Ex-NATO-Chef: "Sollten Wirtschaft in Europa auf Kriegsmodus stellen"

0

Im Interview spricht der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Rasmussen über Österreichs Verteidigungspolitik, die aktuelle Gefahrenlage im Nahen Osten und auch die Bedrohung durch Russland. Vieles sei im Umbruch, Europa müsse seine Positionen überdenken und in Verteidigung investieren.

PULS 24 Infodirektorin Corinna Milborn hat am Montag Ex-NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zur Situation in Nahost und in der Ukraine interviewt. Er war von 2009 bis 2014 Generalsekretär der NATO.

Risiko für Krieg zwischen Israel und Iran "minimal"

Am Wochenende war nach der Ankündigung eines Vergeltungsschlages des Irans gegenüber Israel große Sorge ausgebrochen. Rasmussen hält einen Krieg zwischen Iran und Israel aber weiter für unwahrscheinlich: "Keiner hat ein Interesse daran, dass sich dieser Konflikt zu einem offenen Krieg im Nahen Osten ausweitet. Ich würde das Risiko als minimal einschätzen." 

Israel konnte 99 Prozent der Drohnen des Irans laut eigenen Angaben abwehren. Demnach sei der Iran auch nicht erfolgreich gewesen, so Rasmussen. Damit habe Israel Stärke demonstriert und auch die Überhand in dem Konflikt. Israel könnte es sich, so Rasmussen, auch leisten, nicht auf den Angriff zu reagieren. 

Russland wolle bei dem Angriff des Irans keine aktive Rolle unterstellen, aber es gäbe definitiv Interesse, vom Krieg in der Ukraine abzulenken.

Empfiehlt Österreich NATO-Beitritt

Die Neutralität hält Rasmussen für "kein tragfähiges Konzept" mehr, weil es sie "im traditionellen Sinn des Wortes nicht mehr gibt". Deshalb empfiehlt Rasmussen Österreich seine Position zu überdenken: "Es ist an der Zeit, den Status Österreichs zu überdenken, genau wie in Finnland und Schweden." Grauzonen seien heute Gefahrenzonen, und das hätten die beiden nordischen Länder erkannt. 

Die Neutralität habe Österreich während des Kalten Krieges geschützt, die Zeit sei kommen, diese Position zu überdenken.

Außerdem habe sich Österreich bereits als Teil der EU dazu bekannt, bei der militärischen Verteidigung zu unterstützen.

Raketenschild für Ukraine

Rasmussen ruft außerdem dazu auf, die Ukraine im Krieg gegen Russland stärker zu unterstützen: "Es ist an der Zeit, den Ukrainern dabei zu helfen, alle russischen Raketen und Drohnen abzuschießen, um die ukrainische Zivilbevölkerung zu schützen und die zivile Infrastruktur vor Zerstörung zu bewahren".

"Die Ukrainer verdienen es, all die Waffen zu erhalten, die sie brauchen, um diesen Krieg zu gewinnen (...). Dazu brauchen sie natürlich schwere Kampfpanzer, Kampfjets, und auch Langstreckenraketen. Ich verstehe nicht, warum die Deutschen nicht die TAURUS-Marschflugkörper liefern. Die wären sehr, sehr hilfreich für die Ukrainer". Insgesamt müsse Europa aufrüsten. Er empfiehlt: "Wir sollten unsere Wirtschaft in Europa auf Kriegswirtschaft umstellen."

Außerdem sei auch alle Hilfe an die Ukraine gedeckt von der Charta der Vereinten Nationen. Man helfe der Ukraine, sich selbst zu verteidigen. "Mit allen Mitteln, die es hat." 

Österreich solle aber trotzdem der NATO beitreten, weil, dass der "Goldstandard" sei. Auch die USA würden unterstützen, und die die EU habe nicht dieselben Mittel, wie die NATO. Diese würde weiterhin der Eckpunkt der europäischen Verteidigungspolitik sein. 

NATO "keine Bedrohung für Russland"

Das Narrativ, dass der Überfall Russlands auf die Ukraine auch durch die Osterweiterung der NATO provoziert worden sei, weißt Rasmussen zurück. Die Ukraine solle der NATO seiner Meinung nach beitreten, denn man habe gesehen, dass Russland Artikel fünf des NATO-Vertrags respektieren würde.

Die NATO sei außerdem  "nie eine Bedrohung für Russland" gewesen, im Gegenteil, so Rasmussen: "Vor jeder NATO-Erweiterung haben wir Russland die Hand gereicht." Und er glaubt nicht, dass es aktuell eine immanente Gefahr durch einen Angriff Russlands gegen einen NATO-Staat gibt. 

Wie der Ukraine-Krieg endet, das würde durch die Positionen am Schlachtfeld bestimmt werden. Diese Entscheidungen liegen bei der ukrainischen und der russischen Regierung. Der Westen sollte der Ukraine bis dahin mit allem unterstützen, was sie brauche, um alle russischen Soldaten aus ihrem Staatsgebiet zu vertreiben. 

Skepsis gegenüber Pro-russischen Stimmen

Der ehemalige NATO-Generalsekretär ist sich sicher, dass Russland mit Desinformations-Kampagnen versuchen würde, Einfluss auf die Wahlen des Jahres 2024 zu nehmen. Der beste Schutz sei es, sich dessen bewusst zu sein. Aus seiner Sicht aus solle man gegenüber allen Stimmen, die für Russland sind, "sehr, sehr skeptisch sein". 

Die Zeit sei gekommen, um auch Österreichs Position zu Russland zu überdenken. Putin zu unterstützen würde weder dem Frieden oder der Demokratie dienen, jemanden zu unterstützen, der "internationale Gesetze breche, der glaubt, dass man einfach Territorium von kleineren Nachbarstaaten nehmen würde". Allen, die das unterstützen, sollte großer Skepsis begegnet werden.

Egal, ob Ex-US-Präsident Donald Trump im November wieder ins Amt gewählt wird, oder nicht, die NATO müsse mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit übernehmen, so Rasmussen. Auch die Europäische Union müsse viel mehr in seine eigene Verteidigung investieren, Europa sollte seine Wirtschaft in den Kriegsmodus umstellen.

Anders Fogh Rasmussen war auf Einladung der Industriellenvereinigung und der Oberbank in Wien.

Heiß Umfehdet - jeden Montag bis Donnerstag um 20:00 Uhr auf JOYN & PULS 24.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Interview spricht der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Rasmussen über Österreichs Verteidigungspolitik, die aktuelle Gefahrenlage im Nahen Osten und auch die Bedrohung durch Russland.
  • Vieles sei im Umbruch, Europa müsse seine Positionen überdenken und in Verteidigung investieren.

Mehr aus Politik