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Karas: EU-Budgetvorschlag "taugliche Gesprächsgrundlage"

03. Aug. 2025 · Lesedauer 5 min

Der neue Präsident des European Forum Alpbach (EFA), Othmar Karas, wertet den Vorschlag der EU-Kommission für das nächste Mehrjahresbudget als "taugliche Gesprächsgrundlage", wie er zur APA sagte. Was er noch nicht sehe, sei, wie damit alle dringend nötigen Investitionen angestoßen werden könnten. "Das Budget ist nicht höher, wenn man die Rückzahlungen abzieht, als vor 2019, aber was sich zwischen 2019 und heuer alles ereignet hat, verlangt ein Mehr an Aktivität."

Nicht alles lasse sich über Budgets machen, sagte der frühere Erste Vizepräsident des Europaparlaments. Es brauche auch Initiativen und das "Heben des Schatzes von privatem Kapital, das leider noch viel zu sehr außerhalb Europas ausgegeben" werde. "Hier ist noch viel zu verhandeln, damit wir die Ziele erreichen, die wir beschlossen haben und die wir uns selbst gegeben haben. Denn das Budget ist das in Zahlen gegossene Arbeitsprogramm. Und es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und der politischen Handlungsfähigkeit, dass wir zu dem, was wir fordern, und dem, was wir beschließen, auch die Deckung der Finanzierung in einem verhandeln und nicht jeder seine Briefe ans Christkind abgibt."

Wenn man Kosten sparen wolle, müsse man mehr zusammenarbeiten, unterstrich Karas. "Das ist ja eigentlich der Sinn und Zweck der Europäischen Union."

Befragt zur jüngst erzielten Einigung der EU mit den USA in Sachen Zölle erklärte Karas, dass er einen regelbasierten Welthandel für eine Frage von Gerechtigkeit und Fairness halte. "Und ich halte daher internationale Handelsabkommen und eine starke WTO für wichtig."

Er kenne den Deal im Detail noch nicht. Das Positive sei jedoch, "dass man einem Handelskonflikt mit 1. August einmal ausgewichen" sei. "Aber es ist auch für uns eine Aufforderung, dass die Europäische Union auf Augenhöhe und stark und geschlossen sein muss. Ohne Geschlossenheit, ohne Stärke, ohne europäischer Einigung sind wir in der neuen geopolitischen Machtverteilung geschwächt." Das sei auch eine politische Frage: "Wie stark ist die Kommission? Kann sie das, was sie verhandelt, umsetzen? Wenn Sie so wollen: Sind wir so stark, dass man sich vor uns auch fürchtet?" Das gelte auch für die Sicherheitsfrage.

"Dass Herr Trump derzeit das Eigeninteresse über die Gemeinschaftsverantwortung stellt, hat uns die Augen geöffnet. Aber eigentlich ist die Zukunft der Europäischen Union so zu gestalten, wie wir das im Forum machen: interdisziplinär, intergenerational und nach Lösungen suchend. Wir benötigen endlich wieder eine gemeinsame Geschäftsgrundlage, denn nur das schafft Vertrauen", sagte Karas. Das sei das Modell für alle Fragen und Krisen der Zeit.

"Aus Bequemlichkeit zu abhängig gemacht"

"Dass Herr Trump so agiert, wissen wir. Aber dass die Welt sich neu ordnet, das hätten wir schon begreifen müssen. Wir haben uns aus Bequemlichkeit und Naivität zu abhängig gemacht. Und dann wundern wir uns über eine mangelnde Souveränität", kritisierte der Forums-Präsident.

"Wir haben uns bei der Energiepolitik abhängig gemacht von Russland und sind erpressbar gewesen, nicht nur wegen der Lieferketten, sondern auch wegen des Preises. Wir haben uns abhängig gemacht von den fossilen Energieträgern, das erschwert der Europäischen Union die Erreichung der Klimaziele. Wir haben uns abhängig gemacht in der Sicherheitspolitik von der Entscheidung in Washington und vom Einsatz der NATO. Wir haben uns abhängig gemacht bei medizinischen Produkten von China, und wir haben uns in den Technologien von der Telekommunikation bis zur Batterie und den grünen Technologien und der Digitalisierung und KI abhängig gemacht von China und Amerika und vielleicht auch von anderen asiatischen Staaten."

