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Ex-Minister Fasslabend und Scheibner für NATO-Beitritt

Die beiden früheren Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) und Herbert Scheibner (ehemals FPÖ und BZÖ) machen keinen Hehl aus ihrer Präferenz für einen NATO-Beitritt Österreichs. Die Mitgliedschaft in einer Allianz bringe Österreich "mehr Schutz" und "stärkeren Einfluss", sagte Fasslabend im APA-Interview. Scheibner kritisierte, dass Österreich in einer Reihe von Sicherheitsorganisationen dabei sei, "nur nicht in der, die auch Sicherheitsgarantien gibt".

Fasslabend amtierte von 1990 bis 2000, Scheibner von 2000 bis 2003. In APA-Interviews zum ersten Jahrestag der russischen Aggression gegen die Ukraine räumten die beiden jahrelangen NATO-Befürworter ein, dass ein Abschied von der Neutralität derzeit unrealistisch sei. Die Option eines NATO-Beitritts sei aktuell "zweifelsohne nicht gegeben" und "bedarf eines Umdenkprozesses in der gesamten Parteienlandschaft Österreichs", sagte Fasslabend. Ähnlich äußerte sich Scheibner. Er hoffe in sicherheitspolitischen Fragen auf einen "breiten Konsens". "Den hat man halt jetzt erreicht, indem man nichts gemacht hat. Das ist schade", sagte er in Anspielung auf die Neutralitätsfestlegungen der österreichischen Parlamentsparteien unmittelbar nach Kriegsausbruch.

Eine Volksabstimmung über das Ende der Neutralität sehen beide Ex-Politiker nicht als erforderlich an. Fasslabend verwies darauf, dass auch das Neutralitätsgesetz ohne Referendum eingeführt worden sei. Es brauche lediglich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat. Scheibner argumentierte, dass die Neutralität faktisch schon vor einem Vierteljahrhundert abgeschafft worden sei. Im Jahr 1998 sei nämlich durch eine Verfassungsänderung die Teilnahme Österreichs an friedensschaffenden Maßnahmen im Rahmen der EU-Verteidigungspolitik ermöglicht worden.

"Ich brauche keine Abstimmung mehr, denn diese völkerrechtliche Neutralität gibt es nicht mehr", betonte Scheibner. Es sei "wirklich ärgerlich, dass man den Leuten die Unwahrheit sagt, weil man sich nicht mit der Realität befassen will", kritisierte der frühere FPÖ-Klubobmann. Die österreichische Definition der Neutralität entspreche jener eines Abstinenzlervereins, "der sagt: Für uns ist ein Abstinenzler jemand, der jeden Tag nicht mehr als ein Viertel Wein trinkt. Das kann man für sich sagen, aber nach außen hin wird man eher sagen, das sind keine Abstinenzler", veranschaulichte der Präsident der Wiener Denkfabrik Europäisches Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention (EICTP).

Wie Schweden sei auch Österreich schon längst nicht mehr immerwährend neutral, sondern nur noch bündnisfrei. Es könne der Verpflichtung, sich aus allen Konflikten herauszuhalten, nicht mehr nachkommen, womit auch der Schutzaspekt der Neutralität verloren gegangen sei. "Der Neutrale will ja sich selbst schützen, indem er jeden möglichen Konfliktpartner signalisiert: Schau, mich brauchst Du nicht anzugreifen, weil ich halte mich aus allem heraus. Das ist der Sinn der Neutralität, das können wir nicht", so Scheibner. "Partiell neutral" könne auch ein NATO-Staat sein, wenn es sich nicht gerade um einen Bündnisfall handelt, verwies Scheibner auf das Beispiel des Irak-Krieges, an dem sich mehrere europäische NATO-Mitglieder nicht beteiligt hatten.

Scheibner zeigte sich "im Negativen überrascht" vom Verlauf der österreichischen Neutralitätsdiskussion nach dem russischen Angriff. Statt sich zu überlegen, "was das für uns bedeutet", habe man gemeint: "Für uns hat das keine Auswirkung. Wir sind neutral und das bleibt so, und zwar unisono." Fasslabend äußerte Verständnis dafür, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Neutralitätsdiskussion Ende Februar 2022 im Keim erstickte. Angesichts der "Fülle von Problemen" von Corona bis zur Inflation habe es "hier offensichtlich eine schnelle Reaktion gegeben, um nicht ein weiteres Problem zu schaffen".

"Wir stehen jetzt nicht in einem enormen Zeitdruck", plädierte Fasslabend für eine sorgfältig vorbereitete Diskussion über die künftige sicherheitspolitische Ausrichtung Österreichs. Diese Debatte solle stattfinden, "wenn die wichtigsten großen Krisen erledigt oder im Griff sind", sagte der Präsident des Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES). "Zweifelsohne ist hier ein Prozess, der über eine Partei oder über die gegenwärtige Regierung hinausgeht, erforderlich", unterstrich der Ex-Verteidigungsminister.

Für den ÖVP-Politiker sind "die Vorteile, die sich aus der Neutralität ergeben, in Wirklichkeit nicht mehr oder bestenfalls rudimentär vorhanden". Befragt zur immer wieder als Alternative zur Neutralität ins Spiel gebrachten EU-Verteidigungspolitik sagte Fasslabend, diese sei derzeit "nur die theoretische Möglichkeit, an einer theoretischen Komponente Europas teilzunehmen". Zugleich gebe es "beinahe Identität" zwischen EU- und NATO-Mitgliedern. Ähnlich äußerte sich auch Scheibner. Die EU sei "selbstständig nicht handlungsfähig sicherheitspolitisch" und brauche die NATO, die wiederum "das Backup der Amerikaner" bräuchte. Deshalb sei es "illusorisch" zu glauben, dass die EU eine zweite sicherheitspolitische Struktur aufbauen werde.

Beide Politiker sprachen sich dafür aus, dass Österreich auch sicherheitspolitisch zum Kern Europas gehört. In der Verteidigungspolitik wünscht sich Scheibner mehr Integration und eine Teilnahme Österreichs. Fasslabend erinnerte daran, dass die österreichische Außenpolitik immer als vorrangiges Ziel gehabt habe, "im Zentrum der europäischen Politik zu sein". "Und wenn man im Zentrum der europäischen Politik sein möchte, dann ergibt es sich automatisch, dass man nicht in einer Außenseiterposition bleiben kann", betonte er.

Scheibner lässt diesbezüglich auch das Argument der besonders geschützten geografischen Lage Österreichs nur bedingt gelten. "Man sollte kapieren, dass (...) jeder Krieg in unserem Umfeld uns selber massiv betrifft und wir deshalb ein Interesse haben, dass Kriege nicht stattfinden in Europa", betonte er. Wenn man das wolle, brauche man neben einer guten Diplomatie und Wirtschaftspolitik auch "die Kapazität, mit militärischen Mitteln Frieden zu schaffen. Und da kann man sich nicht herausnehmen als Mitglied der Europäischen Union und als ernst zu nehmender Partner in der Staatengemeinschaft."

(Die Gespräche führte Stefan Vospernik/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Die beiden früheren Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) und Herbert Scheibner machen keinen Hehl aus ihrer Präferenz für einen NATO-Beitritt Österreichs.
  • Die Mitgliedschaft in einer Allianz bringe Österreich "mehr Schutz" und "stärkeren Einfluss", sagte Fasslabend im APA-Interview.
  • Scheibner kritisierte, dass Österreich in einer Reihe von Sicherheitsorganisationen dabei sei, "nur nicht in der, die auch Sicherheitsgarantien gibt".