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"Ganz fatales Signal": Verfassungsjuristen kritisieren Blümel und die ÖVP scharf

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Dass der Verfassungsgerichtshof Gernot Blümels (ÖVP) Finanzministerium erst per Exekutionsantrag dazu zwingen musste, gewisse Akten an den U-Ausschuss zu liefern, stößt auf scharfe Kritik von Verfassungsjuristen.

Erst nicht geliefert, dann als geheim eingestuft: Wie sich das Finanzministerium rund um die verlangte Aktenlieferung für den Ibizia-U-Ausschuss verhält, wird heftig kritisiert. "Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind von Staatsorganen auf Punkt und Beistrich unverzüglich umzusetzen. Und wenn das nicht passiert, dann lässt das an der rechtsstaatlichen Gesinnung des Betreffenden sehr zweifeln", findet Heinz Mayer im Ö1-"Morgenjournal" klare Worte über den Finanzminister und die ÖVP. Mayer ist nicht der einzige Verfassungsrechtler, der das Vorgehen der Türkisen scharf kritisiert. 

Geringschätzung 

"Das ist die Einstellung der türkisen Partei, dass sie über den staatlichen Institutionen letztlich steht und dass sie sich von den staatlichen Institutionen nicht gängeln lässt", kritisierte Mayer. Dass die Akten nun letztlich als "geheim" geliefert wurden, ist für Mayer "nicht überraschend, wenn man daran denkt, dass der Herr Finanzminister vor einigen Jahren in türkisen Socken durch das Parlament spaziert ist, dann zeigt das ja eine gewisse Geringschätzung des Parlaments und die hat sich offenbar erhalten".

"Ganz fatales Signal"

Die ganze Sache könne natürlich auch das Rechtsbewusstsein allgemein untergraben, glaubt der Verfassungsjurist. "Wenn man sieht, dass auch ein Regierungsmitglied höchstgerichtliche Entscheidungen ignorieren kann oder zumindest einmal zeigen kann, dass er trotzdem macht, was er will, dann wird das auf das Rechtsbewusstsein der Bürger natürlich möglicherweise abfärben und das ist sicherlich ein ganz fatales Signal, das da gesendet wird." Wenn das Beispiel Schule mache und man ständig gezwungen sei, mit Exekutionen die Einhaltung verfassungsrechtlicher Verpflichtungen durchzusetzen, "dann wird es schwierig".

Moser: "Die Frage ist, wurde jetzt alles geliefert"

Politologe und Journalist Moritz Moser spricht mit PULS 24 Anchor Thomas Mohr darüber wann der Bundespräsident aktiv zur Exekution schreiten muss.

Noch keine Entscheidung zu Kanzler-Mails

Noch nicht entschieden hat der VfGH in Sachen Meinungsverschiedenheiten zwischen Opposition und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Aktenvorlage im U-Ausschuss. SPÖ, FPÖ und NEOS haben mehrfach beklagt, kein einziges Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten zu haben. Über ihre Anträge dazu werden die Beratungen kommende Woche fortgesetzt, teilte der VfGH am Donnerstag mit. Das Kanzleramt hat dem Gerichtshof in diesem Verfahren 692 Mails von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem "umfassenden Suchprozess" keinerlei "abstrakt relevante Akten und Unterlagen" gefunden haben.

VfGH wird sich nicht pflanzen lassen

"Die Vorgangsweise des Bundeskanzlers ist mehr als merkwürdig, nämlich seine Mitarbeiter aufzufordern, zu bestätigen, dass keine Unterlagen vorhanden sind", meinte Mayer. Das sei auch ein Vorgang, den er noch nie erlebt habe. "Der Verfassungsgerichtshof wird sich ja nicht pflanzen lassen", das Höchstgericht müsse ja dafür sorgen, dass seine Entscheidungen beachtet werden, und das werde es vermutlich auch in der Sache Kurz machen, glaubt Mayer.

Argumente "sind grenzwertig"

Auch Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hatte am Donnerstag in der "ZiB2" gemeint, die Sache sei für Blümel "nicht ganz undelikat". In der Auseinandersetzung mit dem VfGH seien vonseiten des Finanzministers Argumente vorgebracht worden, "von denen man wissen konnte und wissen musste, dass sie nicht verfangen werden. Es wurde versucht, alles zu mobilisieren, womit man vielleicht eine Chance gesehen hat, diesen lästigen Verpflichtungen zu entgehen", sagte Funk. "Aber es war schon klar, dass das nicht greifen wird." Man müsse sich schon die Frage stellen, "ob da nicht ein taktisch-strategischer Weg eingeschlagen wurde, der im Wesentlichen den Zweck hatte, das Ganze Verfahren möglichst abzuwehren". Von einem Bruch der Verfassung würde Funk dabei zwar nicht sprechen, schließlich sei es legitim, Argumente vorzubringen, von denen man glaube, dass sie für die eigene Position nützlich seien - "aber diese Argumente waren und sind grenzwertig".

Wie schon Van der Bellen verwies auch Funk auf die in der Verfassung vorgegebenen Regelungen, durch die "die nötige Durchsetzungs- und Durchschlagskraft" gewonnen werden könne. Das sei auch im Hinblick auf die noch bevorstehenden Auseinandersetzungen um die Informationen aus dem Bundeskanzleramt von Bedeutung. Die Lage sei hier aber komplizierter, denn der Kanzler habe vorgebracht, dass bestimmte Informationen "nie vorhanden waren oder gelöscht wurden", so Funk. "Wenn etwas dann weg ist, dann ist es eben weg", dafür gebe es letzten Endes keine durchschlagskräftige Prüfungs- und Entscheidungsmöglichkeit.

Blümel wendet Exekution ab

Im letzten Moment übergibt das Finanzministerium die vom Ibiza-U-Ausschuss geforderten Unterlagen und wendet damit eine Exekution durch den Bundespräsidenten ab.

ribbon Zusammenfassung
  • Dass der Verfassungsgerichtshof Gernot Blümels (ÖVP) Finanzministerium erst per Exekutionsantrag dazu zwingen musste, gewisse Akten an den U-Ausschuss zu liefern, stößt auf scharfe Kritik von Verfassungsjuristen.
  • "Das ist die Einstellung der türkisen Partei, dass sie über den staatlichen Institutionen letztlich steht und dass sie sich von den staatlichen Institutionen nicht gängeln lässt", kritisierte Verfassungsrechtler Mayer.
  • Die ganze Sache könne natürlich auch das Rechtsbewusstsein allgemein untergraben, glaubt der Verfassungsjurist.
  • "Die Vorgangsweise des Bundeskanzlers ist mehr als merkwürdig, nämlich seine Mitarbeiter aufzufordern, zu bestätigen, dass keine Unterlagen vorhanden sind", meinte Mayer. Das sei auch ein Vorgang, den er noch nie erlebt habe.
  • "Der Verfassungsgerichtshof wird sich ja nicht pflanzen lassen", das Höchstgericht müsse ja dafür sorgen, dass seine Entscheidungen beachtet werden, und das werde es vermutlich auch in der Sache Kurz machen, glaubt Mayer.

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