Gedenktag für Sinti und Roma

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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich, Oskar Deutsch, haben am Sonntag zum Tag des Gedenkens an den Völkermord an den Sinti und Roma geäußert. "Der Genozid an den europäischen Roma und Sinti darf nicht in Vergessenheit geraten", erklärte Sobotka.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich, Oskar Deutsch, haben am Sonntag zum Tag des Gedenkens an den Völkermord an den Sinti und Roma geäußert. "Der Genozid an den europäischen Roma und Sinti darf nicht in Vergessenheit geraten", erklärte Sobotka.

"Der Anfang war, dass der nationalsozialistische Verbrecherstaat Sinti und Roma als sogenannte 'Asoziale' und 'Fremdrassige' ausgrenzte. Am Ende fielen eine halbe Million Sinti und Roma dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer." Heute sei die Kultur der Roma und Sinti "ein integraler Bestandteil der österreichischen Identität", betonte der Parlamentspräsident.

Bis heute werde der Genozid an den Sinti und Roma während der nationalsozialistischen Herrschaft "nicht nur verharmlost, viel zu wenig ist er im kollektiven Bewusstsein der europäischen Gesellschaften verankert", erklärte Deutsch. "Es ist unser aller Pflicht, nicht nur im Namen der Sinti und Roma, sondern im Namen von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Menschenwürde, jeden Tag gegen Antiziganismus aufzustehen. Noch immer werden Sinti und Roma in Österreich und Europa systematisch diskriminiert und benachteiligt. Noch immer wird - auch von einigen in Österreich - gegen sie gehetzt. Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus sind das Gegenteil dessen, was das moderne Österreich ausmachen."

Auch heute sei noch mehr Bewusstsein in der Zivilgesellschaft über die Situation der Volksgruppe notwendig, forderte die Leiterin der Romapastoral der Diözese Eisenstadt, Manuela Horvath. Sie sprach laut Kathpress bei einem vom Verein Lowara-Roma Österreich veranstalteten Gedenken am Ceija-Stojka-Platz in Wien-Josefstadt. "Antiziganismus und Romafeindlichkeit sind Themen unserer Gegenwart", betonte sie. Jeder Einzelne wie auch im Besonderen Politiker sollten bei rassistischen Vorfällen die Stimme erheben und "hinter uns stehen".

Trotz der schrecklichen Ereignisse sei es bisher nicht immer gelungen, Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu ziehen, bedauerte die selbst aus der Roma-Volksgruppe stammende Theologin. Sie verwies auf ein derzeit in staatsanwaltlicher Prüfung befindliches Video mit Hassaussagen gegen Roma und Sinti, die ein steirischer FPÖ-Mandatar im Internet geteilt hatte, und Beschmierungen wie etwa "Roma raus". Horvath: "Abwarten kann hier fatale Folgen haben. Es gehört zu unserer Verantwortung für eine friedliche Gegenwart und Zukunft, dass wir unsere Stimme erheben, wo Unrecht geschieht."

Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch zeigte den steirischen FPÖ-Vizeklubobmann Stefan Hermann wegen Verdachts der Verhetzung bei der Staatsanwaltschaft Graz an. Die Sachverhaltsdarstellung bezieht sich auf ein von ihm geteiltes Video auf Facebook, bei dem es sich laut SOS Mitmensch um ein "Anti-Roma-Hassvideo" handle. Darin seien "wüste Beschimpfungen gegen Roma und Sinti" zu sehen. Christian Kroschl von der Staatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch auf APA-Nachfrage, dass die Sachverhaltsdarstellung eingelangt ist. Diese werde nun geprüft, allerdings betonte er, dass vorerst noch kein Verfahren eingeleitet wurde. Ob das passiert, sei derzeit noch offen. Seitens der FPÖ Steiermark hieß es, dass die "Anpatzversuche von Linksaußen-NGO SOS Mitmensch nicht ernst zu nehmen" seien.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte in einer bei der Gedenkveranstaltung gezeigten Videobotschaft, er sei "sehr froh", dass das Gedenken trotz Covid-19 stattfinde und somit auch heuer die Erinnerung an den Völkermord als das "schrecklichste Verbrechen in der Geschichte der Menschheit" wachgehalten werde. Dies sei man den Opfern, den Überlebenden und auch den Nachkommen schuldig. Der Blick auf die konkreten Schicksale im KZ Auschwitz führe die "Unverständlichkeit des Rassenwahnsinns der Nazis offen vor Augen", so Van der Bellen.

Lange Zeit sei das Schicksal der Roma und Sinti "verdrängt, verschwiegen und vergessen" worden, fuhr der Bundespräsident fort. Auch heute noch sei ihre Kultur "mit Klischees und Vorurteilen belastet". Die Zeitzeugen unter den Roma und Sinti, die aus der NS-Zeit berichten könnten, würden heute immer weniger. Zugleich steige jedoch das Interesse der Menschen, Gerechtigkeit für die Opfer zu suchen; so würden Denkmäler errichtet oder fehlende Roma-Dörfer wieder aufgebaut. Das Gedenken sehe er auch als Auftrag der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft: "Wir müssen dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbock, Hass und Gewalt nie wieder als politische Instrumente eingesetzt werden", unterstrich Van der Bellen.

Zu mehr Wachsamkeit mahnte bei der Veranstaltung auch der Referatsbischof für Roma, Sinti und Jenische in der Österreichischen Bischofskonferenz, Franz Scharl. Dem "neuen Rassismus" gelte es Einhalt zu bieten, sagte der Wiener Weihbischof, der hier auf Kathpress-Nachfrage ebenfalls auf die Beschimpfungen durch die steirische FPÖ-Spitze verwies.

Der Tag des Gedenkens an den Völkermord an den Sinti und Roma ("Porajmos") erinnert an die Nacht vom 2. auf den 3. August 1944, als fast 3.000 Roma auf einen Schlag in den Gaskammern des Nazi-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. Die Nazis und ihre Verbündeten töteten während des Zweiten Weltkriegs nach Schätzungen etwa ein Viertel der Roma in Europa, zwischen 200.000 und 500.000 Menschen.

ribbon Zusammenfassung
  • Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich, Oskar Deutsch, haben am Sonntag zum Tag des Gedenkens an den Völkermord an den Sinti und Roma geäußert.
  • Noch immer werden Sinti und Roma in Österreich und Europa systematisch diskriminiert und benachteiligt.
  • Dies sei man den Opfern, den Überlebenden und auch den Nachkommen schuldig.