Güngör: "Wir leiden nicht unter 16.000 Menschen"

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Man könne über die steigenden Asylzahlen durchaus diskutieren, so der Soziologe und Integrationsexperte Kenan Güngör in Zusammenhang mit dem umstrittenen Tweet von ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. Ressentiments wären dieser Diskussion aber nicht zuträglich, meint der im Gespräch mit PULS 24.

"Wir leiden nicht unter 16.000 Menschen, die gekommen sind. Die Menschen, die meistens gekommen sind haben gelitten", sagt der Soziologe und Integrationsforscher Kenan Güngör. Es sei sicherlich "ein Aufwand für eine Gesellschaft" sich um Asylanträge zu kümmern, auch über die stärker gestiegenen Asylzahlen könne man diskutieren, "aber der Ton macht die Musik", so der Experte. 

Probleme bloß "adressiert"

Gerade auf den Umgang mit Sprache müsse vielmehr geachtet werden. Denn "wir schaden viel mehr der Stimmung, wenn wir über Ressentiments agieren und nicht über die wahren Herausforderungen sprechen". "Es schickt sich nicht für eine Regierungspartei, Probleme nur zu adressieren", vielmehr müsse man über "sinnvolle zukunftsfähige Konzepte" sprechen, meint der Experte. Menschen müsse die Möglichkeit auf Asyl gegeben werden, während man im Moment sagt "komm erst mal illegal durch, dann versorgen wir dich".

Hinsichtlich der Unterscheidung von Flüchtlingen aus der Ukraine und Syrien beziehungsweise Afghanistan übersehe man die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen. Für Flüchtlinge aus der Ukraine sei der Zugang zum Arbeitsmarkt zwar leichter aber auf zwei Jahre beschränkt. Wie man nach Ablauf der Frist vorgehen will, sei nach wie vor "eine Baustelle", erklärt Güngör.

"Keine einladende Integrationspolitik"

Auch die Debatte um die Staatsbürgerschaft sei mit Ressentiments und widersprüchlichen Signalen geprägt. Güngör vermutet dahinter ein "sehr starkes Kalkül" der ÖVP. In Österreich herrsche generell eine "sehr große Skepsis gegenüber Zuwanderung und Migration".

Nach Ansicht Güngörs würden diese Themen "stark proaktiv angegangen", um "in der Wählergunst zu steigen". Hinsichtlich des Erwerbs der Staatsbürgerschaft sei das von der ÖVP betriebene Narrativ problematisch. "Eigentlich wollen wir dich nicht und wir machen es dir so schwer wie möglich" und erst, sobald man Staatsbürger sei, habe man es geschafft. Das sei für den Experten zum einen "keine einladende Integrationspolitik" und zum anderen würde man damit Kinder der zweiten und dritten Generation "verfremden".

Grundsätzlich verstehe Güngör Menschen, die sagen, dass man die Staatsbürgerschaft nicht einfach so hergeben dürfe. Bestimmte Regularien machten auch Sinn, sie "müssen aber auch fair sein". Zu kritisieren seien auch die hohen Kosten der Staatsbürgerschaft: "Damit verderben wir den Menschen die Lust sich einbürgern zu wollen".

Die vermittelte Botschaft "Egal wie lange du hier bist, du bist keiner von uns" würde Menschen dann dazu führen, sich die Anerkennung anderswo zu suchen. So verweist Güngör auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, "der immer sagte, egal wo ihr seid, ihr Türken, ich bin immer für euch da".

ribbon Zusammenfassung
  • Es sei "sicherlich ein Aufwand für eine Gesellschaft" sich um Asylanträge zu kümmern, auch die "stärkere Steigerung der Asylzahlen" könne man diskutieren, "aber der Ton macht die Musik", so der Soziologe und Integrationsforscher Kenan Güngör.
  • Güngör vermutet hinter der "proaktiven" Themensetzung in den Bereichen Staatsbürgerschaft und Migration ein "sehr starkes Kalkül" der ÖVP, um "in der Wählergunst zu steigen".