Nach 738 Tagen
Alle lebenden Geiseln aus Hamas-Gewalt freigelassen
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben alle 20 lebenden Geiseln in Empfang genommen. Die radikal-islamische Hamas habe die Geiseln am Montag im Gazastreifen freigelassen, teilte das Militär am Montag mit.
Die Übergabe ist Teil der ersten Phase eines Waffenruheabkommens. Im Gegenzug begann Israel mit der Freilassung palästinensischer Gefangener und Häftlinge. Die Häftlinge wurden in Ramallah von ihren Familien empfangen, wie das Medienbüro der Gefangenen mitteilte.
Die Armee hatte in den vergangenen Tagen Angehörige der Freigelassenen gewarnt, jegliche Freudenfeiern seien strikt verboten. Insgesamt soll Israel nach der Vereinbarung über eine Waffenruhe mit der Hamas rund 1.700 im Gazastreifen festgenommene Palästinenser und rund 250 zu teils lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilte Häftlinge freilassen. Kurz vor der Abfahrt setzten israelische Sicherheitskräfte Tränengas gegen Wartende und Journalisten ein, wie Fernsehbilder zeigten.
Nur vier sterbliche Überreste werden übergeben
Die palästinensische Terrororganisation Hamas hatte zuvor die letzten 20 lebenden Geiseln freigelassen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Sie kehrten nach 738 Tagen nach Israel zurück, wo sie Angehörige trafen und medizinisch untersucht wurden. Die Hamas hat nach eigener Darstellung alles in ihrer Kraft Stehende für das Überleben der Geiseln im Gazastreifen getan. Sie habe "alle Anstrengungen unternommen, um das Leben der (israelischen) Gefangenen zu bewahren", teilte die Hamas mit.
Die Geiselfamilien haben nach eigenen Angaben erfahren, dass die Hamas am Montag nur vier von 28 toten Geiseln an Israel übergeben will. Eine offizielle Bestätigung für die Angaben, die das Forum der Geiselfamilien auf der Plattform X machte, gibt es noch nicht. Das israelische Militär war jedoch nicht davon ausgegangen, dass am Montag alle Leichen übergeben werden können. So hatte es das Abkommen zwischen Israel und der Hamas eigentlich vorgesehen.
Die Angehörigen der Geiseln seien schockiert und bestürzt, teilte das Forum der Geiselfamilien mit und forderte die israelische Regierung und die Vermittler auf, Maßnahmen zu ergreifen, "um diese schwere Ungerechtigkeit zu korrigieren". "Die Vermittler müssen die Bedingungen der Vereinbarung durchsetzen und sicherstellen, dass die Hamas für diesen Verstoß einen Preis zahlt."
Jubel in Israel
In Israel haben Berichte über die Freilassung der Geiseln für riesige Erleichterung und Freude gesorgt. Auf dem "Platz der Geiseln" im Zentrum der Küstenmetropole Tel Aviv brach am Montagmorgen unter Tausenden dort versammelten Menschen Jubel aus.
Am Freitag war im Rahmen eines von US-Präsident Donald Trump initiierten Friedensplans eine Waffenruhe im Gaza-Krieg in Kraft getreten. Nach Freilassung der ersten Geiseln verpflichtete sich die Hamas der Waffenruhe mit Israel. "Wir bekräftigen unsere Verpflichtung zur erreichten Vereinbarung und den damit verbundenen Zeitplänen, solange sich die Besatzung (Israel) daran hält", teilte der militärische Arm der Hamas, die Kassam-Brigaden, mit. Die Einigung bezeichnete sie als Ergebnis der Standhaftigkeit des palästinensischen Volks im Widerstand gegen Israel.
Trump in Israel gelandet
Nach Auffassung von US-Präsident Trump ist der Krieg ungeachtet der noch ausstehenden weiteren Friedensverhandlungen vorbei. "Der Krieg ist zu Ende", sagte der Republikaner an Bord der Air Force One zu Journalisten auf dem Weg nach Israel. Er gehe davon aus, dass die Waffenruhe halte.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte dagegen zuvor gesagt, der Kampf sei noch nicht vorbei. "Es liegen noch große Sicherheitsherausforderungen vor uns." Einige Feinde versuchten, sich zu erholen, um erneut anzugreifen, hatte der israelische Regierungschef gesagt.
Trump war am Montag in Tel Aviv gelandet und von Netanyahu begrüßt worden. Am Nachmittag will er dann zu einer "Nahost-Friedenszeremonie" anlässlich des von ihm vermittelten Abkommens zwischen Israel und der Hamas in den ägyptischen Küstenort Sharm el Sheikh weiterreisen. Dort werden mehr als 20 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter anderem aus Europa und der arabischen Welt.
Kurz vor seinem Abflug nach Nahost sagte Trump Journalisten über den Verhandlungserfolg: "Alle jubeln gleichzeitig. Das ist noch nie zuvor passiert. Normalerweise jubelt nur einer, während der andere das Gegenteil tut." Es sei das erste Mal, dass alle begeistert seien, sagte der Republikaner.
Lage im Gazastreifen verzweifelt
Nach zwei Jahren Krieg ist die Lage für die Palästinenser in dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen verzweifelt. Hunderttausende Menschen müssen sich in einer zu weiten Teilen zerstörten, vermutlich von Blindgängern übersäten Trümmerlandschaft zurechtfinden, in der sie nur durch dauerhafte Hilfe von außen überleben können.
Seit Beginn der Waffenruhe hat Israel die Einfuhr von mehr Hilfsgütern in das Gebiet erlaubt: Täglich sollen rund 600 Lastwagen einfahren. Das ist nach UNO-Angaben die Mindestmenge, um die Bevölkerung zumindest mit dem Nötigsten zu versorgen. Laut israelischen Sicherheitskreisen soll etwa auch die Reparatur von Wasserleitungen, Abwassersystemen und Bäckereien möglich sein.
Streitpunkte bleiben
Es ist jedoch nicht absehbar, ob das Abkommen zu einem längerfristigen Ende der Kämpfe in Gaza führen wird. Zwei der größten Streitpunkte bleiben die Entwaffnung der Hamas, die in Trumps Friedensplan vorgesehen ist, und der komplette Abzug von Israels Armee aus dem Gebiet. Nach einem vereinbarten Rückzug hält sie weiterhin etwa die Hälfte Gazas besetzt. Die Hamas spricht Israel zudem weiterhin das Existenzrecht ab, Netanyahu und seine rechtsextremen Regierungspartner wollen die Hamas restlos zerschlagen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite wurden dabei etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln nach Gaza verschleppt.
Israel reagierte darauf mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen dabei bisher mehr als 67.000 Menschen ums Leben.
Zusammenfassung
- Im Gazastreifen sind die restlichen von der islamistischen Hamas festgehaltenen lebenden Geiseln freigelassen worden.
- Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben alle 20 lebenden Geiseln in Empfang genommen.
- Die Übergabe ist Teil der ersten Phase eines Waffenruheabkommens.
- Im Gegenzug begann Israel mit der Freilassung palästinensischer Gefangener und Häftlinge.
