Corona - Plädoyer für eigene Impfstoffproduktion des Globalen Südens

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Forscher plädieren für den Aufbau einer eigenen Covid-Arzneimittelproduktion in Ländern des Globalen Südens. Nur so könne die Pandemie zügig eingedämmt und die drastische Ungleichheit beim Impfstoff-Zugang behoben werden, so die Rektorin der Central European University (CEU), Shalini Randeria, und die Geschäftsführerin des Austrian Institute for Health Technology Assessment, Claudia Wild. Dazu müssten die geistigen Eigentumsrechte etwa auf Covid-Impfstoffe ausgesetzt werden.

"Der ungleiche Zugang zu Impfungen zeigt die drastische Ungleichheit weltweit", verweist die Sozialanthropologin Shalini Randeria in einer Aussendung von "Diskurs - Das Wissenschaftsnetz" auf die Tatsache, dass nach über 1,5 Jahren der Pandemie erst die Hälfte der Weltbevölkerung zumindest eine Impfdosis erhalten hat und in Ländern mit niedrigem Einkommen erst rund fünf Prozent der Bevölkerung geimpft wurden. "Diese Menschen werden wegen der hohen Preise, der Mangelproduktion und aufgrund von Hindernissen bei geistigem Eigentum unnötigerweise noch jahrelang auf Covid-Impfstoffe und Medikamente warten müssen. In Europa, wo Impfstoffe frei erhältlich sind, ist die Impfstoffskepsis das Hindernis", erklärte Randeria.

Die beiden Wissenschafterinnen erinnern an den sogenannten "TRIPS-Waiver", ein Vorschlag, den Indien und Südafrika im Vorjahr bei der Welthandelsorganisation WTO eingebracht haben, um diese Missstände zu beheben. Darüber sollte bei der Ministerkonferenz der WTO ab Dienstag in Genf verhandelt werden, die allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Die nötige Drei-Viertel-Mehrheit in der WTO für diese Maßnahme wird laut "Diskurs" von der Schweiz, Norwegen und den EU-Ländern blockiert.

Dem Vorschlag zufolge würden alle relevanten geistigen Eigentumsrechte auf Covid-Impfstoffe, Medikamente und medizinische Ausrüstung für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Dadurch könnte die Produktion und die Verteilung der Arzneimittel und der Ausrüstung rascher und günstiger erfolgen. Dies sei auch für die Länder des Globalen Nordens relevant, verweisen die Forscherinnen auf die steigende Gefahr bei länger andauernder Pandemie, dass sich weitere Virusmutationen mit Resistenzen bilden.

"Die mRNA-Impfstoffe wurden nahezu ausschließlich mit öffentlichen Geldern und erst 'auf den letzten Metern' mit privatem Kapital finanziert. Aufgrund dieser enormen öffentlichen Vorleistungen und in Anbetracht der unnötig lange andauernden Pandemie, ist es nun dringend notwendig, die geistigen Eigentumsrechte für Covid-Impfungen, Medikamente und medizinische Ausrüstung auszusetzen", so Wild. Diese Vakzine könnten auch in Ländern des Globalen Südens effizient und ressourcensparend hergestellt werden.

"Ärzte ohne Grenzen" (MSF) und die unter anderem von Attac, Global 2000 und Südwind getragene "Plattform Anders Handeln" bekräftigten indes am Montag ihre Forderung nach einer sofortigen Patentfreigabe. Trotz der Verschiebung der WTO-Ministerkonferenz könne der Generalrat der Welthandelsorganisation "jederzeit eine temporäre Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte" beschließen, betonte die Plattform am Montag in einer Aussendung. MSF wies darauf hin, dass die Blockadefront gegen die Patentfreigabe bröckle und jüngst etwa auch Norwegen umgeschwenkt sei. Mehr als 100 Länder stünden hinter dem Vorstoß Südafrikas.

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  • Forscher plädieren für den Aufbau einer eigenen Covid-Arzneimittelproduktion in Ländern des Globalen Südens.