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Pilnacek in Amtsgeheimnis-Verfahren freigesprochen

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Der Prozess gegen den suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wegen mutmaßlicher Verletzung des Amtsgeheimnisses vor dem Straflandesgericht Wien endete am Mittwoch mit einem nicht rechtskräftigen Freispruch.

Der Vorwurf gegen den einst mächtigsten Mann im Justizministerium lautete, dass er Ermittlungen gegen eine Journalistin der Tageszeitung "Die Presse" sowie das geplante Vorgehen der Staatsanwaltschaft verraten habe. Im Ermittlungsverfahren bekannte er sich nicht schuldig. Dem stimmte das Gericht zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Bei einer Verurteilung hätten ihm bis zu drei Jahre Haft gedroht. 

Er habe zwar Infos über Ermittlungen gegen eine Journalistin der Tageszeitung "Die Presse" sowie das geplante Vorgehen der Staatsanwaltschaft weitergegeben - allerdings seien dadurch weder öffentliche noch private Interessen gefährdet worden, so Richterin Julia Matiasch. 

Ausgangspunkt der Anklage war eine Anzeige von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die "Presse"-Redakteurin Anna Thalhammer wegen eines kritischen Artikels, den sie verfasst hatte.

Staatsanwaltschaft stieß auf Chat

Pilnacek wurde verdächtigt, im Dezember 2020 der Redakteurin einer anderen Zeitung diese Anzeige verraten zu haben - und auch, dass die Staatsanwaltschaft Wien von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens absehen werde. Auf Pilnaceks Handy war die Staatsanwaltschaft Innsbruck auf einen Chat gestoßen, in dem der Sektionschef mit der Journalistin über die Strafanzeige korrespondiert hatte.

WKStA-Anzeige "überzogen"

Die Staatsanwälte Georg Schmid-Grimburg sowie Andreas Leo räumten in ihren Vorträgen ein, dass die Anzeige der WKStA "überzogen" gewesen sei und die Strafverfolger "dünnhäutig" agiert hätten. Allerdings sei das Verfahren ohnehin eingestellt worden. Pilnacek sei es bei der Weitergabe der Information darum gegangen, dieses "Insiderwissen" zu seinem privaten Vorteil zu verwenden - und zwar um der WKStA zu schaden, mit der er seit längerem im Clinch gelegen sei, so Schmid-Grimburg.

Belegt sei dies durch die Chatverläufe: So habe Pilnacek etwa geschrieben "Da zeige ich Ihnen etwas, was so erbärmlich ist" oder "Bin noch am Überlegen, was ich mit diesem Wissen machten möchte". Woher er die Anzeige überhaupt hatte, wurde im Verfahren nicht geklärt - Pilnacek verweigerte dazu Angaben. Die Ankläger gehen jedenfalls davon aus, dass der Sektionschef diese aus der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien erhalten hat, da der Leak an Pilnacek unmittelbar nach Vorlage des Aktes an die OStA erfolgte.

Pilnacek gab Weitergabe zu

"Ja, mir ist das passiert", räumte Pilnacek vor Gericht die Weitergabe der Info ein. Er habe aber darauf gedrängt, dass die Information nicht unmittelbar veröffentlicht wird - sondern erst nach Abschluss des Verfahrens und Verständigung Thalhammers. Das habe die "Kurier"-Journalistin auch zugesichert.

Als Motivation für die Weitergabe habe auch nicht die Schädigung der WKStA gedient, betonte Pilnacek. Ja, er sei über die Anzeige gegen Thalhammer empört gewesen - hätte er der WKStA aber schaden wollen, hätte er auf eine unmittelbare Veröffentlichung gedrängt. In dem Chat bzw. darauffolgenden Gespräch mit der Journalistin sei es um eine grundsätzliche Frage gegangen, die ihn schon sein ganzes Berufsleben beschäftige: "Wie geht die Justiz mit Kritik um?"

Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender meinte, die Informationsweitergabe sei allein schon dadurch gerechtfertigt gewesen, dass es ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung gegeben habe - nämlich weil das Vorgehen der WKStA ein strukturelles Problem der Justiz darstelle und ein "Anschlag auf die Pressefreiheit" sei. Eine ähnliche Aussage Pilnaceks quittierte Leo damit, dass "es nicht sehr authentisch wirkt, wenn er (Pilnacek, Anm.) versucht, sich als Wahrer der Rechtsstaatlichkeit hervorzutun" und verwies indirekt auf Pilnaceks Chat-Aussagen über den Verfassungsgerichtshof (VfGH) und VfGH-Richterinnen.

Die Richterin sah in ihren Urteilsausführungen zwar die Geheimnis-Weitergabe erfüllt und folgte auch dem Argument des öffentlichen Interesses an der Publikmachung des WKStA-Vorgehens nicht. Es seien aber nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllt: Für eine Verurteilung müsse nämlich die Weitergabe dieses Amtsgeheimnisses dazu "geeignet sein, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen".

Weitere Ermittlungen laufen

Da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab, ist das Urteil nicht rechtskräftig. Neben diesem Verfahren laufen gegen Pilnacek noch weitere Ermittlungen - darin geht es unter anderem auch um die Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Prozess gegen den suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wegen mutmaßlicher Verletzung des Amtsgeheimnisses vor dem Straflandesgericht Wien endete am Mittwoch mit einem nicht rechtskräftigen Freispruch.
  • Der Vorwurf gegen den einst mächtigsten Mann im Justizministerium lautete, dass er Ermittlungen gegen eine Journalistin der Tageszeitung "Die Presse" sowie das geplante Vorgehen der Staatsanwaltschaft verraten habe.
  • Im Ermittlungsverfahren bekannte er sich nicht schuldig. Dem stimmte das Gericht zu. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
  • Er habe zwar Infos über Ermittlungen gegen eine Journalistin sowie das geplante Vorgehen der Staatsanwaltschaft weitergegeben - allerdings seien dadurch weder öffentliche noch private Interessen gefährdet worden, so die Richterin.
  • Ausgangspunkt der Anklage war eine Anzeige von Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen die "Presse"-Redakteurin Anna Thalhammer wegen eines kritischen Artikels, den sie verfasst hatte.
  • "Ja, mir ist das passiert", räumte Pilnacek vor Gericht die Weitergabe ein. Voraussetzung für eine Verurteilung wäre gewesen, dass dadurch "ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse" verletzt wird. Das sah die Richterin nicht gegeben.

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