Wenn man abhängig sei, dann sei man erpressbar, und wenn man erpressbar sei, dann sei man nicht souverän. "Das heißt, wir müssen in allen Fragen eine europäische Souveränität erarbeiten. Wir müssen unsere Abhängigkeiten abschütteln", forderte Karas. "Das heißt aber auch für Österreich, wenn man als Europa nicht souverän ist, ist man auch als Mitgliedstaat nicht souverän. Und wenn man als Mitgliedstaat nicht souverän ist, ist es besser, man arbeitet an einer starken Europäischen Union mit, um eine Gemeinschaftssouveränität zu schaffen." Damit stärke man schließlich auch die eigene Bevölkerung, die eigene Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit.

Sicherheits-, Energie- und Kapitalmarktunion im Fokus

Das heurige Generalthema des Forums Alpbach - "Recharge Europe" - heiße für ihn auch, Europa fertigzudenken und eine neue Aufbruchstimmung zu entwickeln. "Und darüber nachdenken, wie wir Europa besser machen können, wie wir es vertiefen, wie wir es erweitern" und de facto "eine europäische geeinte Antwort auf alle Herausforderungen unserer Zeit geben". Daher habe man das Thema auch sehr fokussiert heruntergebrochen auf drei Schwerpunkte: Sicherheitsunion, Energieunion und Kapitalmarktunion.

Als besondere Qualitäten des Forums hob der frühere langjährige ÖVP-EU-Abgeordnete hervor, dass es interdisziplinär und generationenübergreifend sei. Wesentlich sei jedoch auch Alpbach selbst: "Der Ort entschleunigt", so Karas. "Wir setzen ja auch darauf, dass es sich wahrscheinlich in Alpbach und beim European Forum Alpbach leichter miteinander reden und einander zuhören lässt als in einem Sitzungszimmer in Brüssel, in Paris oder sonst wo."

Es sei wichtig, "verwurzelt" zu sein - "verwurzelt in unserer Heimat, verwurzelt in unseren Regionen, verwurzelt in unseren Gemeinden, ja, wer nicht verwurzelt ist, kann nicht aufbrechen". Nicht umsonst beginne das Forum auch mit einem Fokus auf die Euregio Tirol-Südtirol-Trentino. "Auch Europa beginnt in unseren Gemeinden und in den Regionen, aber alle Herausforderungen der Regionen, der Gemeinden, alle Sorgen und Probleme, die wir heute auf unserem Tisch liegen haben, brauchen eine gemeinsame europäische Antwort. Das kann niemand alleine lösen, und dieses Wir-Gefühl zu erzeugen, ist entscheidend."

(Das Gespräch führte Alexandra Angell/APA)

Zusammenfassung
  • Othmar Karas bewertet den Vorschlag der EU-Kommission für das nächste Mehrjahresbudget als „taugliche Gesprächsgrundlage“, sieht aber noch keinen klaren Weg für alle nötigen Investitionen.
  • Das EU-Budget ist inflationsbereinigt nicht höher als vor 2019, obwohl seitdem zahlreiche neue Herausforderungen aufgetreten sind.
  • Karas fordert, dass privates Kapital stärker in Europa genutzt und die Zusammenarbeit innerhalb der EU intensiviert wird, um Kosten zu sparen und Ziele zu erreichen.
  • Er kritisiert die Abhängigkeit Europas in Bereichen wie Energie, Sicherheit und Technologie und fordert mehr europäische Souveränität.
  • Das European Forum Alpbach 2024 stellt die Themen Sicherheitsunion, Energieunion und Kapitalmarktunion in den Mittelpunkt und will damit eine neue Aufbruchsstimmung für Europa schaffen.