Karl Nehammer im SommergesprächORF

Nehammer: "Ich glaube an die Unschuld von Sebastian Kurz"

0

Bundeskanzler Karl Nehammer stellt sich weiter hinter den ehemaligen ÖVP-Kanzler Kurz, der sich bald vor Gericht verantworten muss. Überraschend kündigt Nehammer 4,5 Milliarden Euro für Kinderbetreuungsplätze an, will ein "Klimaschutzgesetz mit Hausverstand" und warnt weiter vor dem "Sicherheitsrisiko" Herbert Kickl.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) glaubt an die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, ist aber schon vor dem Gerichtsprozess gegen Sebastian Kurz wegen mutmaßlicher Falschaussage beim U-Ausschuss davon überzeugt, dass dieser unschuldig sei. Das sagte Nehammer zumindest beim ORF-Sommergespräch. 

Generell war der Kanzler bemüht, positive Stimmung zu verbreiten. "Mit negativer Stimmung hat man keine Krise überwunden", meinte er. Er verteidigte die Anti-Teuerungs-Maßnahmen der Regierung. Man habe die Zahl der Langzeitarbeitslosen halbiert, sagte er, ohne einen Zeitraum zu erwähnen. Die Inflation gehe - mit Ausnahme August - zurück und es "war noch nie so gut für einen jungen Menschen, den Job zu finden, den er für sich selber als richtig empfindet", so Nehammer angesichts rund 200.000 offener Stellen in Österreich.

Die Kaufkraft habe man laut Nehammer in Österreich - im Gegensatz zu Spanien - stabilisiert und man habe "keine Rezession" wie Deutschland. Inwiefern die Kaufkraft bei weiterhin deutlich überdurchschnittlicher Teuerung in essenziellen Lebensbereichen wie Energiekosten, Grundnahrungsmitteln und fast nicht vorhandenen Sparzinsen stabilisiert sei, blieb er schuldig.

Die Koalition mit den Grünen würden er und Werner Kogler bis zum vorgesehen Wahltermin im Herbst 2024 fortsetzen wollen. Das Informationsfreiheitsgesetz sei zu 90 Prozent fertig, bei der Unabhängigkeit von russischem Gas sei man auf einem guten Weg - obwohl noch rund 60 Prozent von dort kommen - und auch offene Postenbesetzungen beim Bundesverwaltungsgericht und bei der Nationalbank sollen noch geklärt werden. Zwei Drittel des Regierungsprogramms seien trotz Krisen umgesetzt worden.

Beim Klimaschutzgesetz gab sich Nehammer hingegen zurückhaltender: "Wir brauchen ein Klimaschutzgesetz mit Hausverstand, das die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Betriebe und damit die Arbeitsplätze und damit den sozialen Wohlfahrtsstaat nicht gefährdet", meinte er. 

4,5 Milliarden für Kinderbetreuung

Überraschend kündigte Nehammer aber ein anderes, neues Vorhaben der Regierung an: Man wolle die Versorgungslücke bei Kinderbetreuungsplätzen für Kinder im Alter von ein bis zwei und im Alter von zwei bis drei Jahren schließen. Dafür wolle die Regierung den Gemeinden bis 2030 rund 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. 

"Mein Ziel ist, dass es nicht an der Frage der Kinderbetreuung scheitern darf, wenn Frauen auch arbeiten gehen wollen", so Nehammer. Einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz wolle Nehammer aber erst, wenn die Infrastruktur ausgebaut ist und die nötigen Pädagog:innen gefunden wurden. 

"Die FPÖ ist nicht Herbert Kickl"

Im Gegensatz zu ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, der im PULS 24 Interview zuletzt Koalitionsverhandlungen mit der Kickl-FPÖ nicht ausschließen wollte, versicherte Nehammer nun wieder: "Es wird mit Karl Nehammer als Bundeskanzler keine Regierung mit Herbert Kickl, auch nicht als Minister, geben". Er wolle auch nicht mit der FPÖ koalieren, wenn Kickl Parteichef ist. 

Zu schwarz-blauen Koalitionen in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich meinte Nehammer: "Die FPÖ ist nicht Herbert Kickl". Das schockierende Video der FPÖ-Jugend sei laut Nehammer "unter dem Einfluss" von Kickl entstanden. Dass darin auch Udo Landbauer (FPÖ), Stellvertreter von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), vorkomme, kommentierte er nicht.

Kickl sei für ihn sein Sicherheitsrisiko, weil dieser den Verfassungsschutz "total zerstört" hätte, in der Corona-Phase "Ängste und Nöte ausgenutzt hat, Ängste verstärkt hat, falsche Medikationen propagiert hat". Und auch bei Sky-Shield habe Kickl wieder "die Menschen verunsichert. Es wurde gesagt, wir brechen die Neutralität".

"Es gibt einen Aggressor, das ist die Russische Föderation"

Generell fand Nehammer klare Worte zum Krieg in der Ukraine und zu Österreichs Rolle als neutrales Land: "Es gibt einen Aggressor, das ist die russische Föderation, die hat die Ukraine überfallen. Es passieren Menschenrechtsverletzungen, es passieren Angriffe auf zivile Einrichtungen, wo gar keine militärischen Ziele sind. Wir sind Teil und Mitglied der Europäischen Union, wir haben eine klare Positionierung gegen den Krieg".

Österreich sei militärisch neutral, "aber nicht, wenn es darum geht, eine Haltung zu zeigen". Man werde bei Ermittlungen gegen Putin und zu Kriegsverbrechen unterstützen.

Dass Österreich immer noch Gas aus Russland beziehe, sei moralisch schwierig, so der Bundeskanzler, aber er müsse die Versorgung garantieren: "Die OMV hat bis 2040 Verträge mit Gazprom und die Gazprom liefert". Man könne "das Gas nicht irgendwo abfackeln, das wäre kontraproduktiv".

Das ganze ORF-Sommergespräch zum Nachschauen gibt es auf Joyn

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Karl Nehammer stellt sich weiter hinter den ehemaligen ÖVP-Kanzler Kurz, der sich bald vor Gericht verantworten muss.
  • Überraschend kündigt Nehammer 4,5 Milliarden Euro für Kinderbetreuungsplätze an, will ein "Klimaschutzgesetz mit Hausverstand" und warnt weiter vor dem "Sicherheitsrisiko" Herbert Kickl.
  • Kickl sei für ihn sein Sicherheitsrisiko, weil dieser den Verfassungsschutz "total zerstört" hätte, in der Corona-Phase "Ängste und Nöte ausgenutzt hat, Ängste verstärkt hat, falsche Medikationen propagiert hat".
  • Dass Österreich immer noch Gas aus Russland beziehe, sei moralisch schwierig, so der Bundeskanzler, aber er müsse die Versorgung garantieren.