Konzerne dürften nicht die alleinigen Treiber der Entwicklung sein. "Wobei: Tempo rausnehmen heißt ja nicht Wissensvermittlung zurückschrauben", sagte Kahr.
Lob für Schulgemeinschaft nach Amoktat
Die Bürgermeisterin lobte - auf die Amoktat im Grazer BORG Dreierschützengasse angesprochen, bei der ein Ex-Schüler neun Schüler und eine Lehrerin ermordete und dann sich selbst tötete - die dortige Schulgemeinschaft. Diese sei großartig mit den Geschehnissen und der Belastung umgegangen. Die Solidarität, die schon vorher da gewesen sei, habe zu dem guten Schulklima beigetragen. "Sie haben sich nicht das Nachvorneschauen nehmen lassen." Kahr lobte in diesem Zusammenhang auch die gut eingespielte Kooperation aller Grazer Institutionen und der Einsatzkräfte, aber auch die Unternehmerfamilie List. Diese habe sofort die nahe Listhalle und andere Räumlichkeiten für Schüler und Lehrer zur Verfügung gestellt.
Zur Person: Die im Alter von drei Jahren adoptierte Grazerin Elke Kahr (geb. 2.11.1961) war als Sekretärin in der Kontrollbank beschäftigt, machte nebenbei die Abendhandelsakademie und ist seit über 30 Jahren Parteimitglied. Die Grazerin lebt seit 1988 in einer Lebensgemeinschaft mit dem früheren KPÖ-Landesparteivorsitzenden Franz-Stephan Parteder und hat einen erwachsenen Sohn. In den Gemeinderat zog Kahr 1993 ein, 1998 übernahm sie die Führung im KPÖ-Klub. In den Jahren 2003 bis 2004 war sie stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei. Kahr fungierte als Stadträtin von 2005 bis 2017, hier zuständig für Wohnen, von 2017 bis 2021 für Verkehr. Nach dem KPÖ-Wahlsieg bei der - von ihrem ÖVP-Vorgänger Siegfried Nagl vorverlegten - Gemeinderatswahl vom 26. September 2021 wurde sie erste KPÖ-Bürgermeisterin von Graz - und Österreichs. Ihre ruhige und mitfühlende Art kam besonders im Umgang mit den Betroffenen der Amoktat Anfang Juni im BORG Dreierschützengasse zur Geltung.
(Das Gespräch führte Peter Kolb/APA)
Zusammenfassung
- Die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) unterstützt Preisregulierungen und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel, um die Teuerung abzufedern.
- Kahr betont, dass viele Menschen trotz mehrerer Jobs an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit stoßen, insbesondere bei Wohn- und Lebenskosten.
- Im Hinblick auf die Wahl 2026 lässt Kahr offen, ob sie im Erfolgsfall die gesamte Amtszeit als Bürgermeisterin absolvieren würde, und verweist auf gesundheitliche Aspekte.
- Eine Koalition mit der FPÖ schließt sie aus, während sie mit anderen Parteien offen für Zusammenarbeit ist, um Graz als Gegenmodell zur Landespolitik zu positionieren.
- Die Zahl der KPÖ-Parteimitglieder in Graz ist in der aktuellen Legislaturperiode von 290 auf 362 gestiegen.