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Konstituierende Sitzung des Wiener Gemeinderats

10. Juni 2025 · Lesedauer 6 min

Im Wiener Rathaus hat sich am Dienstag der Gemeinderat neu konstituiert. Auf dem Programm stand die Angelobung der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sowie die Wahl der Mitglieder des Stadtsenats. Anschließend folgte die Regierungserklärung von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Dieser hat nach der Wahl im April wie schon 2020 eine Koalition mit den NEOS geschmiedet. Die Sitzung wurde vom Amoklauf von Graz überschattet, es wurde auch eine Gedenkminute abgehalten.

Es war die erste konstituierende Sitzung seit zehn Jahren, die im historischen Sitzungssaal des Rathauses über die Bühne geht. Nach der Wahl 2020 war man nämlich auf den Festsaal ausgewichen, da dort die damals vorgeschriebenen Corona-Bestimmungen - also etwa die Abstandsregeln - besser eingehalten werden konnten. Am Ablauf hat sich nichts geändert. Damals wie heute wurden zu Beginn die 100 Mandatarinnen und Mandatare angelobt.

Die SPÖ verfügt künftig im Stadtparlament über 43 Sitze (minus 3), die FPÖ 22 (plus 14), die Grünen 15 (minus 1), die NEOS 10 (plus 2) und die ÖVP ebenfalls über 10 (minus 12). Anschließend finden die Wahlen des Bürgermeisters sowie der Vizebürgermeisterinnen statt. Die beiden Vize-Ämter werden weiterhin Kathrin Gaal (SPÖ) und Bettina Emmerling (NEOS) bekleiden. Auch die Stadträtinnen und Stadträte wurden gewählt.

Hier gibt es in Wien eine Besonderheit: Laut Stadtverfassung haben zwar alle im Gemeinderat vertretenen Parteien "nach Maßgabe ihrer Stärke" Anspruch auf Regierungsposten, doch diese sind nicht alle mit Anspruch auf eine Ressortverantwortung verbunden. Die Opposition verfügt nur über "nicht amtsführende" Stadträte. In der Stadtregierung gibt es lediglich einen Neuzugang: Barbara Novak (SPÖ) wird Finanz- und Wirtschaftsstadträtin.

Alle anderen Regierungsmitglieder haben ihre Ämter bereits zuvor bekleidet. Es sind dies neben Gaal (Wohnen und Frauen) und Emmerling (Bildung, Jugend, Integration) die roten Stadträtinnen und Stadträte Ulli Sima (Verkehr, Planung, Stadtwerke), Veronica Kaup-Hasler (Kultur), Peter Hacker (Gesundheit und Soziales) und Jürgen Czernohorszky (Umwelt und Klima).

Die Wahl des Bürgermeisters bzw. der Stadträtinnen und Stadträte erfolgte geheim. Sie zeitigte durchaus unterschiedliche Resultate: Ludwig erhielt 69 Stimmen. Spitzenreiterin war Kathrin Gaal, für die 90 Abgeordnete votierten - also auch der Großteil der Opposition. Kaup-Hasler kam auf 66, Czernohorszky auf 65, Sima auf 62, Hacker auf 60, Novak auf 58 und Emmerling auf 66 Stimmen. Die Stadträtinnen und Stadträte der Opposition konnten zwischen 30 (Dominik Nepp, FPÖ) und 83 Ja-Stimmen (Kasia Greco, ÖVP) für sich verbuchen.

Gedenkminute nach Grazer Amoklauf

Am späten Vormittag wurde die Gemeinderatssitzung aufgrund des mutmaßlichen Amoklaufs an einer Schule in Graz, bei dem es mehrere Tote gegeben hat, kurz unterbrochen. Gemeinderatsvorsitzender Reindl ersuchte die Mandatare angesichts des Ereignisses eine Gedenkminute abzuhalten. Bürgermeister Ludwig ging in seiner anschließenden Regierungserklärung ebenfalls auf die Tat ein: "Ich bin so wie Sie alle sehr betroffen durch den Amoklauf von Graz an einer Schule mit mehreren toten Kindern, die ihr Leben noch vor sich gehabt hätten. Wir sind fassungslos."

Es sei schwierig, zu einer Tagesordnung überzugehen, wenn man vor so einem Ereignis stehe. Der Amoklauf werde für die ganze Gesellschaft eine Zäsur bedeuten. Ludwig kündigte an, dass aus Solidarität mit den Betroffenen das Rathaus schwarz beflaggt wird.

Regierungsprogramm präsentiert

Ludwig gratulierte den Mitgliedern der Stadtregierung und hielt fest: "Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam sehr viel bewegen werden für Wien." Es sei gelungen, den Wahlkampf kurz zu halten. "Es war mir wichtig, noch vor dem Sommer eine tragfähige Stadtregierung zu stellen." Das Ergebnis der Wahl im April habe die Möglichkeit geboten, die Fortschrittskoalition jetzt als Aufschwungskoalition fortzusetzen. "Diese Koalition war nicht eine Entscheidung gegen andere Parteien, sondern es war eine Entscheidung für eine bestehende Koalition." Er hoffe auf gute Zusammenarbeit auch mit den anderen Fraktionen, betonte er.

