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Kommunalwahlen in Teilen Englands

Heute, 03:47 · Lesedauer 4 min

In Teilen Englands sind die Bürger am Donnerstag zu Kommunalwahlen aufgerufen, die als Stimmungstest für die britische Labour-Regierung von Premier Keir Starmer gelten. Mit Spannung wird das Abschneiden der rechtspopulistischen, ausländerfeindlichen Partei Reform UK des Brexit-Frontmannes Nigel Farage erwartet. Sie führt seit Monaten in landesweiten Wählerumfragen. Bangen müssen aber vor allem die konservativen Tories, die mit der richtigen Linie im Umgang mit Farage kämpfen.

1.640 Sitze in 23 Gemeinderäten werden bei der Wahl besetzt, in sechs Städten werden die Bürgermeister neu gewählt. Im nordwestenglischen Bezirk Runcorn and Helsby wird zudem ein Parlamentssitz neu besetzt, nachdem der bisherige Inhaber des Unterhausmandates von der Labour-Partei wegen Körperverletzung verurteilt worden war.

In der Woche der englischen Kommunalwahlen zeigte das Titelblatt des renommierten britischen Magazins "Economist" das großformatige Gesicht von Farage, der mit lässigem Ausdruck durch eine Sonnenbrille blickt. Er schaffte erst im achten Anlauf den Sprung ins Unterhaus. Trotzdem sei er ein "Mann, den Großbritannien nicht ignorieren kann", wie der "Economist" titelt. Doch ist er auch Großbritanniens nächster Premierminister und Totengräber der traditionsreichen Konservativen Partei? Das ist sein erklärtes Ziel, wie er im vergangenen Jahr im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur deutlich machte.

Dass es so kommen könnte, gilt nicht mehr als ausgeschlossen. Und das Ergebnis der Kommunalwahlen könnte sich als Omen erweisen. Und es ist in diesem Fall weniger die Regierungspartei als vor allem die oppositionelle Tory-Partei, die so berühmte Regierungschefs wie Kriegspremier Winston Churchill und die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher hervorgebracht hat, die bangen muss.

Noch unter dem konservativen Premier Boris Johnson errangen die Tories bei den Kommunalwahlen in denselben Bezirken 2021 einen Kantersieg. Befürchtet wird nun, dass sie rund die Hälfte ihrer knapp 1.000 Gemeinderatssitze verlieren werden - viele davon an Farages Partei Reform UK.

Lange konnten die Konservativen Farage auf Abstand halten, der ihnen in verschiedenen Partei-Inkarnationen wie UKIP, der Brexit-Partei und zuletzt Reform UK von rechts Konkurrenz machte. EU-Austritt, Bootsflüchtlinge, der Kampf gegen "wokes" Gedankengut: Worauf auch immer Farage sein Augenmerk legte, waren die Tories bald zur Stelle und machten sich seine Positionen zu eigen.

Doch der Abstand schrumpfte zuletzt deutlich. Mit 25 Prozent liegt sie im Schnitt der jüngsten Umfragen sowohl sogar vor Labour (23 Prozent) als den Tories (21 Prozent). Zudem gilt die derzeitige konservative Parteichefin Kemi Badenoch als schwach.

Käme es jetzt zu einer Parlamentswahl an, könnte es laut Schätzungen dazu kommen, dass Reform UK zur größten Fraktion im britischen Parlament wird. Das wäre ein Schock, denn bisher sorgte das britische Mehrheitswahlrecht meist zuverlässig dafür, dass entweder die Konservativen oder Labour ein klares Regierungsmandat erhielten. Obschon nicht offiziell, war Großbritannien damit ein Zwei-Parteien-System.

Liebäugeln mit Pakt oder Koalition

Alptraum der Tories ist, dass dieses System dauerhaft gestört sein könnte, oder noch schlimmer, sich wieder einpendelt - aber nicht mit den Tories - sondern mit Reform UK als Gegenpol zu Labour. Bei den Konservativen wird daher bereits diskutiert, ob es besser wäre, einen Pakt oder eine Koalition mit Farage zu schließen. Badenoch schließt das auf nationaler Ebene zumindest noch aus. Doch ihr parteiinterner Rivale Robert Jenrick liebäugelte bereits öffentlich damit.

Die nächste Parlamentswahl steht erst im Jahr 2029 an, und lokale Wahlergebnisse sind nur eingeschränkt aussagekräftig für nationale Trends. Doch Politikprofessor Tony Travers von der London School of Economics (LSE) glaubt, dass die inzwischen gut organisierte Farage-Partei von einem Erfolg auf kommunaler Ebene deutlich profitieren würde: "Es wird die Fähigkeiten von Reform, Parlamentsmandate zu gewinnen, deutlich erhöhen", sagte er vor Journalisten kurz vor dem Wahltermin. Bisher sitzt Reform mit gerade einmal vier Abgeordneten im Unterhaus.

Labour hat "Paranoia" vor Reform

Auch in der regierenden Labour Party ist die Angst vor Farage groß. LSE-Politikprofessorin Sara Hobolt spricht gar von einer "Paranoia". Hintergrund ist, dass sich viele traditionelle Labour-Wähler aus der Arbeiterschicht, vor allem im Norden des Landes, beim Brexit-Referendum für den EU-Austritt ausgesprochen hatten. Bei ihnen dürften Farages Botschaften auf fruchtbaren Boden stoßen.

Für Labour sieht es bei der Kommunalwahl zwar ebenfalls nicht gut aus. Doch ihre Verluste werden sich allein deswegen in Grenzen halten, weil die Partei schon bei der vergangenen Wahl schlecht abgeschnitten hatte. Zudem verfügen die Sozialdemokraten über eine satte Mehrheit im Parlament. Labour solle sich daher, "vielleicht ein bisschen mehr aufs Regieren und ein bisschen weniger auf die Reform-Partei fokussieren", sagt Hobolt.

Zusammenfassung
  • In England stehen 1.640 Sitze in 23 Gemeinderäten und sechs Bürgermeisterposten zur Wahl.
  • Reform UK unter Nigel Farage führt mit 25 Prozent in Umfragen und könnte zur größten Fraktion im britischen Parlament werden.
  • Die Tories befürchten, die Hälfte ihrer knapp 1.000 Sitze an Reform UK zu verlieren.
  • Im Bezirk Runcorn and Helsby wird ein Parlamentssitz neu gewählt, nachdem der Labour-Abgeordnete verurteilt wurde.
  • Politikexperten sehen einen Erfolg von Reform UK auf kommunaler Ebene als entscheidend für zukünftige Parlamentswahlen.