Nach Fischer-Kritik: Regierung betont klare Haltung zu Gaza
Fischer hatte im APA-Interview betont, dass man bei Israel genauso wenig "wegschauen" dürfe wie in der Ukraine. Er sehe mit "Empörung, in welcher Weise ein Ministerpräsident Netanyahu mit seinem sogenannten Kriegskabinett (...) aus rechtsextremen, ihren Zionismus vor sich hertragenden Regierungsmitgliedern den Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens führt", so Fischer. "Das ist mir ganz ernst."
Man dürfe bei Taten, die unter dem Verdacht von Kriegsverbrechen stehen, "nicht schweigen", sagte der Vorgänger von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Und daher erwarte ich mir auch von der österreichischen Regierung, dass sie diese Dinge aufmerksam verfolgt und dann Stellung nimmt", sagte er in Richtung der Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS. Das stärkste Motiv dafür sei gerade, dass durch die Handlungen Netanyahus "der Antisemitismus nicht verringert, sondern vergrößert und gestärkt wird. Und dem muss ein Riegel vorgeschoben werden."
Die Bundesregierung habe hier schon bisher eine klare Haltung gezeigt, betonten Bundeskanzler Stocker, Außenministerin Meinl-Reisinger und SPÖ-Vizekanzler Babler am Rande des Foyers nach dem Ministerrat. Es sei Israel nicht anzulasten, dass es auf das Massaker der Hamas an der israelischen Bevölkerung vom 7. Oktober 2023 militärisch reagiert habe, so Stocker. Die palästinensische Zivilbevölkerung dürfe aber nicht die Rechnung bezahlen. Die Regierung bekenne sich zur Rechtsstaatlichkeit auf allen Ebenen und zur humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung.
Österreich werde weiter seine bestehenden guten Kontakte zu Israel nutzen, um auf bilateralem Wege die Einhaltung des Völkerrechts einzumahnen, erklärte Meinl-Reisinger, die sich ebenfalls über Pläne Israels für eine dauerhafte Besatzung Gazas besorgt zeigte. "Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch zurück, es muss zu einem Waffenstillstand und einer vollständigen Freilassung der noch verbliebenen Geiseln kommen." Auch Babler hob hervor, dass Österreich den Angriff der Hamas klar verurteile, gleichzeitig aber für eine Zwei-Staaten-Lösung eintrete. Maßnahmen wie Zwangsumsiedlungen oder das gezielte Blockieren humanitärer Versorgung würden nicht den Weg für eine politisch nachhaltige Lösung aufbereiten.
Van der Bellen ließ der Tageszeitung "Der Standard" (Onlineausgabe) auf deren Anfrage mitteilen, dass er "in regelmäßigem und gutem Austausch mit der Bundesregierung" sei. "Im Zuge dieser Gespräche werden auch außenpolitische Fragen erörtert. Wir bitten um Verständnis, dass sich die Präsidentschaftskanzlei dazu nicht öffentlich äußert", hieß es von einem Sprecher zu den Aussagen Fischers.
Holocaust "rechtfertigt nicht, dass man jetzt so mit Menschen umgeht"
"Der Herr Putin hat nicht die Grenze zu einem Nachbarland zu überschreiten mit Militärgewalt, und Israel hat nicht die Grenze (...) einfach beiseite zu schieben und zu versuchen, hunderttausende Menschen zur Flucht zu zwingen, nachdem schon zwischen 40.000 und 50.000 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, getötet wurden", betonte Fischer im APA-Interview. Jedes einzelne Kind, "das im Gazastreifen stirbt oder verhungert oder auf andere Weise lebenslang geschädigt wird, ist genau eines zu viel".
Die Vorgänge seien "entsetzlich" und "umso schlimmer, als wir ja ganz, ganz positiv eingestellt sind zum Kampf gegen Antisemitismus", sagte der langjährige SPÖ-Politiker. Auch würdige man die Leiden, die das jüdische Volk auch im 20. Jahrhundert getragen habe, genauso wie den Holocaust. "Aber das alles rechtfertigt nicht, dass man jetzt so mit Menschen, Frauen, Kindern umgeht, wie das dort der Fall ist." Israel setze sich nicht nur über die Menschenrechte, sondern auch über das Völkerrecht hinweg.
Zurückhaltend äußerte sich Fischer auf die Frage, ob Österreich im Lichte des israelischen Vorgehens ähnlich wie bereits einige EU-Partner den Staat Palästina anerkennen sollte. "Mir ist natürlich bewusst, dass Österreich mit Recht sehr sensibel und sorgfältig in seinen Beziehungen zu Israel agiert", sagte er. Zugleich betonte er, dass er sich als junger Mensch für die "Pionierleistungen" in Israel begeistert und etwa auch einige Wochen in einem Kibbuz gearbeitet habe. Auch mit dem früheren Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Shimon Peres und anderen Politikern sowie zivilen Personen in Israel sei er "gut befreundet" gewesen. "Aber das, was sich vor unseren Augen abspielt, das geht nicht", so Fischer.
IKG sieht Fischer "nur als Freund ermordeter Juden"
Die Israelitische Kultusgemeinde in Wien verurteilte Fischers Aussagen. "Leider zeigt sich Altbundespräsident Heinz Fischer nur als Freund ermordeter Juden. An Gedenktagen trägt er seine Trauer mahnend zur Schau. Wenn es aber um lebende Juden geht, richtet er ihnen aus, sich wehrlos entführen, vergewaltigen und ermorden zu lassen", warf IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele dem früheren Staatsoberhaupt in der Tageszeitung "Die Presse" (Onlineausgabe) ein Verschweigen des "genozidalen Massakers" der Terrororganisation Hamas vor. "An Ignoranz nicht zu überbieten ist Fischers Vorwurf, der Staat Israel sei am steigenden Antisemitismus in Österreich schuld. Damit bedient er sich einer der ältesten antisemitischen Formeln", so Nägele.
Zusammenfassung
- Heinz Fischer fordert Österreich auf, Israels Vorgehen im Gazastreifen klar zu verurteilen und zieht Vergleiche zur Ukraine.
- Die österreichische Regierung betont ihre klare Haltung und will über gute Kontakte zu Israel die Einhaltung des Völkerrechts einfordern.
- Fischer kritisiert Israels Regierung für ihre Kriegsführung und warnt vor einer Verstärkung des Antisemitismus.
- Die Regierung verurteilt den Hamas-Angriff, betont jedoch die Notwendigkeit humanitärer Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung.
- Die Israelitische Kultusgemeinde kritisiert Fischer für einseitige Aussagen und Ignoranz gegenüber israelischen Opfern.