Der Bürgermeister verwies auf zentrale Punkte des Regierungsprogramms, etwa auf Initiativen zur Weiterentwicklung des Technologiestandorts, auf die Pläne zur Unterstützung des Arbeitsmarkts oder auf angekündigte Verkehrsberuhigungsprojekte. Auch die in dem Papier festgeschriebenen Bemühungen der Stadt, den Song Contest nach 2015 auch im kommenden Jahr nach Wien zu holen, hob er hervor. Er verhehlte weiters nicht, dass alle Bereiche der Stadt budgetär "am Prüfstand" stehen. Er forderte auch erneut, die Abwicklung von Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung in das Arbeitsmarktservice einzugliedern und die Integrationslasten besser auf alle Bundesländer aufzuteilen.

Vizebürgermeister und Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (NEOS) zeigte sich in ihrer Rede ebenfalls zutiefst über die Geschehnisse von Graz betroffen. Schulen müssten Orte der Sicherheit sein und des Vertrauens, hob sie hervor. Dafür werde man in den kommenden Jahr alles geben. Generell, so hielt auch sie fest, sei die wirtschaftliche Situation schwierig und der Spielraum beim Budget gering. Trotzdem solle es etwa eine Personaloffensive in den Kindergärten geben. "Eines wissen wir alle, wir haben viel, viel Arbeit vor uns." Man werde alles tun, um den Aufschwung möglich zu machen, versprach Emmerling.

Opposition nicht zufrieden

"Heute treffen mit Sicherheit zwei Stimmungen in uns allen aufeinander", ging auch der neue ÖVP-Klubobmann Harald Zierfuß zunächst auf den Amoklauf ein. Man starte mit Vorfreude in die neue Periode, gleichzeitig trauere das Land. Das Programm der Stadtregierung sei voller schöner Worte, aber auch voll leerer Versprechen. Er habe sich von SPÖ und NEOS nicht viel erwartet. Die niedrige Latte sei aber locker unterboten worden. Das Programm der "Abwärtskoalition" sei unkonkret, schwammig, oberflächlich und emotionslos. "Es ist ein weiter wie bisher statt echter Reformen", konstatierte er.

Auch Wiens Grünen-Chefin Pühringer drückte zunächst allen Betroffenen in Graz ihre Anteilnahme aus. "Der Horror dieses Amoklaufs erschüttert mich zutiefst." Für Wien versprach sie "klare und konsequente Oppositionsarbeit". Man stehe etwa für leistbares Wohnen oder Klimaschutz. Von der rot-pinken Stadtregierung erwartet sie sich hingegen wenig, wie sie ausführte. "Wir sehen leider eine Verlängerung der blassen und mutlosen Politik der vergangenen fünf Jahre." Es gebe keine echte Budgetkonsolidierungsmaßnahme. Die Regierungsvorhaben stünden auf wackeligen Beinen, warnte Pühringer.

FPÖ-Obmann Dominik Nepp sprach den Angehörigen in Graz zunächst ebenfalls sein Beileid aus. Anschließend übte auch er Kritik an Rot-Pink. Man habe schöne Worte gehört, das Regierungsprogramm sei hoch gelobt worden. Doch schon die frühere Fortschritts- sei Rückschrittskoalition gewesen, die für Sicherheitsprobleme und eine "Teuerungslawine" gesorgt habe. "So eine fade lieblose Antrittsrede, wie sie der Herr Bürgermeister gehalten hat, hab ich noch nie in diesem Haus gehört", ließ er wissen. Die neue Regierung werde eine "Abschwungskoalition" werden, prophezeite auch Nepp.

Auch Landtag wird konstituiert

Ludwig ist Bürgermeister und Landeshauptmann, da Wien zugleich Gemeinde und Bundesland ist. Das hat auch zur Folge, dass am Dienstag nicht nur eine konstituierende Sitzung stattfanden, sondern zwei. Auch der Landtag startet nämlich in die neue Legislaturperiode. Hier stand ebenfalls eine Sitzung auf dem Programm. Neuer Landtagspräsident ist Christian Meidlinger. Der rote Gemeinderat und Gewerkschafter folgte als Landtagspräsident auf Ernst Woller, der in Pension gegangen ist.

Zusammenfassung
  • Im Wiener Rathaus hat sich am Dienstag der Gemeinderat neu konstituiert und 100 Mandatarinnen und Mandatare wurden angelobt.
  • Die SPÖ verfügt künftig über 43 Sitze (minus 3), die FPÖ über 22 (plus 14), Grüne 15 (minus 1), NEOS 10 (plus 2) und die ÖVP ebenfalls über 10 (minus 12).
  • Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wurde mit 69 Stimmen wiedergewählt und setzt die Koalition mit den NEOS fort, während Kathrin Gaal (SPÖ) mit 90 Stimmen Spitzenreiterin war.
  • Die Sitzung wurde vom Amoklauf in Graz mit mehreren Toten überschattet, es gab eine Gedenkminute und das Rathaus wird schwarz beflaggt.
  • Im neuen Regierungsprogramm stehen technologische Initiativen, Arbeitsmarktunterstützung, Verkehrsberuhigung und die Bewerbung für den Song Contest im Fokus, während die Opposition das Programm als unkonkret kritisiert.