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Gewessler: Regierung bei Klimazielen zu wenig ambitioniert

03. Juli 2025 · Lesedauer 3 min

Nach der Präsentation der EU-Klimaziele am Mittwoch haben die Grünen einmal mehr vor Schlupflöchern und einer Aufweichung des Klimaschutzes gewarnt. Gleichzeitig übte Parteichefin und Klimaschutzsprecherin Leonore Gewessler scharfe Kritik an der Bundesregierung. Diese habe den "Weg der Ambition" verlassen und sei beim Klimaschutz vor allem budgetär "mit dem Abrissbagger" unterwegs, sagte sie am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig (ÖVP) mache gerade eine "Kehrtwende", es gehe "nur mehr um verwässern, nach unten nivellieren und darum, Schlupflöcher zu finden in dem 90-Prozent-Ziel", kritisierte Gewessler. Jetzt nach Auswegen zu suchen, die die Ambitionen der vergangenen Jahre - Gewessler war von 2020 bis 2025 Klimaschutzministerin in der türkis-grünen Bundesregierung - untergraben, sei "ein großer Fehler", betonte die Grüne Parteichefin. Die Grünen würden deshalb auch künftig "Druck machen, damit sich Österreich nicht dauerhaft auf der Seite der Bremser und Blockierer einreiht".

Schlupflöcher sehen die Grünen etwa in der Möglichkeit des internationalen Zertifikatehandels, der es erlaubt, mit Klimaschutzprojekten im Ausland heimische CO2-Emissionen zu verrechnen, aber auch in der Speicherung von Kohlendioxid (CO2). Letztere solle nur für einzelne Sektoren, etwa die Zementindustrie, erlaubt werden, forderte Gewessler. Technologien wie CCS (Carbon Capture und Storage) seien keine Lösung dafür, dass man in Summe keine Klimaschutzmaßnahmen mehr brauche. "Wir sollten auch aufhören, das als Wunderlösung zu verkaufen", sagte die frühere Klimaschutzministerin mit Blick auf die ÖVP.

Klimaminister Totschnig hatte das Entnehmen von CO2-Emissionen im Ö1-Morgenjournal als "wichtige Maßnahme", die man in einer energieintensiven Wirtschaft brauche, bezeichnet. "Umso näher wir an das Zwischenziel herankommen, umso höher werden natürlich die Kosten sein für CO2-Zertifikate und da finde ich es schon gut, wenn man da Alternativen hat (...), weil am Ende ist das Klima ein globales Thema und auf der anderen Seite brauchen wir eine wettbewerbsfähige, starke Wirtschaft, die auch Flexibilitäten braucht (...), sagte Totschnig.

Der Handel mit Zertifikaten habe in der Vergangenheit "oft zu einer großen Luftnummer geführt", äußerte sich Gewessler kritisch zum Entwurf der EU-Kommission. Viel wichtiger sei es, in erneuerbare Energien, in Kreislaufwirtschaft und Zukunftstechnologien - "und nicht Milliarden im Ausland in Zertifikate" zu investieren. So werde auch die Zukunftsfähigkeit der heimischen Industrie sichergestellt.

Schilling: Klimaschutz schafft Möglichkeiten für Wirtschaft

Auch die Grüne EU-Abgeordnete Lena Schilling, die für die Grünen/EFA-Fraktion das Klimaziel 2040 verhandelt, strich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Emissionsreduktion um 90 Prozent bis 2040 hervor. "Wer jetzt in Erneuerbare, in grünen Stahl oder Batterietechnologie investiert, stärkt Europas Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit", sagte sie in einer Stellungnahme. Es gehe nicht nur um Umweltpolitik, sondern um Planungssicherheit für Unternehmen, Investitionsschutz und die Glaubwürdigkeit Europas auf internationaler Bühne. Gewessler nannte in dem Zusammenhang vor allem die Rolle Chinas, das vor der nächsten Weltklimakonferenz (COP30) in Brasilien verstärkt auf die EU-Klimapolitik und ihre Ziele blicken - und sich daran orientieren werde.

In Europa würden aktuell einige EU-Mitgliedsstaaten bremsen, meinte Schilling, nannte aber nur Frankreich als konkretes Beispiel. Nach Ansicht Gewesslers ist entscheidend, wie sich die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch die ÖVP gehört, positionieren wird. Innerhalb der EVP, der größten in der europäischen Parteienfamilie, gibt es durchaus unterschiedliche Auffassungen zur EU-Klimapolitik. "Es geht darum, um jede Stimme der EVP zu kämpfen", sagte Gewessler. In Österreich sieht sie deshalb auch SPÖ und NEOS in der Pflicht, für eine "ambitionierte Positionierung" und für das 90-Prozent-Ziel ohne Schlupflöcher zu kämpfen.

Zusammenfassung
  • Die Grünen kritisieren die Bundesregierung scharf für fehlende Ambitionen beim Klimaschutz und warnen vor Schlupflöchern im neuen EU-Ziel, das eine Emissionsreduktion um 90 Prozent bis 2040 vorsieht.
  • Leonore Gewessler fordert, dass Technologien wie CCS nur in einzelnen Sektoren wie der Zementindustrie eingesetzt werden dürfen, und lehnt den internationalen Zertifikatehandel als wirkungslose Maßnahme ab.
  • Lena Schilling betont, dass Investitionen in erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken, und sieht neben der ÖVP auch SPÖ und NEOS in der Pflicht, das 90-Prozent-Ziel ohne Ausnahmen zu unterstützen.