APA/HANS KLAUS TECHT

Gaza

Tal Shoham: Hamas hungert Bevölkerung und Geiseln aus

Heute, 10:58 · Lesedauer 4 min

Zwei ehemalige Geiseln, darunter der österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham, werfen der islamistischen Terrororganisation Hamas vor, die Bevölkerung und Geiseln im Gazastreifen aushungern zu lassen.

Seit 665 Tagen wird Evyatar David von der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehalten. Er wurde am 7. Oktober 2023 am Nova-Musik-Festival verschleppt. 

Am Freitag hat die Hamas ein Propaganda-Video veröffentlicht, in dem eine abgemagerte Geisel in einem engen Tunnel zu sehen ist. Das Video wurde auch PULS 24 zugespielt, AFP und israelische Medien identifizierten den Mann als den 24-jährigen Evyatar David. 

Geiseln widersprechen Hamas-Propaganda

Es kursieren auch Aufnahmen, in welchen Bilder von abgemagert aussehenden Kindern und Aufnahmen vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zwischen die Aufnahmen, die Evyatar David zeigen, geschnitten wurden. Es wird unterstellt, Israel sei Schuld an dem schlechten Zustand der Geisel. Evyatar David leide, weil auch die restliche Bevölkerung im Gazastreifen leide. 

Dieser Darstellung widerspricht unter anderem der österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger Tal Shoham. Er war selbst 505 Tage in Gefangenschaft der Hamas, ehe er im Februar im Rahmen eines Deals freikam.

 Evyatar DavidAFP

Evyatar David

Ab Mai oder Juni 2024 war er mit Evyatar David gemeinsam in dem Tunnel, den er nun auf dem Hamas-Video wiedererkennen will. Zu viert waren sie dort, weit unter der Erde, ohne Tageslicht, mit wenig Sauerstoff.

"Der Tunnel war etwa einen Meter breit, 1,80 Meter hoch und zwölf Meter lang. Ein Erdloch war die Toilette", sagte Tal Shoham in einem PULS 24 Interview nach seiner Freilassung im März.

Evyatar David im Hamas-VideoScreenshot

Evyatar David im Hamas-Video

"Die schlimmste Folter war der Hunger. Zwei Monate lang gab es für jeden nur eine Pita. Wir haben geschaut, dass jeder gleich viel bekommt", sagte er damals gegenüber PULS 24. Als Tal freikam, hatte er fast 30 Kilogramm verloren und wog nicht einmal mehr 50 Kilogramm.

In einer Videobotschaft, die sein Umfeld auch PULS 24 zukommen ließ, reagiert er nun auf die Aufnahmen von Evyatar David: "Hinter dieser Eisentür sitzen Hamas-Terroristen, die ausreichend Essen, Gemüse, Fleisch, Fisch, Früchte, haben. Sie haben alles was, sie brauchen." Die Terroristen hätten die Lebensmittel von Hilfslieferungen für die Bevölkerung in Gaza abgezweigt, so Shoham. Deshalb leide Evyatar David, der schon zu der Zeit als sie gemeinsam in dem Tunnel waren, unter Skorbut, einer schweren Vitamin-C-Mangelerkrankung, gelitten habe. 

 "Perverse Hungerkampagne"

Auch Omer Wenkert, der mit den beiden gemeinsam gefangen war, äußerte sich in einer Videobotschaft: Auch er habe während der Zeit als Geisel 37 Kilogramm an Gewicht verloren, während die Geiselnehmer nicht abgenommen hätten. 

Die Familie des 24-Jährigen fordert in einer Stellungnahme: "Die internationale Gemeinschaft muss endlich aufwachen, die Grausamkeit der Hamas erkennen und dafür sorgen, dass Evyatar sofort zumindest eine angemessene Ernährung erhält". 

Weiter heißt es in dem Statement: "Unser Sohn hat in seinem derzeitigen Zustand nur noch wenige Tage zu leben. Die Hamas benutzt unseren Sohn Evyatar als lebendes Versuchskaninchen in ihrer widerwärtigen und perversen Hungerkampagne". 

David, Shoham und Wenkert sind drei von 250 Geiseln, die die Hamas am 7. Oktober 2023 entführte. Rund 1.200 Menschen wurden an diesem Tag in Israel ermordet. Nach offiziellen israelischen Angaben werden noch 50 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, davon seien noch mindestens 20 am Leben.

Protest in Tel Aviv

In Tel Aviv haben sich am Sonntag die Angehörigen mehrerer Geiseln bei einer Stacheldrahtinstallation versammelt, um an das Schicksal ihrer Liebsten zu erinnern. "Unsere Kinder erleben einen Holocaust. Sie werden nicht mehr lange überleben", sagte dort Einav Zangauker, die Mutter von Matan Zangauker, der ebenfalls entführt wurde.

Es sei an der Zeit, "das Einzige zu tun, was alle Geiseln zurückbringen kann - ein umfassendes Abkommen auf den Tisch zu legen, das den Krieg beendet."

Prekäre Lage im Gazastreifen

Nach dem Scheitern von weiteren Abkommen für eine Waffenruhe oder zur Freilassung von Geiseln drosselte die israelische Regierung die Lieferung von Hilfsgütern drastisch. Über Monate wurden kaum Hilfslieferungen in den Gazastreifen zugelassen.

Laut Ärzte ohne Grenzen etwa sind 25 Prozent der Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren sowie 25 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen im Gazastreifen mangelernährt. Die UNO warnt vor einer Hungersnot.

Die israelische Regierung begründete den zwischenzeitlichen Stopp der UN-Hilfslieferungen mit angeblichen Plünderungen durch die Hamas und mit Druck auf die Hamas, um Geiseln freizulassen. Israels Regierung wollte die Verteilung mittels der privaten Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) organisieren, die allerdings unter anderem als ineffizient kritisiert wurde.

Seit Sonntag lässt die israelische Regierung wieder größere Lieferungen auf dem Landweg zu und unterstützt die Abwürfe von Hilfsgütern - etwa durch Deutschland. Der Krieg wäre laut israelischen Angaben beendet, würde die Hamas die Geiseln freilassen und kapitulieren.

Ex-Hamas-Geisel Tal Shoham: Rückkehr in den Kibbuz

Zusammenfassung
  • Tal Shoham, der als österreichisch-israelischer Doppelstaatsbürger 505 Tage in Hamas-Gefangenschaft war, wirft der Terrororganisation vor, Geiseln und Bevölkerung im Gazastreifen gezielt auszuhungern.
  • In einem Propaganda-Video der Hamas ist der 24-jährige Evyatar David, der seit 665 Tagen als Geisel gehalten wird, abgemagert in einem Tunnel zu sehen – Shoham widerspricht der Darstellung, dass Israel für seinen Zustand verantwortlich sei.
  • Sowohl Shoham als auch Omer Wenkert berichten von massivem Gewichtsverlust während ihrer Gefangenschaft, während die Hamas-Mitglieder ausreichend Nahrung aus Hilfslieferungen für sich selbst abzweigen.
  • Die Familie von Evyatar David fordert die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die Hamas auszuüben, damit ihr Sohn angemessen ernährt wird, da er laut ihrer Aussage nur noch wenige Tage zu leben hat.
  • Laut Ärzte ohne Grenzen sind 25 Prozent der Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren sowie 25 Prozent der schwangeren und stillenden Frauen im Gazastreifen mangelernährt, während die UNO vor einer Hungersnot warnt.